- Den zehenjähr’gen Durst zu löschen, hingen
An ihrem Reiz die Augen, so voll Gier,
Daß mir die andern Sinne ganz vergingen.
- Seitwärts baut’ eine Mauer dort und hier
Nichtachtung auf, denn mit dem Netz, dem alten,
Zog mich ihr heil’ges Lächeln hin zu ihr.
- Da wandten mir die himmlischen Gestalten
Mit Macht nach meiner Linken das Gesicht,
Mit diesem Ruf: Im Schauen Maß gehalten!
- Nun stand ich dort wie einer, den das Licht
Der Sonne mit dem Flammenpfeil geblendet,
Und dem zunächst die Sehkraft ganz gebricht.’
- Doch als das wen’ge sie mir neu gespendet –
Nach jenem vielen wenig und gering,
Von dem ich mit Gewalt mich abgewendet –
- Da sah ich, das ruhmvolle Kriegsheer fing
Sich rechts zu kehren an, indem’s den Lichten,
Den sieben, nach, der Sonn’ entgegenging.
- Wie, wenn die Scharen auf den Sieg verzichten,
Sie unterm Schild sich mit der Fahne dreh’n,
Eh’ sie, geschwenkt, sich ganz zum Rückzug richten,
- So war die Schar des Himmelreichs zu sehn,
Und eh’ sich um des Wagens Deichsel legte,
Sah man den Zug vor’ und vorübergehn.
- Die sieben Frauen rechts und links, bewegte
Der Greif die heil’ge Last mit stiller Macht,
So daß an ihm sich keine Feder regte.
- Ich, Statius, sie, die mich zum Furt gebracht,
Wir leiteten dem Rade nach die Schritte,
Das, umgeschwenkt, den kleinern Bogen macht.
- So ging es durch des hohen Waldes Mitte,
Öd’, weil der Schlang’ einst Eva Glauben gab,
Und Engelsang gab Maß für unsre Tritte.
- Dreimal so weit nur, als ein Pfeil herab
Vom Bogen fliegt, war nun der Zug gekommen,
Und Beatrice stieg vom Wagen ab.
- "Adam!" so ward ein Murmeln rings vernommen,
Und einen Baum, von Laub und Blüten leer,
Umringt’ im Kreise nun die Schar der Frommen.
- Sein Haar verbreitet sich so mehr, je mehr
Er aufwärts steigt, hoch, daß er selbst den Indern
Durch seine Höhe zum Erstaunen war’.
- "Heil dir, o Greif, mit deinem Schnabel plündern
Willst du nicht diesen Baum, der Süßes zwar
Dem Gaumen gibt, doch Marter dann den Sündern."
- So rief rings um den starken Baum die Schar.
Und er, in dem sich Leu und Aar verbunden:
"So nimmt man jedes Rechtes Samen wahr."
- Die Deichsel, wo ich ziehend ihn gefunden,
Schob er zum öden Stamm und ließ am Baum,
Aus ihm entnommen, sie an ihn gebunden.
- Wie unsre Pflanzen, wenn zum Meeressaum
Das große Licht sich senkt, von dem umschlossen,
Das nach den Fischen glänzt am Himmelsraum,
- Sich üppig bläh’n zu neuen jungen Sprossen,
Jede gefärbt nach der Natur Gebot, .
Eh’ Sol den Stier erreicht mit seinen Rossen;
- So, mehr als Veilchen zwar, doch minder rot
Als Rosenglut, erneute sich die Pflanze,
Die erst verwaist erschien und kahl und tot.
- Und wie sie nun erblüht’ im neuen Glanze,
Ertönt’ ein nie gehörter Lobgesang,
Doch nicht ertrug mein müder Sinn das Ganze.
- Könnt’ ich euch malen, wie mit süßem Klang
Von Pan und Syrinx einst Merkur den Späher,
Den unbarmherz’gen, zum Entschlummern zwang,
- So zeigt’ ich, wie nach einem Urbild, eher,
Wie jener Sang in Schlummer mich gebracht,
Doch das Entschlummern sing ein bessrer Seher.
- Ich springe bis zur Zeit, da ich erwacht,
Da mir ein Glanz zerriß den dunkeln Schleier,
Und eine Stimme rief: Steh auf, hab’ acht!
- Wie zu der Blut’ des Baums, des Apfel teuer
Den Engeln sind, den nichts erschöpfen kann,
Der Speise gibt zur ew’gen Hochzeitsfeier,
- Geführt, Jakobus, Petrus und Johann
Aus ihrer Ohnmacht bei dem Wort erstanden,
Bei dessen Klang wohl tiefrer Schlaf entrann,
- Und nun vermindert ihre Schule fanden.
Denn Moses und Elias waren fort,
Und ihren Herrn in anderen Gewanden;
- So ich – und über mich gebogen dort
Stand jetzt die Schöne, wie um mein zu hüten,
Die mich geführt entlang des Flusses Bord.
- "Wo ist Beatrix?" rief ich, und mir glühten
Vor Angst die Wangen. "Auf der Wurzel", sprach
Die Schöne, "sitzt sie unter neuen Blüten.
- Sieh hin, wer sie umgibt. Dem Greifen nach
Entfloh’n empor die anderen, mit Sange,
Der süßer, tiefer klang, als dort am Bach.
- Ob sie noch mehr gesprochen und wie lange,
Nicht weiß ich es, denn mir im Auge stand
Sie, die mein Ohr versperrte jedem Klange.
- Sie saß allein auf jenem reinen Land,
Wie’s schien, zur Hut des Wagens dort gelassen,
Den an den Baum der Zweigestalt’ge band.
- Die sieben Nymphen sah ich sie umfassen,
Im Kreis, die Lichter haltend, die vom Zwist
Des Nord- und Südwinds nie sich löschen lassen.
- "Als Fremdling weilst du dort nur kurze Frist
Und wirst mit mir als ew’ger Bürger bleiben
In jenem Rom, wo Christus Römer ist.
- Zum Heil der Welt mit ihrem bösen Treiben
Schau’ auf den Wagen, um, was du gesehn,
Zurückgekehrt, den Menschen zu beschreiben."
- Beatrix sprach’s – wie könnt’ ich widerstehn?
Ganz so, wie’s der Gebieterin gefallen,
Ließ ich voll Demut Geist und Auge gehn.
- Nicht sah man je so schnell aus Himmels Hallen.
Aus dichter Wölk’, ein flammendes Geschoß,
Den Blitz aus fernster Höhe niederfallen,
- Als auf den Baum Zeus’ Vogel niederschoß,
Nicht wühlend bloß in Blüten und in Blättern,
Die Rind’ auch brechend, die sein Mark umschloß.
- Dann sah man ihn zum Wagen niederschmettern,
Der bei dem Stoße rechts und links sich bog,
Gleich einem Schiff im Kampf mit wilden Wettern.
- Dann war ein Fuchs, der jähen Sprunges flog,
Ins Innre selbst des Wagens eingebrochen,
Wohin ihn Gier nach beßrer Speise zog.
- Doch mit dem Vorwurf des, was er verbrochen,
Trieb meine Herrin ihn so eilig fort,
Als laufen konnten seine magern Knochen.
- Und nochmals stürzte von dem hohen Ort,
Wie schon vorhin, der Adler in den Wagen,
Und ließ ihm viel von seinen Federn dort.
- Und wie aus banger Brust der Laut der Klagen,
Klang aus dem Himmel eine Stimm’ und sprach:
"Mein Schifflein, schlechte Ladung mußt du tragen!"
- Und unten, zwischen beiden Rädern, brach
Der Erde Grund, ausspeiend einen Drachen,
Der nach dem Wagen mit dem Schwanze stach.
- Dann zog er ihn zurück, wie’s Wespen machen,
Nahm einen Teil des Bodens mit und schien,
Von dannen eilend, des Gewinns zu lachen.
- Der Rest des Wagens blieb, doch sah man ihn
Mit Federn, die wohl reiner Sinn gespendet,
Wie üppig Land mit Gras, sich überzieh’n.
- Und dieses Werk war so geschwind vollendet,
Und voll die Deichsel und das Räderpaar,
Bevor die Brust ein Oh! und Ach! beendet.
- Und Häupter trieb, als er verwandelt war,
Der Wagen vor, an den vier Ecken viere,
Drei aber nahm man auf der Deichsel wahr,
- Die letzten drei gehörnt wie die der Stiere,
Die ersten vier mit einem Horn versehn;
So glich er nie geschautem Wundertiere.
- Und sicher, wie auf Bergen Schlösser stehn,
Saß eine zügellose Hure drinnen
Und ließ umher die flinken Augen späh’n.
- Und, gleich, als solle sie ihm nicht entrinnen,
Stand ihr zur Seit’ ein Ries’, und diese zwei
Sah ich sich küssen und sich zärtlich minnen.
- Allein, weil sie die Augen gierig frei
Auf mich gewandt, schlug sie der wilde Freier
Vom Kopf zum Fuß mit wütendem Geschrei.
- Drauf löst’ er ab vom Baum das Ungeheuer,
Von Argwohn voll und wildem Zorn und Arg,
Und zog es durch den Wald, des dichter Schleier
- Die Hure samt dem Wundertier verbarg.
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