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Einschichtig, schweigend, einer hinterm andern, Ohn unser Weggeleite gingen wir, Wie Mindre Brüder ihre Straße wandern. Äsopens Fabelmärlein, wo er dir Von Frosch und Maus erzählt, nach jenen Streichen, Davon wir Zeugen, lags im Sinne mir. Kein Ei fürwahr kann mehr dem andern gleichen Als dies und jenes Stück, vergleichst du Gang, Beginn und Ende recht und merkst die Zeichen. Und wie denn eins das andre heckt, entsprang Ein neu Bedenken alsogleich dem einen, Das machte mich, den Zagen, doppelt bang: Genarrt muß sich von uns dies Pack erscheinen, So sagt' ich mir, und hats noch Spott zum Schaden, Das muß sie grimmig wurmen, sollt' ich meinen. Wird ihre Bosheit so mit Grimm geladen, Hetzt uns die Rotte wie kein Hund fürwahr, Bis er ihn packt, den Hasen, ohne Gnaden! Schon fühlt' ich, wie zu Berge stieg mein Haar, Und stand und lauschte rückwärts, angstbeklommen; »Rasch, Meister«, bat ich, »birg uns vor Gefahr! Die Grimmetatzen fürcht ich; ach, sie kommen, Gewiß, sie sind uns schon im Nacken dicht, Mir ist, als hätt ich eben sie vernommen!« 104 Und er: »Wär ich ein Spiegel, schneller nicht Dein äußres Bildnis könnt' ich wiedergeben, Als ich dein Innres sehe, hell im Licht. Was du gedacht, fuhr durch den Sinn jetzt eben Mir selbst, von Ansehn ähnlich und Gestalt; Aus beidem wußt' ich einen Plan zu weben: Fällt sanft der Hang zur Rechten, daß zum Spalt Der nächsten Kluft der Abstieg da zu wagen, Der Hetze, die dir schwant, entgehn wir bald.« Kaum konnt' er seinen Plan zu Ende sagen, Als ich, ganz nah, sie kommen sah, geschwind, Die Flügel ausgespannt, uns zu erjagen. Schnell faßte mich mein Führer, wie ihr Kind Die Mutter packt, die Feuerrufe wecken Und sieht die Flammen, die schon nahe sind – Mehr um den Sohn als um sich selbst in Schrecken, Stürzt sie hinaus, bevor die Zeit sie fand, Mit ihrem Hemd die Blöße nur zu decken –, Und rücklings warf er sich vom Bord der Wand Den steilen Felsenhang hinab zur Stelle, Der dort umschränkt des nächsten Grabens Rand. Kein Gießbach kam so reißend von Gefälle, Das Mühlenrad zu treiben, je geflossen, Den Schaufeln nah, auf seines Rinnsals Schwelle, Wie er die Halde dort herabgeschossen, An seine Brust, fürwahr, wie einen Sohn Mich drückend, nicht wie seinen Fahrtgenossen. Kaum faßt' er unten Fuß, als jene schon Zu Häupten uns am Hügelrand erschienen: Doch nimmer schrecken konnt' uns jetzt ihr Drohn; Denn Vorsehung des Höchsten wehret ihnen, Vom fünften Schacht zu weichen, über den Er sie gesetzt, als Schergen dort zu dienen. – Da drunten sahn wir eine Runde gehn, Geschminkt die Wangen, schleppend ihre Schritte, In Tränen, matt und kraftlos anzusehn. Sie trugen Kutten all von sondrem Schnitte, Kapuzen, tief herab ins Angesicht, Wie's bei den Mönchen dort zu Köllen Sitte: 105 Von außen goldig, blendend hell im Licht, Inwendig Blei; die waren Stroh daneben, Die Friedrich manchen anzog, an Gewicht. O schwere Last, solch Kleid fürs ewige Leben! – Zur Linken gingen wir, mit ihnen zwar, Der Klage lauschend, die sie all erheben, Doch unter ihrer Last die müde Schar Schlich sacht voran, so daß mit jedem Schritte Uns neu Geleite Seit an Seite war. »Schau um im Wandeln«, tat ich drum die Bitte An meinen Führer, »wer wohl kundbar dort Durch Namen oder Tat in ihrer Mitte.« Und einer, der vernahm mein tuskisch Wort, Rief hinter uns: »So bleibt ein wenig stehen, Die ihr so rennt durchs nächtige Dunkel fort! Leicht mag dir, was dein Wunsch, durch mich geschehen.« Mein Führer wandte sich: »Halt an so lange, Mit jenen gleichen Schrittes dann zu gehen.« Ich tats und sah nun helle Hast im Drange, Bei mir zu sein, am Auge zweien an, Die Last und Weges Enge hemmt' im Gange. Mit schiefem Blicke hat, als sie heran, Das Paar mich lang in Schweigen angesehen, Bis einer dann zum andren so begann: »Der lebt, man siehts an seines Odems Wehen; Und sind sie tot, welch Freibrief gönnt den zwein, Ohn unsres Chorrocks Bürde hier zu gehen?« Zu mir sodann: »O Tusker, der zur Pein Der Heuchler kommt, verarg uns nicht die Frage Und gib Bescheid, wer du dich rühmst zu sein.« Und ich darauf: »Ich ward und wuchs im Hage Der stolzen Stadt am schönen Arnostrand Und komm im Leib, des Kleid von je ich trage. Doch wer seid ihr denn, denen unverwandt Das Leid ich niederträufeln seh die Wangen? Und welche Pein birgt funkelnd dies Gewand?« »Ach«, sprach der eine, »die so goldig prangen, Sind Blei, die Kutten, Zentnerlasten schier, Drum ächzt die Waage so, daran sie hangen. 106 Vom Lustigen Orden Brüder waren wir: Ich Catalan, er Lothar, Bolognesen, Selbzweit, wo einer bräuchlich, er mit mir Als Friedenshüter deiner Stadt erlesen, Und beim Gardingo siehst du noch zur Stunde Die Zeichen, was für Friede das gewesen.« »Eur Leid«, begann ich, »Brüder . . .«, doch im Munde Erstarb das Wort: gekreuzigt sah ich einen Vor mir an dreien Pfählen auf dem Grunde. Er zuckt', als er mich sah, an Arm und Beinen, Schnob stöhnend in den Bart, und Catalan, Da ers gewahrte, sprach: »Den auf den Steinen Hier angepflöckt du siehst auf unsrer Bahn, Er riet den Pharisäern, besser richte Man einen, ehs um alles Volk getan. Nun liegt, wie du ihn siehst von Angesichte, Quer übern Weg er, nackt, und wer ihm naht, Läßt spüren ihn, wie schwer er von Gewichte. Sein Schwäher auch und die vom Hohen Rat, Sie alle leiden Pein in diesem Schlunde, Die Israel gesät so schlimme Saat.« Virgilen sah ich staunend ob der Kunde Vor jenem, der so schnöd, aufs Kreuz gespannt, In ewigem Banne dalag auf dem Grunde. Drauf an den Bruder hat er sich gewandt: »Wenns euch erlaubt, gefall euch, uns zu sagen, Ob nicht ein Ausweg dort zur rechten Hand, Wo beide wir den Aufstieg könnten wagen Und müßten nicht der schwarzen Engel Macht Zu Hilfe holen, uns hinaufzutragen.« Und er drauf: »Näher, als du wohl gedacht, Streicht hier ein Felsenriff vom äußern Runde, Das all die grausen Klüfte überdacht; Nur hier in Trümmern liegts, im offnen Schrunde, Da steigt ihr übern Schutt den Bord hinan, Den böscht er, hoch sich häufend auf dem Grunde.« Mein Führer stand, das Haupt gesenkt, und sann: »Gar übel, wahrlich, riet uns der Berater, Der dort die Sünder spießte!« sagt' er dann. 107 »Schon zu Bologna hört' ich«, sprach der Frater, »Viel Arg vom Teufel und vernahm das Wort, Ein Schalksknecht sei er und der Lüge Vater.« Mit großen Schritten ging der Meister fort, Umwölkt den Blick, als trübte Grimm sein Feuer; So schied auch ich von den Beladnen dort, Der Spur der Füße nach, die mir so teuer. |