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Das Rose-Theater brachte Max Halbes Drama »Der Strom«, das als Kunstwerk etwas verjährt, aber als Theaterstück noch immer wirkungsvoll ist, in einer sehr achtbaren Darstellung heraus. Sigismimd Keister, der als Regisseur für ein stimmungsvolles Bühnenbild und gutes Zusammenspiel Sorge getragen hatte, spielte auch die männliche Hauptrolle des Deichhauptmanns. Gut brachte er die Konturen dieses Kraftmenschen heraus, aber die Canaille blieb er schuldig. Willi Rose verbog den verwahrlosten Bruder Jakob ins Schmachtlappige, während Alfred Fuchs für den Strombaumeister schöne und echte Töne fand. Und da war auch Leonie Duval! Die sah ich zuletzt vor zehn, zwölf Jahren in einem kleinen Hamburger Theater. Damals spielte sie buchstäblich alles. Eines Abends Shakespeares kratzbürstiges Käthchen, am nächsten Abend irgendeine Salonschlange und am übernächsten eine würdige Matrone. Und trotz dieses Raubbaues mit einem jungen Talent ist eine große Künstlerin aus ihr geworden. Eine Meisterin im Gebrauch der diskretesten Mittel, der leichten Andeutung. Warum sieht man sie so selten auf unseren Berliner Bühnen? Wenn die Konjunktur der Entkleidungskünstlerinnen zu Ende ist. wird auch ihr Tag kommen.
Berliner Volks-Zeitung. 19. März 1921