Walther von der Vogelweide
Gedichte
Walther von der Vogelweide

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Beständigkeit

1.

L. 61. Ich wil nû mêre ûf ir genâde wesen frô

   Noch länger bleib ich wohl   nun ihrer Gnade froh,
Solang ich ihrer Huld   zu denken nur vermag.
Doch wüßt ichs gar zu gern:   ergehts auch andern so?
Nach einem guten kommt   mir ein so böser Tag,
   Daß ich mich sein nicht freuen kann,
Als nur mit Wünschen, wie ichs gern
Schon tat von Kindesbeinen an.
   Man mag mich immer drum verlachen:
Fürwahr, mit Wünschen und mit Wähnen
Verstand ichs oft, mich froh zu machen.

    Ich wünsch im Herzen still,   ihr einst so nah zu sein,
Daß ich mich selber kann   in ihren Augen sehn,
And daß ich sie dereinst   so ganz noch nenne mein,
Daß meiner Frage sie   mir alles muß gestehn.
   Dann frag ich: Willst du wieder je
So handeln, du vielselig Weib,
Daß du mir schaffst so schmerzlich Weh?
   Mag lachen dann die Minnigliche;
Gesteht: wenn ich so wünsch und wähne,
Welch Glück solch süßem Träumen gliche?

    Die ich erlitten hab   durch sie, die Herzenspein,
In der mit Sehnsuchtsschmerz   ich schon so heftig rang.
Soll die denn nimmermehr   zum Nutzen mir gedeihn?
Getrauert hätt ich dann,   ach, ohne Lohn und Dank.
   Drum will ich künftig fröhlich sein.
Vielleicht daß besser ihr behagt
Frohsinn an mir, als düstre Pein.
   Doch fragt sie nicht um alle beide,
So spielt ich doch den Frohen lieber,
Als daß ich so vergeblich leide.

2.

L. 61. Mir ist mîn êrrin rede enmittenzwei geslagen

    Nun ist mir mein Gesang   inmitten durchgeschlagen:
Der eine halbe Teil   ist mir verboten gar;
Den mögen andere   nun singen oder sagen.
Doch ich will, was mir ziemt,   auch ferner nehmen wahr
   Und anmutvolle Sitte hegen.
Um eines, was man Ehre nennt,
Laß ich viel andres unterwegen:
Darf dessen ich nicht mehr genießen,
So steht es übel allerorten,
Und meine Türe will ich schließen.

    Weh, daß so mancher nun   nach mir den Rücken dreht,
Das klag ich heut und stets   der rechten Höflichkeit.
Nur wenigen ward ein Kranz,   der ihnen trefflich steht,
So trefflich, daß ich ihm   nicht fänd ein Herzeleid,
   Und ihnen ungern käme nah.
Daß ich so gern bei ihnen bin.
Das ist der Grund, drum bin ich da:
Drum muß ich ihren Rücken leiden.
Jedoch, wer stets bewahrt die Sitte,
Den ziert ein Kränzlein wohl von Seiden.


 << zurück weiter >>