Walther von der Vogelweide
Gedichte
Walther von der Vogelweide

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An Herzog Bernhard von Kärnten

1.

L. 32. Ich hân des Kerendaeres gâbe dicke enpfangen

    Oft hat der Herr von Kärnten   mir seine Gunst gezeigt,
Macht ihn ein Mißverständnis   nun meiner abgeneigt?
Wähnt er vielleicht, ich zürnte?   O nein, wie dächt ich dran?
Was ihm geschah, geschah wohl   schon manchem milden Mann.
   War mirs auch leid, so wars ihm selbst noch leider,
Er hatte mir versprochen neue Kleider.
Nun zürn er andern, wenn ich nichts   von seiner Güte sah;
Ich weiß es doch: wer gern gewährt   und ständig spricht sein Ja,
Der gäb auch gern, wär es nur immer da.
Und dieser Zwist,
Gott weiß es, ist
Die Schuld nicht unser beider.

2.

L. 32. I´n weiz wem ich gelichen muoz die hovebellen

   Wem soll ich die vergleichen,   die da bei Hofe bellen,
Als Mäusen, die sich selber   verraten durch die Schellen?
Fährt Schmeichlers »Herr« und Klingklang   zum Mäuseloch hinaus,
Ein Schalk! ein Schalk! ruft hier es,   und dort rufts: eine Maus!
   Vergönn mirs, Kärntner, daß ich mich beschwere,
Freigebger Fürst und Märtyrer um Ehre,
Ich weiß nicht, wer an deinem Hof   verdrehet, was ich singe,
Schon ich ihn deinetwegen nicht,   ist er nicht zu geringe,
Zu schnellem Nachhieb ich mein Schwert dann schwinge!
Dem, was ich sprach
Und sang, forsch nach
Und forsch auch, wers verkehre?

Diese beiden Sprüche sind wohl 1208 entstanden. Der Herzog hatte Walthern Kleider versprochen, die ihm sein Kämmerer vorenthielt, doch zürnte der Dichter dem Herzog darüber nicht, wie hämische Schranzen den Herzog glauben machen wollten. – In manchen Gegenden hängt man gefangenen Mäusen Schellen um und läßt sie wieder laufen, um die andern zu vertreiben.


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