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Heute, am 18. Januar, werden sie das Reich feiern. Sie alle, die das ihrige getan haben, seine natürlichen Fundamente zu unterhöhlen. Schwerindustrielle, die den ganzen parlamentarischen Acheron in Bewegung brachten, wenn neue Steuern drohten. Ostelbische Junker, die ihre Kaste für die leuchtende Strahlenkrone europäischer Entwicklung hielten und alles Nichtpreußische in Deutschland dorthin wünschten, wo der Pfeffer wächst. Liberal schillernde Spießbürger, die mit der Angströhre in der Hand und in Servilität ersterbend um Wilhelms Equipage herumstanden und heute noch in einer bescheidenen Ecke ihres republikanischen Herzens das Bild des »vertriebenen Landesvaters« bewahren. Alle werden sie das Reich feiern und die Republik verfluchen und von Bismarcks Werk das zurückwünschen, was daran klein und sterblich war und von schlechten Epigonen für das Wesentliche gehalten wurde. Das »Reich«, das ist für sie nicht Erfüllung alten Demokratentraumes, sondern Ausnahmegesetz, Polizeiknüppel und fesselloser Militarismus. Was 1871 verwirklicht wurde, war, nach der politischen Terminologie der Zeit, Klein-Deutschland. Was 1918 in Scherben ging, es war wirklich – »Klein-Deutschland«. Und um das werden heute Zähren in Strömen fließen.
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Die deutsche Demokratie von heute ist wieder zum alten großdeutschen Programm zurückgekehrt, ohne deshalb das Werk Bismarcks gering zu schätzen. Die durch seine Politik herbeigeführte Einigung ist noch immer unsere Grundlage, und wird es bleiben. Daran zweifelt niemand außer Herrn Dorten und einigen kongenialen Köpfen in Bayern und Pommern.
Aber gerade weil wir daran festhalten, dürfen wir weder pathetisch noch nervös werden angesichts der heute in den Einzelstaaten zutage tretenden zentrifugalen Tendenzen. Wo Verlangen nach Dezentralisation vorliegt, müssen die Gründe ernsthaft und objektiv geprüft werden, darf keineswegs mit dem Vorwurf der »Reichsfeindschaft«, diesem verhängnisvollsten aller Bismarck-Worte, geantwortet werden. Ob Zentralismus oder Föderalismus ist nicht allein eine politische Prinzipienfrage, sondern vielleicht mehr eine Wirtschafts- und Finanzfrage. Man führe die Diskussion darüber leidenschaftslos, und vermeide es möglichst, die verstaubten Wappentiere der Länder zu diesem Zweck aus den Vitrinen der Museen zu holen.
Bis vor wenigen Jahren trugen die partikularistischen Bestrebungen, besonders in Süddeutschland, die Note eines gewissen primitiven Demokratismus. Der preußische Feudalismus hat überall Klüfte geschaffen, und mit gesundem Instinkt wehrte man sich außerhalb Preußens gegen die Philosophie der »gottgewollten Abhängigkeiten«. Heute sind die Schürer partikularistischer und sogar separatistischer Ideen in ganz anderen Kreisen zu suchen. Die volkstümliche Abneigung gegen Preußen steht heute an erster Stelle der reaktionären Rechnung. Kommen noch finanzielle Unstimmigkeiten hinzu, so ist es ziemlich einfach, politisch rückständige Schichten gegen Preußen aufzubringen oder gegen das Reich überhaupt als Träger der »Schieberrepublik«. Wenn man schon für ganz Deutschland die monarchistische Restauration nicht durchsetzen kann, so hofft man doch, mit einem Teil davon bald beginnen zu können. Gewiß, das sind Torheiten; aber die gefährlichen Möglichkeiten solcher Agitation sollten nicht unterschätzt werden. Besonders in Bayern sind solche Strömungen stark; dort hat die »monarchistische Herzfalte« zu einer nicht unbedenklichen Erweiterung des an und für sich schon recht beträchtlichen bayerischen Bierherzens geführt.
Wir wissen nicht, wann die Frage neuer Gliederung des Reiches einmal akut werden wird. Jedenfalls sollte die Demokratie, die dem alldeutschen Ideal der Reaktion das gute, alte großdeutsche Ideal entgegenstellt, diesem Problem von morgen oder übermorgen schon heute die sorgfältigste Beachtung schenken. Um nicht, wenn die Stunde da ist, von welfischen Junkern und verrannten Bajuvaren sich den Wind aus den Segeln nehmen zu lassen.
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So wollen wir, wenn heute deutschnationale Überdreadnoughts aus tausend Schlünden Phrasen speien werden, nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft blicken. Nicht das, was einmal war, soll wieder hergestellt werden, aber das was ist, so ausgebaut werden, daß man es mit gutem Gewissen der nächsten Generation übergeben kann. Im übrigen aber erwarten wir Republikaner, reich an Hoffnung, wie wir sind, daß die kurze Würdigung des bedeutungsvollen Tages in den Schulen, die Herr Haenisch gestattet hat, nicht zu einer einzigen schwarzweißrot flammenden Philippika gegen Republik, Demokratie und Verfassung wird. Daß das Reichskabinett es abgelehnt hat, den Geburtstag der deutschen Republik zum nationalen Feiertag zu erklären, zeugt von der schönen Generosität der an diesem Beschlusse beteiligten Herren gegenüber den Gefühlen Andersdenkender, wird aber von der Geschichte einmal mit einem Zensurprädikat belegt werden, über das Vermutungen zu äußern die Höflichkeit uns verbietet.
Berliner Volks-Zeitung, 18. Januar 1921