Walther von der Vogelweide
Gedichte
Walther von der Vogelweide

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Das rechte Maß

L. 46. Aller werdecheit ein vüegerine

    Aller Würdigkeit Verleiherin,
Das seid ihr allein fürwahr, Frau Maße!
Wohl dem, der stets euern Willen tat.
   Schämen braucht er um bescheidnen Sinn
Nicht bei Hofe sich noch auf der Straße,
Darum such ich, Herrin, euern Rat,
   Daß ihr mich belehret, recht zu werben.
Werb ich niedrig? hoch? – mir bringts Verderben!
Niedrig werben brachte fast mir Tod,
   Nun macht das zu hoch mich krank –
Unmaß, schaff mir keine Not!

    Niedre Minne leicht uns sinken macht,
Daß der Mut nach schlechter Liebe ringet:
Solche Minne bringt unrühmlich Weh.
   Hohe Minne hats soweit gebracht,
Daß der Sinn nach hoher Würde dringet:
Die lockt jetzt mich, daß ich mit ihr geh.
   Doch, Frau Maß, welch zögernd Sinnen?
Herzensliebe führt mich schnell von hinnen:
Denn schon hat mein Aug ein Weib ersehn,
   Und wie lieblich sie auch spricht,
Leicht mag doch mir Leid von ihr geschehn!


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