Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band II
Katharina Elisabetha Goethe

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288. An Goethe.

[etwa 20. October 1799]

Lieber Sohn!

Die Nachricht die ich dir jetzt schreibe – wird dir unerwartet und traurig seyn. Schlosser ist nicht mehr! Eine Lungenentzündung entriß Ihn uns am 17 ten dießes – die paar Jahre in Eutin schienen auf seine Cörpperliche Umstände nicht gut gewürckt zu haben – als Er hinreißte sahe Er gut ja blühend aus – bey seiner Herkunft vor 11 Monathen kante mann Ihn beynahe nicht mehr – Er war eingefallen – alles – Zähne – Farbe alles war weg – und so mager daß alle die Ihn sahen – über die große Veränderung erstaunten. Seine Lunge zeigte sich sogleich als den schwächsten theil an Ihm – durch öfftere Catharrfieber u.d.g. Heut vor 14 tagen war Er in seinem vor gantz kurtzem erkauften Garten. Er steckte Zwieblen – pflantzen u.s.w. Er hörte schießen arbeitete aber imer fort – endlich kammen die Schüße näher – Er eilte fort – kam ans Eschenheimer thor – das war zu – die Brücke aufgezogen – die Frantzosen standen davor – ein Mann sagte Ihm wenn Er eilte so käme Er noch zum Neuen thor herein – nun strengte Er alle Kräf[t]e an – kam auch glücklich noch herein aber erhitzt und in Angst – Er ging zu seiner Schwägerin – die nicht wohl war, und fand da eine sehr heiße Stube – wo Er nathtürlich noch mehr erhitzt wurde – diesen Augenblick wurde Rathsitz angesagt – nun mußte Er in Römmer in die kalte große Raths stube – den 2 ten Tag darauf bekam Er Husten – Fieber und gleich röchlen auf der Brust – Er wolte keinen Artz – endlich kam einer der fand Ihn tödtlich kranck – mann nahm noch einen – der erklährte auch daß es sehr gefährlich wäre – Sie hatten dißmahl recht – den Er starb. Die gute Schlossern – und Ihre zwey Liebe Kinder Laßen dich hertzlich grüßen – daß Sie dir nicht selbst schrieben wirst du leicht verzeihen – Sie bitten um die Fortdauer deiner Freundschaft – auch ersuchen Sie dich es Herder – Wieland – und wer Ihn etwa sonst gekandt hat bekandt zu machen. Grüße den Lieben Augst, und sage Ihm – daß sein Oberrock u Westgen nicht vergeßen seye – daß es die andre Woche soll gekauft und Ihm zugeschickt werden – denn die Großmutter wäre jetzt den gantzen Tag bey Schlossers – und das wäre die Ursach, daß es noch nicht bey der Hand seye. Mama la Roche ist gantz entzückt über die gütige Aufnahme in deinem Hauße – Sie hat mir darüber einen gar lieben Brief geschrieben – Gott erhalte dich das ist mein Morgen und Abend Gebet – Grüße meine Liebe Tochter! Laßt bald wieder etwas von Euch hören Ihr seyd ja überzeugt – daß das Leben und Wonne gibt

Eurer treuen Mutter Goethe.

N. S. Dein Looß hat 30 f gewonnen – die wollen wir dann wieder anwenden die neue Nummer ist 718 den 5 ten November wird die erste Claße gezogen.


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