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Im Bechstein-Saal sprach Friedrich Erhard Stücke aus dem Tristan-Epos des Gottfried v. Straßburg. Bewunderungswürdig, wie dieser Meistersprecher die an sich undankbare Form des Gedichtes bewältigte, wie er diesen Gießbach von kurzen, paarweis gereimten Verszeilen bändigte. Welch eine Fähigkeit, zu gliedern, zu nuancieren und herauszuarbeiten! Und welch eine eherne Zucht, auch im stärksten Affekt! Wirklich, es ist kein Vortrag, sondern eine Geisterbeschwörung. Der nüchterne Klassizismus des Saales weicht einem Hintergrunde von leuchtender Pracht, wenn der Meister zu sprechen beginnt, und die verwunschenen Menschen der Bücher, wie aus Zauberschlaf erwacht, erheben ihre Häupter ... Kein Theaterabend hat so viel Rhythmus und Farbe. – Der Romantik in Dichtung, Musik und Tanz widmete die neugegründete Vortragsgewerkschaft deutscher Geistesarbeiter im Meistersaal eine wohlgelungene Folge von Darbietungen. In das Wesen der deutschen Romantik führten kurze instruktive Vorträge von Dr. Leopold Schmidt und Heinrich Zimmermann ein. Friedrich Rasenberger-Koch lieh sein Temperament und seine starke Einfühlungskraft Versen von Brentano, Eichendorff u.a. Besonders verdienstvoll war die Wiedergabe jenes Kapitels aus Hölderlins Hyperion, in dem der Dichter seinen ganzen Unmut über traditionelle deutsche Eigentümlichkeiten entlädt ... Der Künstler sprach diese Worte des Zornes mit heißer Aktualität.
Berliner Volks-Zeitung. 16. März 1921