Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
1 4 7 10 13 16 19 22 25 28 31 34 37 40 43 46 49 52 55 58 61 64 67 70 73 76 79 82 85 88 91 94 97 100 103 106 109 112 115 118 121 124 127 130 133 136 139 142 |
Wer, selbst in schlichter Rede, gäb in Treue Bericht, was jetzt ich sah von Blut und Wunden, Erzählt' ers wieder gleich und stets aufs neue! Unmächtig würde jede Zung erfunden, Zu kurz von Atem unser Sinn und Wort, So Ungeheuerliches zu bekunden. Wenn all in eine Reih gestellt, die dort, Wo schicksalsreich Apuliens Felder liegen, Grausam gefällt im blutigen Männermord: Durch Trojas Enkel, in den ewigen Kriegen, Da – Livius schreibts und weiß es – jene Beute Der Feind an goldnen Ringen konnt' ersiegen; 125 Samt denen, die's nach harten Schlägen reute, Daß Trotz sie boten Robert Guiscards Heere, Und jene, deren Totenbein noch heute Bei Ceperan man liest, wo feil die Ehre Apuliens ward, auf Tagliacozzos Grund, Wo Alard siegt', der Alte, sonder Wehre; Und wenn verstümmelt der und jener wund Die Glieder wiese: nimmer möcht' es gleichen Dem Greuel, den da wies der neunte Schrund. So klafft kein Faß, dem aus den Fugen weichen Die Dauben, als ich einen sah, zerhauen Vom Kinn bis dahin, wo man Wind läßt streichen: Zum Knie hing sein Gedärm; man sah mit Grauen Herz, Leber, Lung, den eklen Schlauch zuletzt, Der, was man einschlingt, muß zu Kot verdauen. Dieweil ich auf ihn starrte, ganz entsetzt, Sah er mich an, rief, mit den Händen beiden Die Brust aufreißend: »Schau, wie ich zerfetzt! Schau, welche Wunden Mahomet muß leiden! Vor mir geht Ali, weinend, von den Braun Gespalten bis zum Kinn von scharfer Schneiden. Ein jeder war, den hier du kannst erschaun, Sämann von Zwist und Hetzerei im Kleide Des Fleisches: jetzt drum selber so zerhaun. Ein Teufel, der uns solches tut zuleide, Dort hinten steht; wenn wir die Bahn hinwieder Der Qual umkreist, fällt seines Schwertes Schneide Aufs neu auf jeden unsrer Rotte nieder; Denn eh wir wieder ihm vorübergehn, Sind allemal geheilt die wunden Glieder. Doch wer bist du? Bleibst ob dem Bogen stehn Und gaffest? Aufschub hoffst du wohl der Plage, Die dir auf deine Beichte ausersehn?« »Nicht Tod«, beschied mein Meister seine Frage, »Noch Sünde führt ihn her zur Marter hier; Auf daß ihm Fülle der Erkenntnis tage, Muß ich, der tot, durchs höllische Revier Hier unten ihn von Kreis zu Kreis geleiten – Wahr ist es, wie ichs sage, glaube mir!« 126 Viel hundert hielten in des Grabens Breiten, Da sie's gehört, vergessend ihrer Pein, Nach mir zu schaun, vor Staunen an im Schreiten. »Sag Fra Dolcino denn, der du den Schein Der Sonne magst in Bälde wiedersehen: Will er in Kürze nicht mein Folger sein, So rüst er Vorrat, eh noch Schneeverwehen Zum Sieg dem Novaresen helfen kann, Der ohne dies ihn teuer käm' zu stehen!« Das kündete mir Mahomet noch an, Den einen Fuß erhoben schon zum Schritte, Setzt' ihn zu Boden drauf und schritt hindann. Ein andrer, dem durchbohrt des Schlundes Mitte, Dem eins der Ohren fehlt' und an den Brauen Die Nase war gekappt mit scharfem Schnitte Und der mit jenen staunend stand zu schauen, Der tat vor ihnen auf den Spalt der Kehle, Ganz überströmt von roten Blutes Grauen, Sprach: »Du, der nicht verdammt um Schuld und Fehle, Den ich schon droben sah, im welschen Land, Trügt Ähnlichkeit nicht täuschend meine Seele: Pier Medicinas denk, wenn heimwärts fand Dein Fuß zum holden Plan, der sich vom Grunde Vercellis senkt gen Marcabò zum Strand. Herrn Guido gib und Angiolello Kunde, Den Edelsten zu Fano: Trügt uns nicht Der Blick ins Künftige hier im Höllenschlunde, So werden sie vom Schiff gestürzt und dicht Vor Schloß Cattolica ertränkt, verraten Von einem Zwingvogt, einem Bösewicht. Nie sah Neptun so schnöde Freveltaten Von Zypern bis Mallorca noch geschehen, Nicht durch Argiverhand noch durch Piraten! Der Schalk mit einem Auge, dem zu Lehen Die Stadt, die dieser, der hier mit mir geht, Wohl wünscht, er hätte nimmer sie gesehen, Zur Zwiesprach lädt er sie; doch nicht Gebet Und nicht Gelübde tut mehr not den beiden, Wenn dann die Windsbraut von Focara weht.« 127 Und ich zu ihm: »Soll ich von dir bescheiden Die droben, weise mir und sag mir an: Wer ists, dem solches Sehn schuf solches Leiden?« Da faßt' er mit der Hand den Nebenmann Am Kiefer, riß den Mund ihm auf und sagte: »Hier dieser ist es, der nicht reden kann! Er wars, der Cäsarn mahnte, der Verjagte, Daß, wer gerüstet, sich zum Schaden harrt, Den Zweifel so erstickend, der noch zagte.« O wie verschüchtert Curio da gestarrt, Nun ihm, der einst so dreist war, Rat zu spenden, Die Zunge aus dem Hals geschnitten ward! Und einer, der gestutzt an beiden Händen, Hob in die finstre Luft die Stümpfe grad, Daß strömend Blut sein Antlitz mußte schänden, Und rief: »Gedenk auch Moscas, der den Rat: ›Wer wagt, gewinnt‹ – ich Unglücksmann! – gegeben; Das war den Tuskern schweren Unheils Saat.« . . . »Und deiner Sippe«, rief ich, »gings ans Leben!« Da, Leid zu Leide häufend, sah ich wund Und gramverstört von hinnen ihn sich heben. Ich blieb, den Schwarm zu mustern dort im Schlund, Und sah, was ich zu melden müßte zagen, Alleinig, ohne andrer Zeugen Mund; Doch mein Gewissen heißts mich kühnlich wagen; Das ist ein gut Geleit: kanns wohl bestehen, Mag frei das Herz in solchem Harnisch schlagen! Weiß Gott, ich sah und glaub es noch zu sehen: Ein Rumpf kam ohne Kopf! Gleich andren hier Im Zug des Jammers sah ich so ihn gehen. Hatt' in der Hand, wie eine Leuchte schier, Das abgehaune Haupt am Schopfe hangen; Das sah uns an und sagte: »Wehe mir!« Sich leuchtend mit sich selbst, kam er gegangen, War zwei in einem, einer wars in zwein – Wie's sein kann, weiß, der so ihn hält gefangen! Da grad er unterm Bogen kam herein, Sah ich den Arm mitsamt dem Haupt ihn heben, Daß nah uns sollten seine Worte sein; 128 Die waren: »Sieh die bittre Pein, der, Leben Noch atmend, du die Toten kommst zu schauen, Sieh, ob es größre kann denn diese geben! Und wisse, daß du's andren magst vertrauen: Bertran de Born bin ich, der üblen Rat Dem jungen König mich vermaß zu brauen: Verhetzte Sohn und Vater! Ärgres tat An Absalom und David nicht, verschlagen, Ahitophel mit giftiger Stacheln Saat. Konnt ich, was so verknüpft, zu trennen wagen, Muß nun getrennt – weh mir! – von seinem Keim, Der hier in diesem Sumpf, mein Hirn ich tragen. So zahlt Vergeltung, was ich tat, mir heim.« |