Walther von der Vogelweide
Gedichte
Walther von der Vogelweide

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Zürnende Liebe

L. 79. Daz ich dich so selten grüeze

    Daß ich dich so selten grüße,
Herrin, das ist keine Missetat.
   Wohl auch zürnen, glaub ich, müsse
Liebe, wenn kein Haß dem Herzen naht.
   Traurig sein und wieder froh,
Sanfter Zorn und süß Versöhnen
Ist der Minne Recht – gewöhnen
   Muß sich Herzensliebe so!

   Eine Rede sollst du meiden,
Herrin, das hoff ich von deinem Wert.
   Tust dus doch, ich würds nicht leiden;
Geizge sprechen, wenn man Lohn begehrt:
   »Hält er Glück, ich macht ihn froh.«
Aber, die dies gerne sagen,
Sind vom Unglück selbst geschlagen:
   Handeln tun sie doch nicht so.

    Keine Tage sah ich fliehen
Wie die meinen: immer schau ich nach!
   Wüßt ich doch, wohin sie ziehen,
Und was diese Hast bedeuten mag?
   Möglich, daß sie gehn zu dem,
Der sie minder gut verwendet;
Darum, Tage, zwanglos spendet
   Euer Licht: wißt ihr nur wem!


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