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Die Ehe ist der Liebe Grab

Wien.
Zu finden bey Anton Leitner, Kupferstichhändler auf den obern Jesuiterplatzel oder sogenannten Schulhof.

Als ich noch bin jung gewesen,
Fiel mir der Gedanke ein,
Daß nichts könnt so auserlesen,
Als die eigne Wirthschaft seyn,
Was ich nun erfahr und sehe,
Bringt mich von der Meinung ab,
Jetzt begreif ich erst, die Ehe
Ist der Liebe sichres Grab.

Noch vor unserm Ehestande,
Liebte Damon mich getreu,
Doch seit dem verhaßten Bande,
Ist die Zärtlichkeit vorbey.
Vor erhielt ich süsse Blicke,
Schmeichelei, Gefälligkeit,
Aber jetzt Verdruß und Dike,
Unmuth, Ungeduld und Streitt.

Täglich gab er mir Geschenke,
Alles was sich denken läßt,
Blumen, Kleider, Ohrgehänge,
Alle Tage war mein Fest,
Seit die Hochzeit uns verbunden,
Bleibt mir Hand und Kasten leer,
Ist das Jahr schon gleich verschwunden,
Kommet doch mein Tag nicht mehr.

All sein Thun und sein Beginnen
War so höflich und so süß,
Um die Mutter zu gewinnen,
Daß sie mich ihn überließ,
Jetzo zankt er ganze Tage,
Schmäht und lärmt vor Uiberdruß,
Daß er mich zu seiner Plage,
Als Gemahlin haben muß.

Willig hat er sonst gelitten,
Allen Eigensinn von mir,
Jetzt erfahr ich seiner Sitten
Ungeschliffene Art darfür,
Ich war Frau von feinen Trieben,
Ich verbothe, ich befahl,
Ich war Königin im Lieben,
Er ist König als Gemahl.

Ledig schien ich ihm ein Engel,
Doch als Frau gefall ich nicht.
Hat mein Spiegel keine Mängel?
Hab ich noch mein alts Gesicht?
Doch getröst, dann wie ich sehe,
Kommt die Mode nicht mehr ab,
Ungezweifelt bleibt die Ehe
Allemal der Liebe Grab.


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