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Die deutsche Literatur ist ziemlich arm an gelungenen Travestien. Seit Gumppenbergs »Teutschem Dichterroß« und Meyrinks Frenssen-Parodien hat eigentlich nur Twardowski diesen etwas abseitigen Literaturzweig wesentlich bereichert. Aber bei diesen Dreien erscheint doch der rein artistische Spieltrieb noch ausschlaggebend; der stilistische Jux ist die Grundlage. Wenn Hans Reimann, der auch unsern Lesern bestens bekannte, in Leipzig wirkende Satiriker, sich nun den neuerdings allzu viel gelesenen antisemitischen Propheten Artur Dinter vorknöpft, so ist das Artistische Nebensache geworden und das Polemische einzig maßgebend. Es geht nicht mehr um witzige Variationen eines bestimmten Stiles, sondern um die Entlarvung einer Persönlichkeit, die ihre geistigen und künstlerischen Blößen mit einem großen Hakenkreuz deckt. ( Artur Sünder: Die Dinte wider das Blut. Von Hans Reimann. Verlag: Paul Steegemann, Hannover.) Hans Reimanns kleines Büchlein ist nicht nur eine glänzende Travestie, sondern mehr noch eine mutige Tat. Würde Dinters »Sünde wider das Blut« das Leib- und Magenbuch etwelcher überdeutscher Konventikel sein, es brauchte sich niemand um dieses dürftige Stück Arbeit zu kümmern. Leider aber ist der geistige Zustand Deutschlands heute so trübselig, daß eine antisemitische Tölpelei, mag die belletristische Aufmachung auch so unmöglich sein wie im Falle Dinter, auf einen starken Widerhall rechnen muß, wenn ein einigermaßen potenter Verlag die Sache lanciert. Hans Reimann hat durch die Gestalt des blonden Gelehrten Hermann Kämpfer, der unschuldige arische Kaninchen durch Einspritzung von Semitokokken verjudet, eine ganze Generation von Dintergenossen in genialer Heiterkeit der Lächerlichkeit preisgegeben. Wenn er zugleich den unmöglichen »deutschen« Stil des Propheten persifliert, so tritt er damit in sehr verdienstvoller Weise schützend vor die mißhandelte deutsche Sprache, gegen die Herr Dinter einen leider erfolgreicheren Krieg führt als gegen die »Sprößlinge Judäas«.
Berliner Volks-Zeitung. 24. Juni 1921