Dante
Die göttliche Komödie
Dante

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Siebenter Gesang

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    »Preis Dir in Deinem Glanze, heiliger Gott,
    Der Du entflammst in diesen Reichen allen
    Die seligen Lichter, Herre Zebaoth!«
Mit solchem Sang, nach solcher Weise Schallen
    Sah ich entschweben ihn, auf den der Glanz
    So strahlend zwiegeeinten Lichts gefallen.
Und mit den andren schwang er sich im Tanz,
    Und in der Ferne da, mit einem Schlage,
    Wie blitzesschneller Funken Sprühn entschwands.
In Zweifeln stand ich: sags ihr, dacht' ich, sage,
    Der Herrin sags, die Labe süß für allen
    Den Durst ja weiß, zu stillen seine Plage.
Doch Ehrfurcht beugte mir, die mich beim Lallen
    Von ihres Namens Silben hält in Bann,
    Das Haupt, wie einem, den der Schlaf befallen.
Ein Weilchen sah das Beatrice an,
    Begann, ein Lächeln strahlend, dann zu sprechen,
    Davon im Feuer selig würd' ein Mann: 335
»Ich seh, du mußt dir drum den Kopf zerbrechen
    – Unfehlbar seh ichs –, wie gerechterweis
    Gerechte Rache konnt ein Richter rächen.
Das Rätsel lös ich dir alsbald. Mit Fleiß
    Hör du mich an: so du mein Wort vernommen,
    Ein groß Geheimnis wahrlich gibts dir preis!
Es fiel, weil keinen Zaum zu Nutz und Frommen
    Sein Wille litt, der, den kein Weib gebar,
    In Bann samt allen, die nach ihm gekommen.
So war die Menschheit nun vielhundert Jahr
    Darnieder, siech, in schlimmem Wahn gelegen,
    Bis Gottes Wort sich selber brachte dar,
Sich der Natur, die ihres Schöpfers Wegen
    Entwichen, selbst zu einen, ganz allein
    Kraft seiner ewigen Liebe Glut und Segen.
Merk auf nun: so, wie Er sie rief ins Sein,
    Und eins mit Ihm, der Leben ihr gegeben,
    War gut dieselbige Natur und rein.
Sie selbst verscherzte sich im Widerstreben
    Das Paradies, weil sie sich abgewandt
    Von Ihm, der Weg und Wahrheit ist und Leben.
An ihr gemessen, der er sich verband,
    Ward dessen Strafe, der ans Kreuz gebunden,
    Gerecht wie je nur eine zuerkannt;
Und nie ward gleiche Unbill doch erfunden,
    Siehst du zu dem, der sie erlitt, hinauf,
    In dem der seinen jene Art verbunden.
Ein Tun wars, unterschiedlich sein Verlauf:
    Ein Tod taugt Gott und Israels Geschlechte;
    Die Erde bebt, der Himmel tut sich auf.
Was dir so unbegreiflich schien, nun fechte
    Dichs nicht mehr an, vernimmst du fürderhin,
    Wie recht Gericht gerechte Rache rächte.
Nun aber seh ich neues Netz, darin
    Von Schritt zu Schritte dich verstrickt das Denken,
    Draus sehnlich sich zu lösen strebt dein Sinn:
Du sagst: ›Ich hörs und kann mich drein versenken;
    Doch dunkel blieb mir, warum Gott für gut
    Den Weg erfand, Erlösung uns zu schenken.‹ 336
Der Ratschluß, Bruder, tief vergraben ruht
    Vor aller Augen, denen nicht von droben
    Den Geist gereift der Liebesflammen Glut!
Zwar, weil dahin viel Augen sich erhoben
    Und gar so wenig schaun, sag ich dir klar,
    Warum vor allen dieser Weg zu loben.
Die Güte Gottes, jeder Mißgunst bar,
    Strahlt aus die eigne Glut, daß rings so helle
    Die ewigen Herrlichkeiten offenbar.
Was ohne Mittler rinnt aus ihrem Quelle,
    Ohn Ende ists: prägt sie das Siegel ein,
    Bleibts unverrückbar stets an seiner Stelle;
Was ohne Mittler quillt aus ihr allein,
    Ist frei allewege; keiner Macht von allen,
    Die selbst geschaffen, kann es hörig sein;
Ihr Ebenbild ists, ist ihr Wohlgefallen:
    Wenn alles widerstrahlt die heilige Glut,
    Im treusten Spiegel glänzt sie hell vor allen.
Das alles kommt dem Menschenkind zugut;
    Und geht verloren dieser Gaben eine,
    Lischt solchen Adels Kraft in seinem Blut.
Um Sünde nur wirds unfrei, wird das reine
    Abbild des höchsten Guts in ihm entstellt,
    Daß nur getrübt fortan sein Licht ihm scheine;
Und seinen Wert es nie zurückerhält,
    Gibt nicht, wo Sünde so gefehlt, gerechte
    Schuldsühne für die böse Lust Entgelt.
Als in der Wurzel euer ganz Geschlechte
    In Sünde fiel, verlor es mit der Flur
    Des Paradieses solchen Adels Rechte;
Und blieb, bedenkst du's recht, nicht Weg noch Spur,
    Zum alten Stand sich wieder zu erheben,
    Als auf dem einen dieser beiden nur:
Daß Gott aus lauter Gnaden ihm vergeben;
    Daß aus sich selbst der Mensch Genüge tat
    Für seines Wahnes trotzig Widerstreben.
Senk in des Ewigen abgrundtiefen Rat
    Den Blick, tu auf, so weit du kannst, die Lider,
    Um streng zu folgen meines Wortes Pfad! 337
Nie konnt in seines Wesens Schranken wieder
    Genug der Mensch tun, beugt ihn doch so weit
    Niemalen Demut in Gehorsam nieder,
Wie seiner Auflehnung Vermessenheit
    Sich überhob. Das ists, was ihm entgegen,
    Will selbst genug er tun nach Schuldigkeit.
So tat es not, daß Gott auf seinen Wegen
    Zum wahren Leben ihn zurückgeführt,
    Ob einen, ob er beide ging zum Segen.
Doch weil uns Hilfe um so tiefer rührt,
    Je mehr des Helfers liebevoll Gemüte,
    Aus dem ihr Quell entsprang, darin sich spürt,
Hat, die dem All sich einprägt, Gottes Güte
    In Hulden den wie jenen Weg bedacht,
    Emporzuziehn das menschliche Geblüte.
Nichts zwischen erstem Tag und letzter Nacht,
    Nichts war noch wird, auf dem und jenem Pfade,
    Was höher je und herrlicher, vollbracht!
Mehr gab, als wenn er bloß vergab, die Gnade
    Des Hergotts, da er selbst sich brachte dar,
    Auf daß sich seiner Last der Mensch entlade;
Zu leicht wog der Gerechtigkeit sogar
    All andres Pfand, als daß sich ließ hernieder
    Der Gottessohn und Fleisch geworden war. –
Nun laß, daß all dein Wunsch erfüllt, mich wieder
    Rückwärts ein Stück erläuternd gehn mit dir,
    Für meine Schau zu öffnen deine Lider.
Luft, Wasser, Erde, meinst du, seh ich hier
    Und Feur und was vereint hervor sie bringen,
    Verweslich und von kurzer Dauer schier:
Und sich doch auch von den geschaffnenen Dingen:
    Wär also wahr, was du von mir erfahren,
    So könnt's nicht sein, daß jemals sie vergingen.
Geschaffen, Bruder, sind der Engel Scharen,
    Ist dies vollkommne Reich, wo jetzt du bist,
    In ihrer Ganzheit, wie sie sind und waren;
Doch was du nanntest, so du's recht ermißt,
    Die Elemente und was draus gestaltet,
    Formt solche Kraft, die selbst erschaffen ist. 338
Geschaffen ist der Stoff, draus sichs entfaltet,
    Geschaffen ist, die ihm Gestalt gegeben,
    Die Kraft, die in der Sterne Wandel waltet.
Des Tiers, der Pflanzen Seele weckt nur eben
    Im Keime, der bereit zu solcher Blüte,
    Der heiligen Lichter Strahl und Gang zum Leben;
Doch euer Leben haucht des Höchsten Güte
    Euch ohne Mittler ein, haucht Liebe gar,
    Die stets nach Ihm verlanget, ins Gemüte.
Daraus auch eure Auferstehung klar
    Dir und gewiß wird, lässest du dich mahnen,
    Wie euer Fleisch erschaffen, da das Paar
Zumal erschaffen ward der ersten Ahnen.«

 


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