Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band II
Katharina Elisabetha Goethe

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383. An Christiane von Goethe.

Samstag d 16ten May 1807

Liebe Tochter!

Noch vor den Pfings Feyertagen muß ich Ihnen vor Ihren lieben Brief dancken – das Wohlbefinden von Ihnen hat meinem Hertzen wohlgethan – und trägt dazu dabey die Festtage frohl und freudig zu zubringen – Da Sie nun in etwas mit meiner Lage bekandt sind; so will ich Ihnen meine Festtags Pläsirs hererzählen: den 1ten besuche ich meine Lieben von Fleischbein, da bin ich immer sehr gern – den 2ten wird im Schauspiel die Jungfrau von Orleang gegeben – auf die großen Veränderungen die damit haben vorgehen müßen bin ich sehr neugirig – den 3ten weiß ich noch nichts bestimmtes – villeicht gehe ich zu Stocks in Garten – den 4ten bey Senator Steitz in seinem Garten denn die Armen und Waisen kinder haben da ihr großes Fest – werden auf der sogenandten Pfingst weide öffentlich gespeißt – und in oben benandten Garten – kan man die fühle von Menschen und Kuschen recht in Augenschein nehmen. Nach den Feyertagen gibt Unser Fürst Primas Franckfurths Bürgern ein hir noch nicht gesehnes Specktackel – schon an dem heutigen Tag ist keine Kusche – kein Pferd mehr zu haben – der Liebe Fürst scheint seine Franckfurther gut zu kennen – Leichsinn und gutes Hertz ist ihr Wahlspruch – Aber alles was wahr ist die gantze Woche sind sie fleisig – Sontag und die Lieben feyertage ein Täntzgen u.s.w. und alles ist gut. Villeich habt Ihr von so einem Fest eine beßre Einsicht wie ich – darum schicke ich Euch beyliegendes gedrucktes Blat. Jetzt wäre es von uns genung geschwatzt. Nun von Ihnen Liebe Tochter! Sie sind bey Ihrer Nachhauße kunft recht in Thätigkeit gesetzt worden – da ich aber nun das Vergnügen habe Ihnen genauer zu kennen – durch die Kriegs trublen die Sie so meisterhaft bestanden haben in meinem Glauben an Ihnen gestärckt und befestigt; so haben meine Sorgen um alles was in Ihrem Wirckungs kreiße liegt – von oben biß gantz herunter ein Ende. Das alles hat die nähre Bekandschaft mit Ihnen Bewerckscheligt – Gott erhalte und seegne Ihnen vor alle Ihre Liebe und Treue. Vor den Lieben Brief den mein Sohn an die Frau Stock geschrieben dancke recht sehr – er wird wie ein heiligthum bewahrt und allen guten Freunden vorgelegen. Da hat den doch die kleine Brentano ihren Willen gehabt, und Goethe gesehen – ich glaube im gegen gesetzten fall wäre sie Toll geworden – denn so was ist mir noch nicht vorgekommen – sie wolte als Knabe sich verkleiden, zu Fuß nach Weimar laufen – vorigen Winter hatte ich ofte eine rechte Angst über das Mägchen – dem Himmel sey Danck daß sie endlich auf eine musterhafte art ihren willen gehabt hat. Sie ist noch nicht wieder hir, ist noch so viel ich weiß in Cassel – so bald sie kommt solt Ihr alles was sie sagt erfahren. Die Stocks freuen sich, daß Ihnen das Kleid wohlgefält – das gantze Hauß grüßt und danckt nochmahl vor den Brief – die Obst Bouteillen werden gepackt – und suchen nach den Feyertagen einen Fuhrmann – mein Finantz Minister Nicolaus Schmidt wird es bestens besorgen.

Eine neue Probe Ihrer Erfindsamkeit im sparen ist, daß Sie den alten schwartzen Lappen haben noch benutzen können. Hirbey kommt auch die Wundergeschichte des Fortunatus – ich habe mir die Geschichte zu sammen gezogen, alles überflußige wegeschnitten und ein gantz artiges Mährgen draus geformirt. Ja Liebe Tochter! der verwünschte Catar und Schnupfen hat Ihnen mein Brillantes Talent Mährgen zu erzählen vorenthalten – Bücher schreiben? Nein das kan ich nicht aber was andre geschrieben zu Erzählen – da suche ich meinen Meister!!!

Diesem langen wohlstilisirten Brief |: wozu ich schon die zweyte Feder genommen habe :| müßen Sie doch verschiedenes Ansehn – Erstlich daß Doctor Melber die Sache wieder in Ordnung gebracht und durch seine Kunst die Urgroßmutter wieder gut geflickt hat – zweytens, daß da ich mir den Taback wieder habe angewöhnen müßen – derselbe seine Würckung besonders im fließenstiel vortreflich thut – ohne ein prißgen Taback waren meine Briefe wie Stroh – wie Frachtbriefe – aber Jetz! das geht wie geschmirt – das Gleichnüß ist nicht sonderlich hübsch aber es fält mir gerade kein anders ein – Leben Sie wohl Liebe Tochter! Grüßen Sie Ihren Lieben Mann – den Lieben Augst und behalten lieb

Ihre Sie hertzlich liebende Mutter Goethe.

N. S. Daß das Bustawiren und gerade Schreiben nicht zu meinen sonstigen Talenten gehört – müßt Ihr verzeihen – der Fehler lage am Schulmeister.


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