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Die Schatten ließ ich stehn, und unverwandt Folgt' ich des Führers Spur, da hört' ich einen, Der, mir im Rücken, weisend mit der Hand Uns nachrief: »Seht den Untreu! Mir will scheinen, Als leuchtet' es zu seiner Linken nicht, Und wie Lebendige steht er auf den Beinen.« Beim Klang der Worte wandt ich mein Gesicht Und sah nach mir allein sie starrn und staunen, Wie doch an mir sich brach das Sonnenlicht. 177 »Was ficht den Sinn dir an? Welch eigne Launen«, Sprach da der Meister, »hemmen deinen Schritt? Was macht dirs aus, was hinter dir sie raunen? Laß doch die Leute reden! Komm nur mit! Steh wie ein Turm, dem nie die Zinnen wanken, Wie hart sein Haupt der Sturmwind auch bestritt! Denn wo Gedanke sprudelt auf Gedanken, Kommt weiter man vom Ziel, weil einer da Im Schwung den andren hemmend bringt ins Schwanken.« Was sollt' ich sagen als »Ich komme«? Ja, Ich sprachs, von Rotglut angehaucht die Wangen, Dank der sich manche Schuld vergeben sah. Derweil kam weiter vorn ein Trupp gegangen Von Seelen, jene Halde dort entlang, Die Vers für Vers das Miserere sangen; Als die gewahrt, daß mich kein Strahl durchdrang Des Sonnenlichtes, klang gedehnt und leise Ein langes Oh . . ., darin verhallt' ihr Sang. Und eilend wider uns aus ihrem Kreise, Botschaftern gleich, zu fragen, kamen zween: »Laßt wissen, wer ihr seid, was eure Weise.« Der Meister aber: »Mögt nur wieder gehn Und denen, die euch abgesendet, sagen: Fleisch ist und Bein der Leib, den sie gesehn. Stehn seines Schattens halb sie dort in Zagen, So deucht mich, mags genug der Antwort sein. Tut Ehr ihm an, es soll euch Früchte tragen!« Nie sah so jach durch Lüfte klar und rein, Wenns nachtet, glühnder Dünste Strahl ich fahren, Durch Sommerwolken nicht im Abendschein, Wie sie herumgewandt und droben waren, Dort mit den andren nach uns umzudrehn Im Lauf wie zügellose Reiterscharen. »Da kommts in Haufen, und dich anzuflehn«, Begann der Sänger, »drängts heran in Eile: Geh deines Wegs und hör sie an im Gehn!« »O Seele«, riefs im Kommen, »die zum Heile Im Leibe wallst, darin du kamst ans Licht, Verhalte deinen Schritt doch eine Weile! 178 Schau, kam dir unser keiner zu Gesicht, Daß er mit Botschaft dich hinübersende . . . Ach, warum eilst du? Ach, was harrst du nicht? Wir starben allesamt durch Mörderhände Und waren Sünder unser ganzes Leben. Da schien das Licht des Himmels uns am Ende, Daß wir bereut und unserm Feind vergeben Und schieden, Gott versöhnt, vom Lebenstag, Ihm, den zu schauen unsres Herzens Streben.« Und ich: »Wie euch ins Aug ich schauen mag, Kann ich doch keinen, den ich kannte, sehen, Doch taugt, Erwählte, euch, was ich vermag, Sprecht! Treulich, bei dem Frieden, solls geschehen, Dem Frieden, den auf solchen Führers Spur Von Welt zu Welten ich muß suchen gehen!« Und einer sprach: »Wenn guten Willen nur Dir nicht verhält des Unvermögens Schwäche, Traun deiner Huld wir alle sonder Schwur. So bitt ich, der allein, von allen spreche: Siehst du das Land, das zwischen Carlos Lehn Und der Romagna breitet seine Fläche, Zu Fano sei mir hold mit deinem Flehn! Laß beten dort für mich mit frommem Munde, Daß ich die schwere Schuld mag sühnen gehn. Dort stamm ich her, doch traf die Todeswunde, Daraus mit meinem Blut mein Leben rann, Wo ich mich sichrer wähnte, auf dem Grunde Der Stadt Antenors. Der mir Arges sann, Weit mehr, als Fug und Ursach ihm gegeben, Mir grollend, der von Este tat mir an. Ja, flüchtet' ich gen Mira nur, da eben Wir überfallen nächst Oriacos Schloß Noch könnt ich dort, wo Odem weht, dir leben. In Sumpf geriet ich, sah verstrickt mein Roß In Schlamm und Schilf und fiel, und dort zur Erden Ein See aus meinen Adern sich ergoß.« »Ach«, rief ein andrer, »soll erfüllet werden Dein Sehnen nach der Höh: erbarme dich Hilfreich des meinen in so viel Beschwerden! 179 Von Montefeltro war, Buoncont bin ich Und muß, die Stirn gesenkt, mit jenen gehen, Denn Gianna nicht und keiner sorgt um mich.« »Wars Zufall, sag, ist dir Gewalt geschehen, Die dich so weit entwegt von Campaldin«, Frug ich, »daß keiner je dein Grab gesehen?« Drauf er: »Am Fuß durchströmt das Casentin Ein Wasser, das man Archiano nannte, Und ob der Klause quillts am Apennin. Bis dorthin, wo's den Namen abtut, rannte Zu Fuß ich, flüchtig, mit dem Blut der Wunde Das Blachfeld tränkend, die am Hals mir brannte, Da losch mein Blick, da fiel ich, und im Munde Starb mit Mariens Namen mir das Wort, Und nur mein Fleisch allein blieb dort im Grunde. Wahr sprech ich; sag du's den Lebendigen dort! Mich faßte Gottes Engel; sonder Weile Rief aus der Hölle der: ›Nimmst mir ihn fort? Gib dir ein Tränlein, das ihm half zum Heile, Über sein Ewiges, Himmlischer, Gewalt, So fahr ich anders mit dem andren Teile!‹ Wohl weißt du, wie in Lüften Dunst sich ballt, Der feuchte, der dann niederströmt als Regen, Stieg er zur Höh, wo's eisig weht und kalt: Der Böse, Böses sinnend allerwegen, Mit Listen, kraft der Macht, die ihm verliehen, Gewölk und Sturmwind wußt' er zu erregen. In Nebel hüllt' er gleich mit Tages Fliehen Von Weitmatt bis zum hohen Joch hinan Das Tal, ließ Dunst den Himmel überziehen; Die trächtige Luft zerfloß in Wasser dann, Der Regen fiel, und was der Grund vom Nassen Nicht eingeschluckt, in Schlüft und Gräben rann; Zu Bächen strömt' zusammen, wälzt' in Massen Zum königlichen Strome sich hernieder, So reißend, daß kein Bett sie konnte fassen. So fand und schwemmte meine starren Glieder Zum Arno mit der wilde Archian Und löste auf der Brust das Kreuz mir wieder – 180 Ich schlugs, da Todesschmerz den Leib durchrann – Und warf ans Ufer, wälzte auf dem Grunde Und wühlt' in Schlamm und Schutt den toten Mann . . .« »Ach«, nahm dem zweiten Geist das Wort vom Munde Ein dritter, »kehrst du wieder heim ins Weben Der Welt und ruhest aus von langer Runde, Gedenke mein, der Pia, der das Leben Siena gab, ders die Maremme nahm – Er weiß es, der mir seinen Ring gegeben, Als mich, die Witib, er zu freien kam!« |