Walther von der Vogelweide
Gedichte
Walther von der Vogelweide

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Berufung an Herzog Leopold

1.

L. 32. Nû wil ich mich des scharpfen anges ouch genieten

Nun will ich länger nicht   den scharfen Gang verhehlen.
Wo ich bescheiden bat,   will ich nun dreist befehlen.
Ich seh, daß Herrengut   und Weibes holden Gruß
Man heute durch Gewalt   allein erringen muß.
Klingt höflich mein Gesang, so klagt mans Stollen:
Da bleiben mir am Ende nur die Knollen!
Nun mäste sich die Bosheit hier,   da sie den Sieg errang.
In Österreich erlernte ich   den rechten Liedersang,
Drum sei, dort zu beklagen mich,   dahin mein erster Gang:
Wenn Leopold
Mich tröstet hold.
So leb ich wieder bald im Vollen.

2.

L. 31. In numme dumme! ich will beginnen, sprechet âmen

In nomine domini fang ich an – sprechet ihr dazu:    Amen!
(Das hilft uns wider Mißgeschick und wider des Teufels Samen)
Ich möchte singen also nun in dieser Melodie:
Wer höfische Sangeslust uns stört, der werde fröhlich nie!
Wohl hab ich hofgemäß bisher gesungen,
Doch Unkunst hat mein künstlich Lied bezwungen,
Daß heutzutag bei Hofe   kunstlose Art nur gilt
Und, statt daß man mich ehret,   um meine Lieder schilt.
Herzog aus Östreich, jetzt entscheide dich:
Schaff Wandel du,
Denn sonst im Nu
Verwandelt meine Junge sich!

Beide Sprüche entstanden in der letzten Zeit des Thüringer Aufenthaltes und sind nach Wien gerichtet.


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