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Kunst und Presse

Ein Vortrag

Auf Einladung der Gesellschaft der Freunde der Charlottenburger Kunstgewerbe- und Handwerkerschule sprach Dr. Max Osborn über das ewig aktuelle Thema »Kunst und Presse«. Ich warf vorher einen Blick in die Ausstellung neuerer Schülerarbeiten. Es ist sehr viel ehrliches Ringen dabei und auch manches Wohlgelungene. Daß man der Jugend nicht verwehrt, sich an neuesten Richtungen zu orientieren, spricht für den freien Geist und die gesunden Methoden des Lehrkörpers dieses Instituts. Namentlich unter den Holzplastiken der Klasse Penthoner fällt manches durch eigenwüchsige Kraft und Phantasie auf, ebenso erstaunt überall die solide technische Ausführung.

Herr Dr. Osborn führte etwa folgendes aus: Die skrupellose Erwerbswut, die sich gegenwärtig breit macht, ist nicht das Kennzeichen dieser Zeit. Sehr viel Kräfte sind tätig am Werk, die nach Veredelung und Verinnerlichung streben. Wie kann die Presse zu einem Instrument der Reinigung der geistigen Welt werden, insbesondere der Kunst dienen? Denn Kunst und Presse haben sich bisher fast immer in Kampfstellung gegenübergestanden. Zu verkennen ist nicht, daß im vergangenen Jahrhundert die Kunstkritik neuen Strömungen und Persönlichkeiten gegenüber fast immer bedauerlich versagt hat. Diese Kampfstellung ist heute nicht mehr notwendig, da sich sowohl die Stellung des Künstlers als die des Kritikers verändert hat. Der schaffende Künstler geht heute nicht mehr aus dem Handwerk hervor und arbeitet nicht auf Bestellung wie einst, wie es noch Dürer und Michelangelo taten. Er ist vieler Bindungen ledig, kann seine Phantasie frei entfalten – aber die Frage ist: hat er durch diese Freiheit nicht auch den Mutterboden unter den Füßen verloren? Der Künstler hat seinen Zusammenhang mit der Allgemeinheit eingebüßt: seitdem ist der Kritiker auch nicht mehr Organ des Publikums. Auch er steht heute frei da und soll diese Freiheit benutzen, nicht um Richter zu sein, sondern Vermittler. Es sei seine Aufgabe, den Künstler zu durchleuchten und verständlich zu machen. Auch wenn er vor einer Persönlichkeit steht, die ein neues Wollen verkörpert, deren Leistungen ihn aber nicht befriedigen, so wende er sich nur gegen die Leistungen dieser einen Persönlichkeit, aber nicht schlechtweg gegen den ganzen Vorstellungskomplex, den sie verkörpert. Daß die Zeitung solchen idealen Forderungen bisher nicht immer gerecht wurde, liegt daran, daß sie nicht eigentlich eine Summe verschiedener Individuen ist, sondern selbst so etwas wie einen geschlossenen Organismus darstellt, einen Teil des modernen, rastlos arbeitenden Mechanismus. Bedauerlich ist es. daß neuerdings auch [in] die Kunstkritik politische Motive hineinspielen, daß zum Beispiel die Provinzpresse sich gegen die junge Kunst sträubt, indem sie sie einfach zu einem Produkt des verabscheuten Berlin macht. Nicht herunterreißen sei die Aufgabe des Kritikers, sondern das Indie-Welt-des-Künstlers-hineinführen. Die Presse helfe mit an der Verbreitung künstlerischer Bildung. Denn Deutschland kann nur leben, wenn es Qualitätsarbeit liefert, und nur ein Volk mit ausgebildeten Händen und Augen wird Qualitätsarbeit liefern können.

Lebhafter Beifall dankte Herrn Dr. Osborn für seine ebenso instruktiven wie freimütigen Ausführungen.

Berliner Volks-Zeitung, 11. März 1921


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