- "O Jungfrau Mutter, Tochter deines Sohns,
Demüt’ger, höher, als was je gewesen,
Ziel, ausersehn vom Herrn des ew’gen Throns,
- Geadelt hast du so des Menschen Wesen,
Daß, der’s erschaffen hat, das höchste Gut,
Um sein Geschöpf zu sein, dich auserIesen.
- In deinem Leib entglomm der Liebe Glut,
An der die Blume hier äu ew’gen Wonnen
Entsprossen ist, in ew’gem Frieden ruht.
- Die Lieb’ entflammst du, gleich der Mittagssonnen,
In diesem Reich; dort, in der Sterblichkeit,
Bist du der frommen Hoffnung Lebensbronnen.
- Du giltst so viel, ragst so in Herrlichkeit,
Daß Gnade Suchen und zu dir nicht flehen,
Wie Flug dem Unbeflügelten gedeiht.
- Du pflegst dem Armen huldreich beizustehen,
Der zu dir fleht, ja öfters pflegt von dir
Die Gabe frei dem FIeh’n vorauszugehen.
- In dir ist Huld, Erbarmen ist in dir,
In dir der Gaben Fülle – ja, verbunden.
Was Gutes das Geschöpf hat, ist in dir.
- Er, der vom tiefsten Schlund sich eingefunden
Des Weltalls hat, der Geister Art und Sein,
Von Reich zu Reich zu sehn und zu erkunden,
- Er fleht zu dir, ihm Kräfte zu verleih’n,
Daß er die Augen höher heben könne,
Und seinen Blick für’s höchste Heil zu weih’n.
- Und ich, der ich mehr für sein Schauen brenne,
Als für mein eignes je, wie dir bewußt,
Ich fleh’, und das, was ich gefleht, vergönne!
- Nimm ihm der Erde Nacht von Aug’ und Brust
Und flehe du für ihn, daß sich entfalten
Vor seinen Augen mag die höchste Lust.
- Noch bitt’ ich, Königin, dich, die du walten
Kannst, wie du willst, in ihm und solchem Sehn,
Gesund des Herzens Neigung zu erhalten.
- Laß ihn der ird’schen Regung widerstehn;
Sieh Beatricen, sieh so viel Verklärte
Mit mir zugleich, die Hände faltend, fleh’n!"
- Die Augen, die Gott liebt und wert halt, kehrte
Sie fest dem Redner zu und zeigte drin,
Ihr sei das fromme Fleh’n von hohem Werte.
- Dann blickten sie zum ew’gen Lichte hin;
Und einen Blick so klar dorthin zu senden
Wie sie, vermag nicht des Geschöpfes Sinn.
- Dem Ziel, zu dem sich alle Wünsche wenden,
Mich nähernd, fühlt’ in meinem Innern ich
So, wie ich mußte, jede Sehnsucht enden.
- Und lächelnd winkte Bernhard mir, daß sich
Mein Auge nun empor zum Höchsten richte;
Doch, wie er wollte, war ich schon durch mich.
- Denn stets ward’s klarer mir vorm Angesichte,
Und mehr und mehr drang durch den Glanz hinan
Mein Blick zum hohen, in sich wahren Lichte.
- Und tiefer, größer war mein Schau’n fortan,
Daß solchen Blick die Sprache nicht bekunden,
Nicht die Erinnerung ihn fassen kann.
- Wie der, dem nach dem Traum, was er empfunden,
Tief eingeprägt, das Herz noch lang erfüllt,
Wenn das, was er geträumt, ihm schon entschwunden;
- So bin ich, dem beinah sein Traumgebild
Entschwunden ist, und dem die Lust, geboren
Aus jenem Traum, noch stets im Herzen quillt.
- So schmilzt der Schnee, wenn aus des Ostens Toren
Die Sonn’ erwärmend steigt; so war beim Wind
In leichtem Staub Sibyllas Spruch verloren. –
- O höchstes Licht, das, was der Mensch ersinnt,
So weit zurückläßt, leih itzt meiner Seele
Ein wenig nur von dem, was ihr verrinnt.
- Mach’ itzt, daß Kraft die Zunge mir beseele,
Damit ein Funke deiner Glorie nur
Der Nachwelt bleib’ in dem, was ich erzähle.
- Wenn deine Huld von dem, was ich erfuhr,
Nur schwachen Nachhall diesem Liede spendet,
Dann sieht man klarer deiner Siege Spur.
- Mich hätte, glaub’ ich, ganz der Blitz geblendet,
Den ich von dem lebend’gen Strahl empfand,
Hätt’ ich von ihm die Augen abgewendet.
- Und ich erinnre mich: mein Mut erstand
Durch ihn, die Blitze kühner zu ertragen,
Bis sich mein Blick der ew’gen Kraft verband.
- O überreiche Gnad’! Ich dürft’ es wagen,
Fest zu durchschau’n des ew’gen Lichtes Schein
Und ins Unendliche den Blick zu tragen.
- Er drang bis zu den tiefsten Tiefen ein;
Die Dinge, die im Weltall sich entfalten,
Sah ich durch Lieb’ im innigsten Verein.
- Wesen und Zufall, ihre Weis’, ihr Walten,
Dies alles war in eines Lichtes GIanz,
In eines unvermischten Lichts, enthalten.
- Die Form, die allgemeine, dieses Bands,
Ich sah sie, glaub’ ich; denn den Schatten gleichen
Die Bilder nur, und Wonne füllt mich ganz.
- Mehr macht mein Bild ein Augenblick erbleichen,
Als drittehalb Jahrtausende die Fahrt
Der Argo nach Neptunus’ fernsten Reichen.
- Scharf, unbeweglich schaut’ in solcher Art
Die Seele nach dem göttlichen Gesichte,
Drob sie stets mehr im Schau’n entzündet ward.
- Und also wird man dort bei jenem Lichte,
Daß es nicht sein kann, daß man, abgewandt
Von ihm, je anderwärts die Augen richte,
- Weil es das Gut, des Wollens Gegenstand,
Ganz in sich faßt und ärmlich und voll Schwächen
All andres zeigt, was man vollkommen fand.
- Kurz werd’ ich nun von dem Geschauten sprechen,
Und sprechend stell’ ich mich als Kindlein dar,
Dem noch Erinnerung und Wort gebrechen.
- Nicht weil ein andrer jetzt, als einfach klar,
Der Schimmer ward, zu dem mein Blick sich kehrte;
Denn jener bleibt so, wie er immer war,
- Nur weil im Schau’n sich meine Sehkraft mehrte,
Schien’s, daß verwandelt jener eine Schein,
Sich mir, der selbst verwandelt war, verklärte.
- Zum tiefen, klaren Lichtstoff drang ich ein,
Da schienen mir drei Kreise, dort zu sehen,
Dreifarbig und an Umfang gleich zu sein.
- Wie Iris in der Iris glänzt, so zween
Im Widerschein – der dritte, Glut und Licht,
Schien gleich von hier aus und von dort zu wehen.
- Wie kurz, wie rauh mein Wort für solch Gesicht!
Und dem, was zu erschau’n mir ward beschieden,
Genügen wenig schwache Worte nicht.
- O ew’ges Licht, allein in dir in Frieden,
Allein dich kennend und von dir erkannt,
Dir selber lächelnd und mit dir zufrieden,
- Als ich zur Kreisform, die in dir entstand,
Wie widerscheinend Licht, die Augen wandte,
Und sie verfolgend mit den Blicken stand,
- Da schien’s, gemalt in seiner Mitt’ erkannte,
Mit eigner Farb’, ich unser Ebenbild,
Drob ich nach ihm die Blicke gierig spannte.
- Wie eifrig strebend, aber nie gestillt,
Der Geometer forscht, den Kreis zu messen,
Und nie den Grundsatz findet, welcher gilt;
- So ich beim neuen Schau’n – ich wollt’ ermessen,
Wie sich das Bild zum Kreis verhielt’, und wie
Die Züge mit dem Licht zufammenflössen.
- Doch dies erflog der eigne Fittich nie,
Ward nicht mein Geist von einem Blitz durchdrungen,
Der, was die Seel’ ersehnt hatt’, ihr verlieh.
- Hier war die Macht der Phantasie bezwungen,
Doch Wunsch und Will’, in Kraft aus ew’ger Ferne,
Ward, wie ein Rad, gleichmäßig umgeschwungen,
- Durch Liebe, die beweget Sonn’ und Sterne.
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