Walther von der Vogelweide
Gedichte
Walther von der Vogelweide

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Maß im Trinken

1.

L. 29. Ich trunke gerne dâ man bî der mâze schenket

   Wo man mit Maßen schenkt, da trink ich gern,
Wo sich Maßlosigkeit vom Tisch hält fern,
Die Leib und Gut und Ehr verringert Knecht und Herrn.
    Der Seele schad es auch, hört ich die Weisen sagen,
Das möge keinem Gast von seinem Wirt geschehn.
Trinkt reichlich er und bleibt beim rechten Maße stehn,
Mag Seligkeit und Glück und Ehr ihm draus behagen.
    Drum ward uns ja das Maß gegeben und geprägt,
Daß mans gleichmäßig meß und trage – das erwägt!
Wohl dem, ders grade mißt, und der es grade trägt.

2.

L. 29. Er hât nicht wol getrunken, der sich übertrinket

    Der trank gewiß nicht gut, der sich da übertrinkt;
Ziemt einem Biedermann, daß ihm die Junge sinkt? –
Wer sich im Wein betrinkt, in Schmach und Sünde sinkt.
    Geziemender wärs ihm, er ging auf eignen Füßen,
Statt daß er aufrecht kaum kann ohne Hilfe stehn.
Wie sanft man ihn auch trägt, 's wär besser, könnt er gehn.
Es trinke keiner mehr, als um den Durst zu büßen.
    Es bleibt, wer also tut, befreit von Schmach und Spott,
Doch wer so trinkt, daß er nicht sich mehr kennt, noch Gott,
Der bricht als sündger Mensch das heilige Gebot!


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