- Schon aufrecht stand und still der Flamme Haupt,
Und sie entfernte sich in tiefem Schweigen,
Nachdem der süße Dichter ihrs erlaubt.
- Wir sah’n nach ihr sich eine zweite zeigen,
Und ein verwirrt Gestöhn, das ihr entquoll,
Macht’ unsern Blick zu ihrer Spitze steigen.
- Gleich wie Siziliens Stier, der jammervoll
Zuerst von seines Bildners Schrei’n erbrüllte,
– Und so war’s recht – von dessen Klag’ erschoII,
- Den er im innern hohlen Raum verhüllte,
Und, ganz von Erz, in seinem Angstgestöhn
Erschien, als ob ihn selbst der Schmerz erfüllte;
- So schien das Klagewort, das in den Höh’n
Und an den Seiten nirgend durchgedrungen,
Erst gleich des Feuers knisterndem Getön.
- Doch als es sich zur Spitz’ emporgerungen,
Die, wie die Zunge hin und wieder fährt,
Sich bei dem Durchgang hin und her geschwungen.
- Da sprach’s: O du, an den mein Wort sich kehrt,
Der du, wie ich vernahm, mit weIschem Klange
Gesprochen: Geh, nicht weiter sei beschwert!
- Obwohl ich etwas spät hierhergelange,
Doch weil’ und gib auf meine Fragen acht,
Denn sieh, ich weile trotz der Gluten Drange.
- Bist du zur Reif in diesen dunklen Schacht
Erst jetzt vom süßen Latierland geschieden,
Von dem ich alle Schuld hierhergebracht,
- So sprich:Hat Krieg Romagna oder Frieden?
Denn da das schöne Land auch mich erzeugt,
So kümmert mich sein Schicksal noch hienieden."
- Ich stand aufmerksam niederwärts gebeugt,
Da stieß Virgil mich leis und sagte: "Rede,
Ein Latier ist er, wie sein Wort bezeugt."
- Worauf ich schon bereit zur Gegenrede,
Ihn also sonder Zögerung beschied:
"O Seele, hier verborgen, sonder Fehde
- War nimmer deines Vaterlands Gebiet,
Weil stets im Kampf der Zwingherrn Herzen wüten;
Doch offenbar war keine, da ich schied.
- Ravenna ist, wie’s war; dort pflegt zu brüten,
So wie seit Jahren schon, Polentas Aar,
Des Flügel unter sich auch Cervia hüten
- Die Stadt, die fest in langer Probe war,
Wo rote Ströme Frankenblutes wallten,
Liegt unterm grünen Leu’n nun ganz und gar.
- Verruchios alt’ und neuer Hund, sie walten
Schlimm, wie sie den Montagna einst belohnt,
Da, wo sie eingeholt die Zähne halten.
- Das, was am Lamon und Santerno wohnt,
Läßt sich vom Leu’n im weißen Neste leiten,
Der die Partei vertauscht mit jedem Mond.
- Sie, welchen Savios Flut benetzt die Seiten,
Lebt zwischen Sklaverei und freiem Stand,
Wie zwischen dem Gebirg und ebnen Weiten.
- Jetzt, bitt’ ich, mach’ uns, wer du bist, bekannt;
Wie der Vergessenheit dein Nam’ enttauche,
So sei nicht härter, als ich andre fand."
- Da grunzt’ und braust’ es in der Flamme Bauche,
Wie Feuer braust; sie regte hin und her
Das spitze Haupt und gab dann diese Hauche:
- "Sprach’ ich zu einem, dessen Wiederkehr
Nach jener Welt ich jemals möglich glaubte,
So regte nie sich diese Flamme mehr.
- Doch da dies keinem je die Höll’ erlaubte,
So sag’ ich ohne Furcht vor Schand’ und Schmach,
Was mich hierher stieß und des Heils beraubte.
- Ich war erst Kriegsmann und Mönch hernach,
Um mich vom Fall durch Buß’ emporzurichten;
Gewiß geschah auch, was ich mir versprach.
- Allein der Erzpfaff – mög’ ihn Gott vernichten –
Er hat mich neu den Sündern beigesellt,
Wie und warum? das will ich jetzt berichten.
- Als ich noch oben lebt’ in eurer Welt,
Da ward ich nimmer mit dem Leu’n verglichen,
Doch öfters wohl dem Fuchse gleichgestellt.
- In allen Ränken und geheimen Schlichen
War ich geschickt, in ihrer Übung schlau
Und drum berühmt in allen Himmelsstrichen.
- Doch als die Zeit kam, da des Haares Grau
Uns dringend mahnt, das hohe Meer zu scheuen
Und einzuziehn das Segel und das Tau,
- Da mußt’ ich, was mir erst gefiel, bereuen,
Ward Mönch und tat nun Buß’ am heil’gen Ort,
Ach, und noch könnt’ ich mich des Heils erfreuen.
- Der neuen Pharisäer Herr und Hort
(Im Krieg, mit Juden nicht und Türkenscharen,
Vielmehr am Lateran und nahe dort,
- Weil alle seine Feinde Christen waren,
Die nicht bei Acri mit gesiegt und nicht
Des Sultans Land als Schacherer befahren),
- Nicht achtet’ er an sich die höchste Pflicht
Und nicht den Strick, der meinen Leib umfangen,
Der jeden mager macht, den er umflicht.
- Wie Konstantin Silvestern angegangen,
Ihm Hilf und Rat beim Aussatz zu verleih’n;
So sollt’ ich jetzt als Arzt auf sein Verlangen
- Vom Fieber seines Hochmuts ihn befrei’n.
Doch schweigen mußt’ ich und mich selber schämen,
Denn eines Trunknen schien sein Wort zu sein.
- Du darfst nicht sorgen, sprach er, noch dich grämen;
Ablaß erteil’ ich dir, mich lehre du:
Wie fang’ ich’s an, Preneste wegzunehmen.
- Du weißt, den Himmel schließ’ ich auf und zu,
Denn beide Schlüssel sind mir übergeben,
Die Cölestin vertauscht um träge Ruh’.
- Nicht war so trift’gem Grund zu widerstreben,
Und da hier schweigen mir das Schlimmste schien,
So sprach ich endlich: Vater, da du eben
- Die Sünde, die ich tun soll, mir verziehn,
So wisse: Viel versprechen, wenig halten,
Dadurch wird deinem Stuhl der Sieg verlieh’n –
- Franz wollte, wie ich starb, sein Amt verwalten,
Mich heimzuführen, doch ein Teufel kam
Und sprach: Halt ein, denn den muß ich erhalten.
- Er kommt mit mir hinab zu ew’gem Gram,
Weil ich, seitdem er jenen Trug geraten,
Ihn bei dem Haar als meine Beute nahm.
- Wer Ablaß will, bereu’ erst seine Taten.
Doch wer bereut und Böses will, der muß
Wohl mit sich selbst in Widerspruch geraten.
- Ach! wie ich zuckt’ in Schrecken und Verdruß,
Als er mich faßt’ und, mich von dannen reißend,
Sprach: Meintest du, ich sei kein Logikus?
- Zu Minos trug er mich, der, sich umkreisend
Den harten Rücken, bei dem achten Mal
Ausrief, sich in den Schweif vor Ingrimm beißend:
- Der wird der Flamme Raub im achten Tal!
Und also ward ich von dem Schlund verschlungen
Und geh’ im Feuerkleid zu ew’ger Qual."
- Hier endet’ er, und als das Wort verklungen,
Da ging sogleich die Flamme jammernd fort,
Das Horn gedreht und hin und her geschwungen.
- Und weiter ging ich nun mit meinem Hort
Zur nächsten Brück’ auf rauhen Felsenpfaden
Und sah im Grund, den Lohn empfangend, dort
- Die, Zwiespalt stiftend, sich mit Schuld beladen.
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