Walther von der Vogelweide
Gedichte
Walther von der Vogelweide

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Maienlust

L. 51. Muget ir schouwen waz dem meien

    Wollt ihr schauen, was dem Maien
Wunders ist beschert?
Seht die Pfaffen, seht die Laien,
Tun so stolz und wert!
   Ja, er hat Gewalt.
Hat er Zauber wohl ersonnen?
Wo er naht mit seinen Wonnen,
   Da ist niemand alt!

    Alles wird jetzt wohlgelingen!
Wo sich alles freut,
Laßt uns tanzen, lachen, singen,
Wies die Zucht gebeut.
   Ei, wer wär nicht froh?
Da die Vögel rings sich schwingen
Und in hellsten Tönen singen,
   Tun wir ebenso!

   Heil dir, Mai, der du beglücktest
Alles weit und breit!
Der du schön die Bäume schmücktest
Und der Heide Kleid.
   War sie bunter je?
»Du bist klein, ich größer – schaue«
Also streiten auf der Aue
   Blumen mit dem Klee!

   Roter Mund, der hold du lachtest,
Laß dein Lachen sein!
Schäm dich, da du mich verachtest,
Noch zu lachen mein.
   Ist das wohlgetan?
Weh der unglückselgen Stunde,
Soll von minniglichem Munde
   Mir Unminne nahn?

   Was mich so an Freuden irret,
Gnadenloses Weib,
Das ist, der mein Herz verwirret,
Euer holder Leib.
   Woher stammt solch Mut?
Gnädig hört man euch doch nennen,
Laßt mich eure Gnade kennen,
   Sonst seid ihr nicht gut.

    Frau, ersparet mir die Sorgen,
Gönnt mir frohe Zeit –
Oder soll ich Freude borgen,
Daß ihr selig seid?
   Herrin, um euch blickt!
Alles jubelt im Vereine,
Trachtet, daß auch ihr mir eine
   Kleine Freude schickt!

Dies Lied wird von einigen – z. B. Wackernagel und Megel – dem Leutold von Seven zugeschrieben; es scheint mir aber nach Ton und Form so ganz Waltherisch zu sein, daß ich mich nicht entschließen konnte, es wegzulassen.


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