Walther von der Vogelweide
Gedichte
Walther von der Vogelweide

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Gegenliebe

L. 50. Bin ich dir unmaere

    Ob ich dir zuwider,
Danach frag ich nicht: ich minne dich!
   Eins nur beugt mich nieder,
Du schaust mir vorbei und über mich.
   Solltest, Lieb, das meiden,
   Denn mit schwerem Leiden
   Trag ich solchen Herzensschaden:
Trage mit – ich bin zu hart beladen!

    Solls aus Vorsicht kommen,
Daß du stets blickst über mich hinfort?
   Tust dus mir zum Frommen,
Dann erspar ich dir mein Tadelwort.
   Meide denn mein Auge,
   Falls dirs lieber tauge,
   Blick herab zu meinen Füßen
Tief, so tief du kannst, um mich zu grüßen!

   Wenn ich überschaue
Alle, die mein Herz mit Lust erbaut,
   So bleibst du nur, Fraue:
Ohne Schmeichelei bekenn ichs laut!
   Sind sie auch erlesen
   Und von edelm Wesen,
   Angetan mit stolzem Mut,
Oder hoch geboren: Du bist gut!

    Darum dich besinne,
Herrin, ob ich dir ergeben sei?
    Eines Freundes Minne
Frommt nicht, ist die andre nicht dabei.
   Minne taugt nicht einsam,
   Freuet nur gemeinsam,
   So gemeinsam, daß sie dringt
Durch zwei Herzen und kein drittes zwingt!


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