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So kamen wir zu hoher Klippen Borde, Wo Felsgetrümmer, rings getürmt im Rund, Zum Pferch herniederstürzt noch schlimmrer Horde. Dort duckten wir – solch Stank entstieg dem Schlund – Uns hinter einen Deckstein, der gerade Am Weg vor einem mächtigen Grabmal stund; Und sah ich eine Schrift auf jener Lade: »Papst Anastasius berg ich, den auf Erden Photinus weggelockt vom rechten Pfade.« »Allhier muß unser Abstieg säumig werden, Bis sich dem Mißduft baß gewöhnt der Sinn; Nicht achtet er dann fürder der Beschwerden.« Der Meister sprachs, und ich: »Laß uns Gewinn Draus ziehn, daß nicht umsonst die Stunden fließen!« »Sieh«, sprach er, »wie darauf bedacht ich bin.« »Mein Sohn«, begann er dann, »drei Kreise schließen Hier, Stuf um Stufe, diese Felsen ein, Gleich denen, die wir jetzt dahinten ließen. Verdammter voll ist jeder von den drein: Nun hör, daß Schaun hinfort dir mag genügen, Wie und warum sie dort gesellt in Pein. Jedweder Bosheit Ziel, die Gott muß rügen, Ist Unbill; und was darauf zielt, das kränket Den andern, sei's gewaltsam, sei's durch Trügen. Trugsünde, weil sie nur der Mensch erdenket, Ist Gott verhaßter; tiefer wird in Pein, In härtre drum, wer Arglist sann, versenket. Gewalttat füllt den ersten Kreis allein. Doch läßt an dreien sich Gewalt begehen; Drei Ringe drum schließt dreigeteilt er ein. An Gott, uns selbst, am Nächsten kanns geschehen Und dem, was ihnen eigen; merke gut, Untrüglich wirst du's dann erwiesen sehen. Totschlag und bösliche Mißhandlung tut Gewalt dem Nächsten; räubrisch Beutelschneiden, Verwüsten, Sengen seinem Hab und Gut. 55 Mordbuben drum und die an Qual sich weiden, Zerstörer läßt und Räuber insgemein Der erste Ring, in sondren Haufen, leiden. Auch an sich selber und an das, was sein, Kann Hand man legen; drum so spürt im zweiten Der Ringe unfruchtbarer Reue Pein, Wer selbst aus eurer Welt sich stiehlt vorzeiten, Dem Spiele frönt, verschleudert Hab und Gut, Um Tränen sich statt Freude zu bereiten. Der Gottheit tut Gewalt, wer Lästrung tut, Im Herzen leugnet, wer samt ihren Gaben Mißachtet die Natur in frevlem Mut. Des engsten Ringes Schandmal also haben Sodom, Cahors und die mit Herz und Mund Gott frech verachten, in die Stirn gegraben. Arglist, dran jegliches Gewissen wund, Kann trügen, die vertraun, und kanns im Stande, Da kein Vertrauen heischt ein sondrer Bund. Die von der letzten Art reißt nur die Bande Der Liebe, die Natur gewebt, entzwei; So nistet denn im zweiten Kreis die Schande Der Heuchler, Simonie und Zauberei, Betrüger, Schmeichler, Kuppler, Fälscher, Diebe Und Unflats solcher Art noch mancherlei. Die andre Art vergißt samt jener Liebe, Die von Natur, noch die, auf deren Feld Besondre Treue sprießt aus eignem Triebe. Der engste Kreis, die Mitte drum der Welt, Wo Dis, der grause, thront und sie verzehret, Im ewigen Banne die Verräter hält.« Und ich: »Klar, Meister, wie mans nur begehret, Strömt dein Bericht, der dies Verlies so gut Als die drin hausen, unterscheiden lehret. Doch sag mir: die im Schlamm der trüben Flut, Die Windsbraut wirbelt, die da peitscht der Regen, Die scheltend sich begegnen so voll Wut, Trifft sie desgleichen Gottes Zorn, weswegen Hält sie im Banne nicht die Stadt, die glüht? Wenn nicht, was sind sie dort in Pein gelegen?« 56 Und er zu mir: »Was schwärmt doch dein Gemüt Aus der gewohnten Bahn? Mich dünkt, es kehre Dein Geist sich ab, um andres schon bemüht! Gedenkst du nicht mehr deiner Sittenlehre, Wie's da von jenen Sinnesarten heißt, Den dreien, denen Gott im Himmel wehre? Ausschweifung, Bosheit, blöd vertierter Geist? Daß Ausschweifung Gott minder müsse kränken Und mindrer Rüge drum sich wert erweist? Erwägst du recht dies Wort und willst bedenken, Was das für Volk, das droben Buße tut Jenseit der Mauern, so die Stadt umschränken, So siehst du wohl, warum sie von der Brut Der Bosheit hier getrennt und im Gerichte Sie Gottes Hammer trifft mit mindrer Wut.« »Du Sonne«, rief ich, »Heilkraft dem Gesichte, Dem trüben! Labst mich so, daß Zweifel schier, Von dir gelöst, beglückt gleich hellem Lichte! So laß zurück mich gehn ein Stück mit dir: An Gottes Gabe soll Gewalt begehen Der Wucher? Sieh, den Knoten löse mir!« »Weltweisheit«, sprach er, »lehrt, die sie verstehen, In manchem Spruch, der ihren Lauf Natur Aus Gottes Geist und Wirken sich ersehen; Und fragst dein Buch du vom Naturreich nur, Da findst du bald schon nach den ersten Seiten, Daß eure Fertigkeit ihr auf der Spur, Wie sich vom Meister läßt ein Schüler leiten, Nach Kräften folge: Gottes Enkelin Dünkt so die Kunst mich eurer Fertigkeiten. Aus der und jener – lies, was zu Beginn Bei Mose stehet – soll der Mensch zum Leben Die Notdurft ziehn und jeglichen Gewinn; Wucher, der andren Wegs dahin will streben, Verschmäht Natur und die ihr Folge tut, Dieweil er andrer Hoffnung hingegeben. – Doch folg mir jetzo: eilen dünkt mich gut: Am Himmelsrand empor die Fische schnellen, Und wo der West herweht, der Wagen ruht. Fern ist der Steig zu dieses Felsens Schwellen!« 57 |