- Ich kehrte mich, vom Staunen überwunden,
Zu meiner Führerin, gleich einem Kind,
Das Hilfe sucht, wo’s immer sie gefunden.
- Sie sprach, der Mutter gleich, die sich geschwind
Zum Knaben kehrt, der atemlos, beklommen
In ihrer Stimme frischen Mut gewinnt:
- "Bedenk’s, dich hat der Himmel aufgenommen,
Wo alles heilig ist, wo heißem Drang
Gerechten Eifers, was geschieht. entglommen.
- Wie dich mein Lächeln, wie dich der Gesang
Verwandelt hätten, wirst du jetzt verstehen,
Da jener Ruf dich so mit Graus durchdrang.
- Verstündest du das drin enthaltne Flehen,
So wäre dir die Rache schon erklärt,
Die du noch wirst vor deinem Tode sehen.
- Von droben fällt zu frühe nicht das Schwert,
Und nicht zu spät, wie’s dem scheint, der mit Grauen
Es harrend fürchtet oder es begehrt.
- Jetzt blicke nur auf andres mit Vertrauen,
Sieh dortenhin; du wirst in großer Zahl
Dort hochberühmte sel’ge Geister chauen."
- Ich sah, den Blick gewandt, wie sie befahl,
Wohl hundert Kreise, welche Funken Sprühten,
Verschönert von dem gegenseit’gen Strahl.
- Wie auch in mir der Sehnsucht Stacheln glühten,
Doch wagt’ ich keine Frag’ und hieß sie ruh’n,
Um vor zu großer Kühnheit mich zu hüten.
- Die größte, hellste Perle nahte nun,
Um jenem Wunsch, den sie in mir ergründet,
Mit süßem Liebeswort genugzutun.
- "Wenn du die Liebe säh’st, die uns entzündet,"
So sprach die Stimme jetzt aus jenem Licht,
"Du hättest, was du denkst, mir frei verkündet.
- Doch horch, auf daß du, harrend, später nicht
Zum hohen Ziel gelangest, und ich deute
Dir, was zu fragen dir der Mut gebricht.
- Des Berges Höh’, an dessen Abhang heute
Cassino liegt, war einst Versammlungsort
Für viel Betrüger und betrogne Leute.
- Der erste, nannt’ ich dessen Namen dort,
Der jene Wahrheit, die uns hoch erhoben,
Der Erde bracht’ in seinem heil’gen Wort.
- Und solche Gnade glänzt’ auf mich von oben,
Daß ich das Land umher vom Dienst befreit,
Der mit verruchtem Trug die Welt umwoben.
- Wer hier glänzt, lebt’ einst in Beschaulichkeit,
Und keiner ließ in sich die Flamm’ erkalten,
Die Blüten treibt und heil’ge Frucht verleiht.
- Sieh des Maccar, des Romuald Lichtgestalten,
Sieh meine Brüder, die im Klosterbann
Den Fuß gehemmt und fest das Herz gehalten."
- "Dein liebevolles Wort", so hob ich an,
"Und diese Freundlichkeit, die es begleitet,
Die ich an jedem Glanz bemerken kann,
- Sie haben aIso mein Vertrau’n erweitet,
Wie Sonnenschein die Rose, welche sich,
Soweit sie kann, erschließet und verbreitet.
- Und, so vertrauend, Vater, bitt’ ich dich,
Dich meinen Blicken unverhüllt zu zeigen,
Ist solche Gnade nicht zu groß für mich."
- "Wenn so hoch", sprach er, "deine Wünsche steigen,
Beut dir der letzte Kreis Erfüllung dar.
Durch sie wird jeder Wunsch, auch meiner, schweigen.
- Dort wird vollkommen, reif und ganz und wahr,
Was nur das Herz ersehnt – und dort nur findet
Sich jeder Teil da, wo er ewig war,
- Weil jener Kreis sich nicht im Raum befindet;
Doch unsrer Leiter Höh’ erreichet ihn,
Daher sie also deinem Blicke schwindet.
- Als sie dem Jakob einst im Traum erschien,
Sah er die Spitze bis zum Himmel streben
Und drauf die Engel auf und nieder zieh’n.
- Jetzt mag man nicht den Fuß vom Boden heben,
Um sie zu steigen, und bei Schreiberei’n
Bleibt an der Erde träg mein Orden kleben.
- Denn Räuberhöhlen sind, was einst Abtei’n,
Und ihrer Mönche weiße Kutten pflegen
Nur Säcke, voll von dumpf’gem Mehl, zu sein.
- Kein Wucher ist so sehr dem Herrn entgegen
Als jene Frucht, auf die die Mönch’ erpicht,
Drob sie im Herzen solche Torheit hegen.
- Das, was die Kirche wahrt, gehört nach Pflicht
Den Armen nur zur Lind’rung der Beschwerden,
Nicht Vettern, noch auch schlechterem Gezücht.
- Schwach ist des Menschen Fleisch, so, daß auf Erden
Ein guter Urspung nicht genügen kann,
Bis Eichensprossen Eichenbäume werden.
- Petrus fing ohne Gold und Silber an,
Und ich begann mit Fasten und mit Flehen,
Franz seinen Orden als ein niedrer Mann.
- Willst du nach eines jeden Ursprung spähen,
Dann sehn, wie ihn verführt der Übermut,
So wirst du Schwarzes statt des Weißen sehen.
- Traun! daß sich aufgetürmt des Jordans Flut
Auf Gottes Wink, ist wunderbar zu finden,
Mehr als die Hilfe, die euch nötig tut."
- Sprach’s, um mit seiner Schar sich zu verbinden;
Zusammen drängte sich die Schar und fuhr
Vereint empor, gleich schnellen Wirbelwinden.
- Und ihnen nach, mit einem Winke nur,
Trieb mich die Herrin aufwärts jene Stiegen;
So zwang jetzt ihre Kraft mir die Natur.
- Hienieden, wo bald sinkt, was erst gestiegen,
Gibt die Natur nie solche Schnelligkeit,
Daß sie vergleichbar ist mit meinem Fliegen.
- So wahr ich, Leser, zu der Herrlichkeit
Einst kehren will, für die ich oft in Zähren
Den Busen Schlag’ in Reu’ und tiefem Leid;
- Du kannst ins Feu’r den Finger tun und kehren
So schnell nicht, als ich war im Sterngebild,
Das nach dem Stier durchrollt die Himmelssphären.
- O edle Sterne, kraftgeschwängert Bild,
Dem das, was ich an Geist und Witz empfangen,
Sei’s wenig oder sei es viel, entquillt,
- In euch ist auf-, in euch ist untergangen
Die Mutter dessen, was auf Erden lebt,
Als mich zuerst Toskanas Luft umfangen.
- Als ich zum hohen Kreis, in dem ihr schwebt,
Geführt von reicher Gnad’, emporgeflogen,
Da ward zuteil mir, daß ich euch erstrebt.
- Fromm seufz’ ich jetzt zu euch, seid mir gewogen!
Wollt Kraft zum schweren Pfade mir verleih’n,
Der meine Seele ganz an sich gezogen,
- "Zum letzten Heile führ’ ich bald dich ein,"
Sie sprach’s, die mich zu diesen Höhen brachte,
"Und scharf und klar muß itzt dein Auge sein.
- Darum, bevor du tiefer dringst, betrachte
Was unten liegt, und sieh, wie viele Welt
Ich unter deinem Fuß schon liegen machte.
- Damit dein Herz, soviel es kann, erhellt,
Bereit sei, vor den Siegern zu erscheinen,
Die fröhlich sich in diesem Kreis gesellt."
- Durch alle sieben Sphären warf ich meinen
Blick nun zurück und sah dies Erdenrund,
So daß ich lächelt’ ob des niedern, kleinen.
- Und jener Rat beruht’ auf gutem Grund,
Denn die dies Rund verschmäh’n in höherm Streben,
Nur ihnen wird die echte Weisheit kund.
- Ich sah in Glut Latonas Tochter schweben,
Von jenem Schatten frei, der mir zum Wahn
Vom Dünnen und vom Dichten Grund gegeben.
- Dich, strahlenreicher Sohn Hvperions, sahn
Jetzt meine Blicke fest und ungeblendet,
Und um dich Majas und Diones Bahn.
- Dich sah ich, Zeus, der mäß’gen Schimmer spendet,
Zwischen Saturn und Mars, auch ward mir klar,
Wie seinen WechseIIauf ein jeder wendet.
- Wie groß die sieben sind, ward offenbar,
Wie schnell sie sind, den Weltenraum durchreisend,
Auch stellte mir sich ihre Ferne dar.
- Und mit dem ew’gen Zwillingspaare kreisend,
Sah ich die Scheibe, die so stolz uns macht,
Mir Land und Meer und Berg’ und Täler weisend.
- Dann kehrt’ ich mich zu ihrer Augen Pracht.
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