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Die Zinne der Partei
Ich las dieser Tage in einem großen Parteiorgan die Mitteilung, daß irgendwo in tiefster Provinz der Funktionär einer andern Partei 30 000 Mark unterschlagen habe, woran das Blatt die freundliche Bemerkung knüpfte: »Das sind nun nach Ansicht dieser Kreise die geeigneten Leute, die Interessen ihrer Klassengenossen zu vertreten. Sie können Mein und Dein nicht unterscheiden.« Was die bedeutsame Berliner Zeitung hier sagt, ist über allen Zweifel erhaben. Die gegnerische Partei ist bekanntlich immer die Brutstätte aller nur ausdenkbaren Laster, die eigene licht und klar wie Dantes Paradies: und wenn schon mal was passiert, nun, wir sind halt alle Menschen ... Und deshalb, deutscher Mann, wenn du mit einem zusammen bist, der anders denkt als du, so gib auf deine Krawattennadel acht und behüte Frau und Kind gut, denn ein Individuum, das auf ein anderes Parteiprogramm vereidigt ist, bringt schließlich alles fertig ...
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Der gepfändete Kopf
Ein junger Künstler hat unter schwersten persönlichen Opfern im Berliner Osten eine Arbeiter-Kunst-Ausstellung zusammengebracht. Was da ausgestellt ist, sind zum Teil wesentliche Talentproben; der gewöhnliche kritische Maßstab ist allerdings nicht anzulegen, da die meisten dieser Arbeiten nicht von Berufskünstlern geschaffen und zudem nach schwerem Tageswerk entstanden sind. Jedenfalls ein Unternehmen, das Beachtung und Förderung verdient. Da entdeckte die hochlöbliche Polizei dazwischen einige Bilder und Zeichnungen linksradikaler Tendenz, und sofort wurde die Ausstellung unter Kreuzfeuer genommen, d. h. man verbot sie nicht, aber belegte den Veranstalter ausgiebig mit Geldstrafen, weil er zu unerlaubter Zeit Besuchern Eintritt gewährte u. dgl. mehr, und als auch das noch nichts fruchtete, meldete sich die – – Lustbarkeitssteuer. Und da der arme Mann wirklich nicht in der Lage war, diese Rechnungen zu begleichen, so pfändete man ihm den letzten Stuhl weg, und da auch das noch nicht der beleidigten Gerechtigkeit genügte, so pfändete man aus der Ausstellung einen Bronzekopf Karl Liebknechts; vermutlich, weil es das schwerste Stück war. Irgendein Kunstfreund unter den Herren Beamten schien aber doch noch seine Zweifel zu haben, ob nicht am Ende doch mit Ölfarbe zugedeckte Leinewand wertvoller sei, und so schritt man denn zur feierlichen Anfrage an den Ausgepfändeten, wie hoch eigentlich der Wert des gepfändeten Liebknecht sei. Da riß dem jungen Manne endlich die Geduld, und er antwortete mit einem unwirschen Briefe, der in verschiedenen Zeitungen wiedergegeben wurde. Ja, der Brief war grob, aber bei weitem nicht grob genug. Ich hätte an seiner Stelle kurz und bündig geantwortet: daß dieser Bronzekopf Liebknechts jedenfalls mehr wert sei als die Gipsköpfe der bureaukratischen Schikaneure zusammengenommen.
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Pour le roi de Prusse!
An der Berliner Charité wäre es jüngst fast zu einem Streik der dort beschäftigten Volontärärzte gekommen. Diese beklagenswerten Menschen arbeiteten seit Jahr und Tag ohne einen Pfennig Besoldung. Sie sandten Petition über Petition ans Ministerium; Hänisch, der Milde, antwortete wenigstens noch mit trostreichen Versprechungen, aber sein Nachfolger, der Universitätsprofessor Becker (also sozusagen auch ein Intellektueller), hüllte sich in vornehmes Schweigen. Schließlich als die Not am größten war, wurde den Volontärärzten freundlichst anheimgegeben, das Mittagessen, das sie oft bei Verlängerung des Vormittagsdienstes an Ort und Stelle einnehmen mußten, in Zukunft zu bezahlen. Das war alles. Da die Herrschaften weniger Humor hatten als der Minister, dem leider immer regelmäßig sein Gehalt ausgezahlt wird, beratschlagten sie, was zu tun sei und drohten mit Streik. Das Ministerium blieb vollkommen unempfindlich und ließ sich erst in dem Augenblick zu Verhandlungen herbei, als einige Zeitungen bereits, etwas verfrüht, den Ausbruch des Streiks meldeten. Daß die Finanzlage schlecht ist, wissen wir ohnehin, aber daß ein Minister, den man nach seiner bürgerlichen Profession bisher zu den Geistesarbeitern rechnete, es nicht einmal der Mühe wert hält, zu einer Schicht hart ausgenutzter Geistesarbeiter ein paar menschliche Worte zu sprechen, sondern sich in strengstes amtliches Schweigen hüllt, das ist ein neuer Beweis dafür, daß die etwas kurze und etwas dünne Reformära in Preußen zu Ende ist und daß der lieblose Geist des Obrigkeitsstaates unumschränkt waltet im hohen Ministerium gegen Wissenschaft, Kunst und Volksbildung.
Monistische Monatshefte. 1. September 1921