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Vor einigen Tagen ist der Professor Albert Einstein von einer Reise zurückgekehrt, die ihn mitten durch die angelsächsische Welt führte. Er ist da draußen gefeiert worden wie seit Jahren kein Deutscher. Universitäten haben ihn zum Ehrendoktor ernannt, der Präsident der Vereinigten Staaten hat ihn empfangen, Lord Haldane hat ihm begeisterte Worte gewidmet. Und dabei hat er der sogenannten deutschen Würde nichts vergeben. Hat sich zum Beispiel überall der deutschen Muttersprache bedient und ist nirgends angeflegelt worden.
Die deutsche Presse, der es im allgemeinen nicht an Redseligkeit gebricht, hat sich dazu merkwürdig schweigsam verhalten. Wir wünschen ganz gewiß nicht die Eröffnung einer Reporteroffensive gegen den vornehmen und bescheidenen Gelehrten, aber auffällig ist dieses Schweigen doch.
Man denke, welch ein Tamtam gemacht wird um ein Interview, das Herr Ludendorff einmal einem Journalisten gewährt, der frisch aus dem Indianerterritorium kommt und sich deshalb in München und Umgegend ganz wie zu Hause fühlt. Dann wackeln jedesmal alle schwarzweißroten Bretter, die in der Welt Deutschland bedeuten, vor Aufregung. Und nun setze man gar den Fall, Herr Helfferich würde über England nach Amerika fahren. Ein ganzer Bienenschwarm von Sonderberichterstattern würde seinen wehenden Rockschößen folgen und jede Bemerkung der Gepäckträger von Hoboken über die Expansion seiner Reisekoffer durch das gütige W.T.B. ins kleinste Provinzblatt gelangen.
Albert Einstein aber vertritt nicht das Deutschland des Säbels, sondern das des Geistes. Und das bewirkte, daß man bei uns seiner Fahrt so wenig Interesse entgegenbrachte –, aber auch, daß man jenseits des Kanals und des Ozeans ihm so bereitwillig die Hand entgegenstreckte. Dieses Deutschland hat man vermißt, mit ihm wird man auch in Zukunft gern wieder zusammenarbeiten.
Einstein hat das Verdienst, als Erster eine langjährige Blockade durchbrochen zu haben. Der Krieg hat die Grenzen so unübersteigbar gemacht und die Meere so unendlich weit. Wir sind heute wieder auf die Erdkarte von 1490 zurückgeworfen. Das Zeitalter der Entdeckungen hat zum zweitenmal begonnen.
Berliner Volks-Zeitung, 26. Juni 1921