Walther von der Vogelweide
Gedichte
Walther von der Vogelweide

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Schönheit und Anmut

L. 49. Herzeliebez frouwelîn

    Mein herzgeliebtes Mägdelein,
   Gott schütze dich in Ewigkeit!
   Und könnt ich besser denken dein,
   Wär ich zu besserm Lob bereit.
Doch, was kann ich weiter sagen,
Als: daß keiner mehr dich liebt als ich!
Und das schafft mir, ach! so harte Plagen.

   O, laß sie schelten nur, daß ich
   Nicht höhern Flug geb meinem Sang:
   Doch sie verkennen sicherlich,
   Was Schönheit ist, ihr lebelang!
Nein, sie werdens nie gewinnen:
Die nur Außres reizt und eitles Gut –
Sagt, verstehen die das rechte Minnen?

    Wie oft mit Schönheit Haß sich paart,
   Nach Schönheit drum ein Tor nur geizt;
   Liebe ist guter Herzen Art,
   Drum Liebe mehr als Schönheit reizt.
Liebe kann ein Weib verschönen,
Bloße Schönheit kann dies nimmermehr –
Sie vermag kein Weib wahrhaft zu krönen!

    Sieh! ich ertrage und ertrug,
   Und werde Tadel noch ertragen.
   Du bist ja schön und hast genug,
   Sie mögen, was sie wollen, sagen.
Treulich will dich meine Seele minnen –
Mehr gilt mir dein gläsern Fingerlein
Als die Schätze aller Königinnen!

    Bist du mir unverbrüchlich treu,
   Bin ich um dich der Sorge bar,
   Daß jemals Herzeleid aufs neu
   Um deinethalb mir widerfahr.
Aber nie will dein ich heißen,
Hast du, Herrin, diese Tugend nicht –
Mag mir auch darob das Herz zerreißen! xxx

Mit dem gläsernen Fingerlein [Glasring] will der Dichter vermutlich auf die Armut oder den bescheidenen Stand seiner Geliebten hindeuten.


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