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Vor mehr als zehn Jahren errang der Ungar Franz Molnár mit einer netten Farce wie »Der Leibgardist« großen Erfolg. Damals schwamm er im Kielwasser Hermann Bahrs und verstand zudem, seine Suppen mit einer Messerspitze Oskar Wilde zu würzen. Das ist, wie gesagt, sehr lange her.
Diesmal kommt er mit einer Hofkomödie. Und steht nicht mehr im Zeichen Oskar Wildes, sondern, höchstens!, Hans Müllers oder ähnlicher Wiener Schmalzfabrikanten. Eine Komödie aus blaublütigen Kreisen mit Satire und Rührung. Das heißt, die Rührung tropft fingerdick und die Satire bleibt mager. Das schaulustige Publikum aber kommt auf seine Kosten. Lauter piekfeine Leute. Eine veritable Prinzessin, die sich in den jugendschönen Prinzenerzieher vergafft; dieser wieder, Männerstolz vor Fürstenthronen, benimmt sich bei der Hoftafel wie ein rechter Flegel, was Herr Molnár und mit ihm das Publikum für einen gesunden Ausdruck demokratischen Unwillens über aristokratische Hochnäsigkeit und Verstiegenheit nehmen. Und am Schluß stumme Entsagung und Vernunftheirat. Ein Ungar ohne Paprika ist fürchterlich. Lieber Mikosch als Molnár.
Eugen Roberts Truppe behandelte diesen Schmarren wie eine erlauchte Komödie. Adele Sandrock, Rosa Valetti, Ilka Grüning, drei Meisterinnen, die aus armseligen Schablonen lebendige Menschen machten. Sita Staub als Prinzessin Schwan ganz hoheitsvolle Dümmlichkeit. Winterstein glänzte als unvermeidlicher Onkel mit dem goldenen Herzen. Hanns Schindler kam der Verpflichtung, gut auszusehen, vorzüglich nach; Karl Günther gab dem nicht gerade mit Intelligenz belasteten Thronfolger glaubhafte Konturen, und Adolphe Engers entzückte als ebenso korrekter wie mokanter Haushofmeister. Der Aufmarsch der Diener mit den Schüsseln im zweiten Akt, feierlich und tragisch wie ein Leichenkondukt, war ein Glanzstück der Regie. Kann man ein höheres Lob spenden, als daß Regie und Darsteller zuweilen die absolute Ungenießbarkeit des Ganzen für Minuten in Vergessenheit geraten ließen?!
Berliner Volks-Zeitung. 30. November 1921