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Ich weiß nicht, ob das schöne Theaterhaus am Bülowplatz eine besondere Akustik hat, aber ich habe seit langem nicht einen so hellen, freudigen Beifall in Berlin gehört.
Man hat die Frage aufgeworfen, ob unsere Bühnen recht daran täten, so oft Shaw zu spielen. Ich glaube, es gibt kein besseres Offensivmaterial gegen die europäischen Grillen von heute als die Komödien dieses kerngesunden irischen Satirikers. Er hat sehr viel Sarkasmus, sicherlich, taucht manchmal auch seine Feder in Schwefel, – aber die Hauptsache sind doch nicht die zahlreichen Späße und Stiche –, sondern das gütige Herz.
In diesem Stück nimmt Bernard Shaw sein oft variiertes Lieblingsmotiv auf, den korrekten Engländer, den »gentleman«, dessen gebügelte Außenseite oft ein so faltenreiches Interieur verbirgt, in ein Milieu zu stellen, das unenglisch ist bis in die letzten Verästelungen. Hier geht es um den biederen Richter Howard Hallam, der auf einer Marokkoreise einen Neffen findet, an dessen Eltern er mehr als unrecht getan hat. Eine Auseinandersetzung auf Leben und Tod zwischen dem zivilisierten Oheim und dem von wenig Kultur beleckten, aber durch und durch ehrlichen Neffen scheint unabwendbar zu sein. Aber da greift Lady Cicely ein, das unverdorbene, mitten in der hohen Gesellschaft durch keine Konvention beeinträchtigte gütige Weib. Und wenn sie auch keine Aussöhnung zustande bringt, so doch Verstehen und Einblick in die gegenseitigen Menschlichkeiten.
Die Aufführung der Volksbühne unter Fehlings Regie war hervorragend. Von schöner tropischer Farbigkeit waren die Bühnenbilder, und von starker Suggestivkraft die exotischen Intermezzi. Kayßler war das ungehobelte Naturkind, die Fehdmer die Lady Cicely, die einst die große Ellen Terry spielte, für die Shaw dieses Werk geschrieben hat. Kayßler war herrlich in wortkarger Eckigkeit, Helene Fehdmer die Ergänzung, das Leuchten, das Sonnige und Gütige – kurz alles, was diesem harten Mannesschädel fehlt. Julius Sachs war ganz der korrekte, hundeschnäuzige Gentleman, der Repräsentant jenes England, gegen das Shaw seinen Stachel richtet. Und Guido Herzfeld amüsierte vortrefflich in der Episode eines gutmütigen Abenteurers mit starken Strafregistern. – Das vollbesetzte Haus rief immer wieder das Ehepaar Kayßler und den Regisseur Fehling.
Berliner Volks-Zeitung, 27. Februar 1921