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Aber noch einmal vor Tod oder Vergreisung führte das Schicksal ihn auf einen hohen Berg, von wo er das gelobte Land geheimer Sehnsucht, das sein Fuß, wie er glaubte, nie mehr betreten würde, in Glanz und Fülle vor sich liegen sah.
Und das kam so: Eines Tages sagte Brigitte zu ihm: »Mein Stephenson, du mußt was für dich tun … Ich seh' dich immer finstrer und einsilbiger werden, und dein Arbeiten hat längst schon was Krampfhaftes gekriegt. Daß du mir kaum je ein gutes Wort gönnst, das wundert mich nicht, denn ich weiß ja, ich trage an allem die Schuld. Aber ich kann's nicht mehr ändern … Daß du frei bist, sobald du's bestimmst, das habe ich dir schon tausendmal gesagt, aber wenn's drauf ankommt, dann willst du ja gar nicht … Es ist vielleicht auch wirklich nicht mehr die Zeit dazu, sich zu trennen, weil wir viel zu sehr aneinander gewöhnt sind. Aber darüber zu entscheiden, ist nicht meine Sache … Wie dem auch sei, jetzt raff dich mal auf und zieh in die Welt.«
»Was hab' ich noch von der Welt?« erwiderte er. »Hier ist mein Arbeitsplatz, und von dem rühr' ich mich nicht.«
»Dein Arbeitsplatz ist überall da, wo deine Arbeit gedeiht, und das tut sie hier schon lange nicht mehr … Mach's wie damals – acht Wochen nach unserer Hochzeit – als du's bei mir nicht mehr aushieltst und nach Paris ausrißt … Diesmal wird dich kein ärztlicher Ukas zurückholen, und ich werde auch fein brav sein und mich nicht nach dir bangen … Denk, du seist wieder Junggeselle … schaff dir Weiber an, soviel dir gefallen. Daß ich nicht mehr eifersüchtig bin, das weißt du ja … Mein Körper ist zerstört, und diese Art von Liebe mußt du dir schon wo anders zusammensuchen.«
Er sah ihr prüfend in die Augen. Sie meinte es wirklich ganz ernst. Ähnliches hatte sie schon oft gesagt, nur nicht so innerlich frei, so abgeklärt und über allem Irdischen stehend.
Und da fühlte er sich wieder ganz ihr zugehörig.
Freilich – gar so einfach war das Weggehen nicht. Selbst wenn anderswo eine Arbeitsstätte sich für ihn fand, das Haus zu verlassen, schien ein Wagnis.
Nie mehr – seit dem Jahre ihrer Kur – war er von Brigitte getrennt gewesen. Und wenn ihre Nervenanfälle sich auch nicht mehr oft wiederholten, so waren sie immerhin doch wiedergekommen. Der überzarten Atta die Bewachung aufzubürden, konnte dem Kinde, das von früh auf schon verängstigt war, leicht zum Verhängnis werden, und von den Dienstleuten war niemand so geschult, wie Mi einst gewesen.
Immerhin – es mußte gewagt werden. Er ging zum Hausarzte, um mit ihm jede Möglichkeit zu besprechen, er unterwies die Mägde, ja, er versuchte sogar, Atta die Furcht vor etwaigen Schrecknissen von der Seele zu nehmen.
Und dann fuhr er los.
Nach Paris, wie Brigitte ihm wohlweislich geraten hatte.
Seit undenklichen Zeiten war er nicht dort gewesen. Mit Brigitte einmal, um ihr die Wunder der ersten Kunststadt der Welt zu Gemüte zu führen, und dann nie mehr.
Die Angst, daß das Grausen vor seinem verpfuschten Leben dort noch wilder als anderswo über ihn herfallen würde, hatte ihn immer zurückgehalten.
Und nun breitete die ewig junge Zauberin die geliebten Arme noch einmal nach ihm aus.
Der alte Holzkohlendunst, da war er noch immer – trotz der vielen Zentralheizungen, die, wie bekannt, inzwischen angelegt worden waren – und in der Rue Lafayette derselbe Althändlerbetrieb mit Louis-Seize-Sesseln und Barye-Bronzen und falschen Fragonards – oder wie sie sonst hießen, die schäkernden Meister des Rokoko! Und die Austernauslagen in den triefenden Körben, und die Cafés mit dem opalisierenden Glanz der Absinthe!
O Paris, Paris, du Zuflucht aller von Moral und Gotik Zerquälten, wo lagst du so lange versteckt?
Mit der Zigeunerei war es inzwischen freilich zu Ende gegangen, und Spelunken liebten wir gar nicht mehr. Darum nahmen wir höchst nobel im Ritz Quartier, allwo man des Abends im Frack an der Tafel erschien und sich des Morgens die Oeufs à la coque von würdigen Grandseigneurs mit sakralen Beschwörungen im Glase zerschlagen ließ.
Und dann auf die Suche gegangen!
Wer war von den Freunden noch da? Wahrhaftig! Der Däne war immer noch da! In der Rue Gay-Lussac hoch oben unter dem Dach klebte die verblichene Karte wie einst:
Henrik Christensen
mit dem Vermerk » Copenhague« unten rechts in der Ecke.
Der alte Herr in dem schäbigen Samtjackett und mit verzwirbeltem Rubensbart, der ihn hinter dem rasch aufgesetzten Zwicker hervor argwöhnisch musterte, wahrhaftig, das war er!
Da erst dämmerte eine Ahnung in ihm.
Und auf italienisch, als säßen sie noch immer in Rom:
» Ma che c'è? Stefano, tu? Ragazzaccio! Mascalzone!«
Und so noch einiges andere, wie es damals, als sie noch grün und lümmelhaft waren, zwischen ihnen im Schwange gewesen.
Sodann ging er ins Französische über, denn Deutsch hatte er inzwischen verlernt und, wie er später bekannte, seine Muttersprache fast auch.
Ein großes Tier sei der alte Freund inzwischen geworden – und nicht bloß » là-bas« – auch hier machten die Blätter gelegentlich viel von ihm her. »Aber neidisch bin ich durchaus nicht. Tout au contraire! Ich habe sogar das große Bild genau so gepflegt, als wäre es mein eigenes.«
»Welches große Bild?«
Ob er sich der »Sintflut« gar nicht erinnere? Dort an der Wand lehne es, und einen tüchtigen Platz nehme es in Anspruch. Eigentlich müßte er Miete dafür verlangen.
Ganze Ströme von Jugendtrotz und Eheabscheu drangen auf Steffen ein.
Damals, als es galt, dem muffigen Krähwinkel, in das seine blöde Heirat ihn verschlagen hatte, die geballte Faust entgegenzuhalten, hatte er es hingehauen und unvollendet stehen gelassen. Als er dann nach einem Jahrzehnt mit Brigitte in Paris noch einmal gelandet war, hatte er wohl immer noch daran gedacht, weil sie aber schon sehr aus dem Leim zu gehen begann, war er zu feige gewesen, sich bei den Freunden zu melden, denn er hatte die höhnischen Blicke gefürchtet, mit denen sie ihn und sie ohne Zweifel traktiert haben würden.
Und so war es dann schließlich in Vergessenheit geraten.
Der Freund wollte sofort den Blendrahmen umdrehen und die drei Meter hohe Leinwand von ihren Hüllen befreien, aber Steffen ließ es nicht zu.
»Erst zeige mir, was du jetzt so machst!« Und das sagte er weniger aus Höflichkeit, als weil ihm angst davor wurde, die Geister glücklicherer Zeit aus dem Grabe zu rufen. Über das Gesicht des Freundes flog ein Lächeln, das er wohl kannte: dies Lächeln der bittern und doch überlegenen Entsagung.
Ihm war, als habe er selber gelächelt.
Und dann stand er vor diesem Bilde und jenem. – Gleichgültigkeiten auf einem wie auf dem andern. – In einer Technik gemalt, die vor zwanzig Jahren schon im Veralten gewesen. – Asphaltene Finsternisse und überwertige Lichter. – Und dann wieder Verbeugungen vor dem Pleinair und ein Schielen nach neuester Unart.
Ein Mann, der den Weg verloren hat, der sein Ich verloren hat und mühselig zusammenrafft, was der Abfall der andern ihm bietet.
Aber nun hieß es, die Enttäuschung verbergen und Lobsprüche austeilen – nicht zu üppig, damit sie nicht unecht wirkten, nur eben voll Anerkennung so hingeworfen, wie der gute Kollege wohl tut.
Doch der alte Freund wußte, woran er war.
»Stürze dich nicht in Unkosten,« sagte er. »Es lohnt sich nicht mehr. Ich verkaufe, soviel ich zum Leben brauche, und damit erfüllt es ja seinen Zweck.«
Steffen dachte: ›Bis zu diesen Abgründen der Trostlosigkeit bin ich noch niemals gesunken.‹
Und mit einer Gedankenverbindung, die zu rasch kam, als daß er sich über sie Rechenschaft ablegen konnte, fragte er: »Bist du verheiratet?«
Der Freund führte nach römischer Weise den Zeigefinger verneinend durch die Luft.
»Dieser Coup hätte mir gerade noch gefehlt,« sagte er mit dem zünftigen Hohne des Junggesellen, der zu allen Zeiten Steffens Neid gewesen war. Aber in diesem Augenblicke fühlte er nichts davon, er dachte nur: ›Also auch das hilft nichts gegen das Versanden.‹
Und eine plötzliche Zärtlichkeit für Brigitte stieg in ihm auf.
Dann gingen sie zusammen frühstücken, – gingen in ein Restaurant, in dem sie vor jenen zwanzig Jahren bereits gegessen hatten, und alles war noch wie damals.
Am meisten wie damals aber war der Freund selber. Das gleiche Vokabular, die gleichen Scherze, die gleichen jungenhaften Gesten sogar. Man konnte glauben, die Zeit verschlafen zu haben.
›Der stagniert noch ganz anders,‹ sagte er zu sich. Aber es lag keine Überheblichkeit in diesem Gedanken, nur ein Trostgefühl, das sehr wohl tat.
Als der Freund fragte, wo er abgestiegen sei, schämte er sich seines Snobtums und nannte irgend ein kleines Haus, an dem er vorbeigekommen war und das jener nicht kannte. Zugleich beschloß er, noch am selbigen Abend auszuziehen, damit er dem Armgebliebenen kein Ärgernis gebe.
»Willst du den Kaffee nicht bei mir trinken?« fragte Christensen. »Du erinnerst dich doch an meine kleine Wiener Maschine?«
Und er lächelte stolz.
Als sie wieder eintraten, wies er auf die Riesenleinwand, die hinter andern Bildern, die sie belagerten, an die Wand gelehnt dastand, und sagte: »Erst werde ich dir helfen, sie aus dem Schutte zu graben, und dann, während ich die Bohnen mahle, kannst du ein Fest des Wiedersehens feiern.«
»Ach, der alte Schinken!« rief Steffen verächtlich, um seine Neugier vor sich selbst zu verstecken.
Christensen machte ernste, tadelnde Augen. »Ich wünschte, ich hätte viele solcher Schinken in meiner Rauchkammer hängen,« sagte er und schleuderte die eigenen Bilder nach rechts und nach links, ab und zu mit einem Fußstoße nachhelfend.
Und dann drehte er das Untier vorsichtig von der Wand weg, legte es mit der Rückseite dagegen und lockerte die Zwecken, die das drübergebreitete Bettlaken festhielten.
»Die Enthüllung besorge selber,« sagte er und trat zurück, um die Spiritusflamme in Brand zu setzen.
Steffen zögerte, die Decke fallen zu lassen. ›Enttäuschung muß dir in jedem Falle draus erwachsen,‹ dachte er, aber dann ärgerte ihn seine Feigheit, und er zerrte sie nieder.
Also das war's! Ja richtig, so war es gewesen! So vertraut, so lebendig stand es vor ihm, als hätte er gestern noch dran gepinselt. Und dann wieder doch weltenfern. Von einem andern Planeten gefallen. Linien, wie sie noch keiner gefügt. Töne, wie sie noch keiner gefunden.
Links im Vordergrunde ein Riff aus blankschwarzem Gestein, orgelpfeifenhaft zusammengeklebt wie die Felsen von Staffa. Das gab eine Vertikale von unerhörter Gewalt. Und als Horizontale dagegengeworfen, im Bogen zur Höhe gebäumt, gierende, greifende, klammernde Leiber … Leiber, in Krämpfen verzerrt, zu Knäueln zusammengeballt, in mörderischem Ringen miteinander verflochten … Jedes Gesicht eine andere Abart von Todesangst, jede Hand eine andere Verkörperung des zum Wahnwitz gesteigerten Willens … Und alles wie von selber in Wellen geordnet, mit den wirklichen Wellen so sehr eins, daß es wie Schaumkrönungen aus ihnen emporwuchs … Das Ganze eine von Menschen gärende, Menschen gebärende Brandungsvision, gipfelnd in der dramatischen Vordergrundsgruppe Mutter und Kind, – einem Weibe, dem es gelungen ist, seinen Säugling auf der Kuppe des Felsens zu bergen, und das nun, vom Sug zurückgerissen, mit ausgestreckten Armen für ewig von ihm Abschied nimmt.
»Verflucht!« schrie er auf. Dann brach er voll von marterndem Selbstungenügen mutlos in sich zusammen.
Das Kinn in den Händen vergraben, saß er da und starrte das Gebilde an, das diese selben Hände einst aus dem Schoße des Nichts herausgeholt hatten.
» Das hab' ich einmal gekonnt!« knirschte er in sich hinein.
Der Freund, der die dampfende Tasse vor ihn hinhielt, weckte ihn aus seinem Brüten.
»Na, hab' ich ihn dir gut gehütet, deinen – Schinken?«
» Das hab' ich einmal gekonnt,« rief er hochspringend und schlug sich mit der Faust gegen die Stirn.
»Das war nicht Können, das war Jugend,« beruhigte Christensen. »Ich will mich mit dir nicht vergleichen, aber auf stolzen Rossen zogen wir alle mal in die Welt … Wohl uns, wenn sie uns nicht in den Dreck geworfen haben! … Ich hab' ja inzwischen manches von dir gesehen – so auf dem großen Weltjahrmarkt 1900 –, und ich muß dir sagen: Bist du auch ein anderer geworden, dein Pfund hast du nicht vergraben, denn da war nichts, was einen Rückschritt bedeutete.«
Steffen dachte: ›Derselbe Liebesdienst, den ich ihm vorhin erwies,‹ aber etwas weniger verzagt war er doch. Und als er genauer hinsah, gewahrte er vieles, das er heute anders und besser gemacht haben würde, abgesehen von der Unfertigkeit der ganzen Affäre. Da war Verzeichnetes in Menge und Gemuscheltes hier und Gekleckstes dort und ein Leichtsinn über dem allem, der schon an Verbrechen grenzte.
»Du hast recht,« sagte er, »man ist eben ein anderer geworden.«
»Wenn du das heute noch einmal vornähmst, da würde was Großes draus werden.«
»Man soll nicht in abgelegte Kleider kriechen,« erwiderte Steffen, »und wenn sie noch so flott aussehen, sie passen nicht mehr.«
»Aber mitnehmen wirst du es doch?«
»Nachdem ich es dir ein halbes Leben lang aufgehalst hab', werde ich dich wohl endlich davon erlösen müssen.«
»Es ist mir auch allerhand Gutes dadurch passiert,« lachte der Freund, »mancher ist extra deswegen zu mir gekommen. Und wem ich es zufällig zeigte –«
Er hielt inne und schmunzelte pfiffig in sich hinein.
»Was hast du?«
» Ah, pas grand' chose! Ich denk' nur an die kommenden Tage. Wie lange hast du die Absicht hierzubleiben?«
Steffen erwiderte, das würde von etwaiger Arbeit abhängen.
»Daß dir dies Loch nach Belieben gehört – genau so wie damals –, versteht sich von selbst.«
Steffen bedankte sich mit etlicher Wärme, war aber entschlossen, das weitherzige Angebot nicht wieder anzunehmen. Er hätte sich als ein Schmarotzer gefühlt.
»Von unsern alten Kumpanen«, fuhr Christensen fort, »sind die meisten in die Brüche gegangen. ›Natürliche Auslese‹ nennt man das wohl … Andere berühren vor lauter Vornehmheit mit ihren Füßen das Pflaster nicht mehr … Auch unser Montmartre ist nicht mehr derselbe. Cook und Sohn beherrschen die Gegend, und wir sind nur dazu da, für ihre Herden die Staffage zu bilden … Aber hie und da gibt's doch noch einen Winkel, in den man sich verkriechen kann, ohne von den Misses als wilder Mann geknipst zu werden … Wenn du mich heute um zehn irgendwo treffen willst!«
Steffen nannte einen gewissen Kandelaber vor Notre-Dame de Lorette, wo sie früher oft genug aufeinander gewartet hatten.
Und dann trennten sie sich. – –
Der Abend kam. Das Estaminet, in das Christensen den Jugendfreund führte, war in vollem Betrieb. Die Franzosen sind das einzige Volk auf der Welt, das mit Anmut zu lärmen versteht, und darum empfand Steffen das »Brouhaha«, das ihn umgab, nur als ein laues Gewässer, in dem sich wohlig herumplätschern ließ.
Aber an seinem eigenen Tische herrschte einsilbige Stille. Der Deutsche, der »berühmte Mann«, war den andern Malersleuten ein wenig auf die Nerven gefallen. Nicht daß man ihm übelwollte, aber man hatte noch keinen Anschluß gefunden. Er selbst sah sich gezwungen, den Bann zu brechen, indem er, soweit sein Französisch noch reichte, die Lichtstadt pries, in die er wie in eine Heimat zurückgekehrt sei.
Nun ergab es sich, daß dieser und jener auch in Berlin ausgestellt hatte und von der Gastlichkeit überrascht worden war, mit der man nicht nur seine Bilder, sondern auch ihn selber damals begrüßt hatte.
»Warum sind Sie nicht zu mir gekommen?« fragte Steffen. »Haben Sie von mir nichts gewußt?«
Gegen diese schändliche Annahme wehrte man sich voll Entsetzen. Man habe nur nicht die Traute gehabt, und – wenn man gewußt hätte – » on est si capot – vous savez«.
»Nun also – das nächste Mal.«
Man lächelte und versprach, aber über allem Sichanbiedern lag schon als dumpfer Druck das Donnergrollen künftiger Schlachten.
Da geschah es, daß an einem der Nebentische, zu dem man gelegentlich hinübergegrüßt hatte, eine Frauengestalt erschien, die von jedem drüben mit Freude empfangen und durch Stuhlrücken und Handhochheben zur Nachbarin begehrt wurde.
In Steffens Tafelrunde verstummte auch das letzte Gespräch. Männiglich reckte den Hals und wartete gespannt, von der Angekommenen bemerkt und durch Kopfneigen ausgezeichnet zu werden.
Auf schmalem, zartgelenkigem Körper ein von bräunlichen Wellen umrahmtes zartes und strenges Gesicht. Mit ruhigen, blauen Leuchtfeuern unter vollbogig geschwungenen Brauen. In Schwarz gekleidet. Doch Kleider konnte man das kaum nennen, was diese Glieder umgab. Mit Schneidern und Mode hatte es wenig zu tun. Es floß als zeitloses Gewand, als Chiton und Schleier an ihr hernieder. Nur der weit ausgebuchtete Hut mit den wallenden Straußenfedern war den jetzigen Tagen entnommen.
In Steffens Kehle quoll eine Art von Wehgefühl hoch, über das er sich keine Rechenschaft zu geben vermochte.
Fragend sah er nach Christensen hinüber und entdeckte auf dessen Gesicht dasselbe pfiffige Schmunzeln, das ihm aufgefallen war, als er heute von der Wirkung seines Bildes gesprochen hatte.
Und dann winkte er auch schon in nicht zu verkennender Einladung zu dem jungen Weibe hinüber, das ihn durch ein ruhevolles Heben des Armes auf ein erfreuliches Später vertröstete.
Steffen konnte sich nicht entbrechen, nach der Fremden zu fragen, die ihn – er verhehlte sich's nicht – bis in die Grundfesten seines Wesens erzittern ließ.
»Landsmännin von mir«, rief Christensen zu ihm herüber, »und darum auch unter meinem Patronat. Als Avis für alle, die etwa an ihr 'rumnaschen möchten … Im übrigen so fest engagiert, daß niemandem der kleinste Krümel Gunst zufallen würde … Wer aber Glück hat, der kann durch sie den schönsten Frauenleib kennenlernen, der augenblicklich auf Gottes Erde herumläuft.«
»Also Modell?« fragte Steffen, während eine jähe Enttäuschung ihn durchrieselte.
Ringsum erscholl ein Lachen gutmütigen Spottes.
»Berufsmodell jedenfalls nicht,« erwiderte Christensen. »Im Gegenteil. Kollegin von uns … Kann sogar schon eine ganze Menge und will noch viel höher hinaus … Dabei ist sie reich von Hause her und hat eine offene Hand für jeden, dem die kleine oder auch große Münze ausgegangen ist. Ich glaube, an diesem Tische sitzt keiner, in dessen Leben sie nicht einmal die Mascotte gespielt hätte – und an jenem wohl auch.«
»Wie ist das aber – mit –?« Er wagte das Wort gar nicht mehr in den Mund zu nehmen.
»Mit dem Modellstehen? Das ist so: Wenn einem ganz was Schönes fehlt, das in ihren Typ hineinpaßt, und er klagt ihr sein Leid, er komme nicht vorwärts, dann sieht sie sich die Bescherung erst einmal an, und wenn sie findet, daß es sich lohnt: ›Du, komm mal morgen mit deiner Leinwand zu mir. Es ist möglich, daß ich was für dich tun kann.‹ Und wer vom Fach ist und meint es ernst, der darf sogar zusehen.«
Steffen fühlte, wie der Gedanke an diese Möglichkeit ihn heiß und kalt überlief.
Das Gespräch ging weiter, doch aus jeglichem Auge schoß ab und zu ein kurzer, halb heimlicher Seitenblick zu ihr hinüber, der anzeigte, mit welcher Ungeduld man auf sie wartete.
Und endlich stand sie auf, deutete auf den Widerstand der Nachbarn hin, ihr den Platz freizuhalten, und kam mit langsamen, wiegenden Schritten zu der Tafelrunde herüber.
Seltsam, wie in dem brünetten, gleichmütig lächelnden Angesicht die blauen Feuer leuchteten! Alles war Ruhe in ihr und spielende, unbeirrbare Kraft.
›Nordlandstochter,‹ dachte Steffen. Ein Reigen von Eddagestalten stieg in ihm hoch, wiewohl sie mit ihrer klassischen Kleinköpfigkeit und dem Oliventone der Haut eher einem jungen Griechenweibe ähnelte.
Alle hatten sich erhoben und streckten ihr begierig die Hände entgegen. Sie schüttelte sie ohne viel Ansehen der Person, und so auch Steffens Hand – kaum, daß sie auf den Namen hinhörte, den Christensen nannte.
Und dann setzte sie sich an dessen Seite, Steffen halb gegenüber und war gerade noch, ohne daß sie verdeckt wurde, von ihm zu beobachten.
Da das Gespräch sich um Dinge drehte, denen er fernstand, so fand er keine Gelegenheit, sich ihr bemerkbar zu machen. Nur ihrer Stimme konnte er lauschen, die mit ungewohntem Akzent und sehr hellem Tonfall gelassene Worte hineinwarf.
›Ob sie noch nie von mir gehört hat?‹ fragte er sich, und so mußte es wohl sein, denn sie schenkte ihm kaum einen Blick.
Fast eine Viertelstunde dauerte diese Quälerei, da gewahrte er, daß Christensen sie aus der allgemeinen Unterhaltung loslöste und, zu ihrem Ohre geneigt, leis auf sie einsprach.
Mit gesenkten Lidern nickte sie billigend vor sich nieder.
» Ah si, si! Plus que ça! Une merveille tout simplement!« so hörte er.
Und dann plötzlich rief sie, hoch auffahrend und die blauen Feuer von einem zum andern spazierenführend: » Qui? Qui? Ah, celui-là!«
Damit hatten sie auf seinem Gesicht eine Ruhestätte gefunden.
Zugleich stand sie auf, streckte ihm weit über den Tisch weg die Hand entgegen und sagte: » Pardonnez-moi, Monsieur Tromholt! Je n'ai pas su. J'ai mal compris. Idiote que je suis!«
›So ist der Anschluß doch noch erreicht,‹ dachte er aufatmend.
Von nun an wandte sie die Blicke kaum noch von ihm. Sie redete, sie antwortete, aber immer wieder kehrten ihre Augen forschend und sich verwundernd zu seinem Gesichte zurück.
Einer fragte, was sie jetzt tue.
»Nichts,« erwiderte sie. »Ich reite dem Busson dort seine verwundete Amazone vor. Und da er mir keinen Sattel bewilligt, so bin ich hernach an allen Gliedern zerschlagen.«
Jetzt glaubte Steffen das Unerhörte wagen zu dürfen.
»Man hat mir gesagt, Madame,« sprach er zu ihr hinüber, fühlend, wie seine Stimme zitterte, »daß Sie bei diesen Sitzungen zuweilen auch einen Zeugen dulden. Wenn Sie glauben, daß ich einer solchen Gnade würdig bin, darf ich mich dann darum bewerben?«
Sie sah ihm fest ins Gesicht, und mit derselben Gelassenheit, mit der sie vorhin die Begrüßungen der Freunde in Empfang genommen hatte, erwiderte sie: »Wer die Sintflut gemacht hat, darf, was er will.«
Schweigend hörten die andern dem Zwiegespräch zu, und kein Lächeln – neidisch oder zweideutig gar – zeigte sich auf ihren Gesichtern.
Sie aber zog ihre Brieftasche hervor, nahm eine Visitenkarte heraus, und nachdem sie sie entzweigerissen hatte, reichte sie einen der Teile zu Steffen hinüber.
»Kommen Sie morgen um elf in meine Wohnung,« sagte sie. »Und wenn Sie diesen Fetzen meiner Bonne übergeben, werden Sie zu mir geführt werden.« – –
In dieser Nacht schloß er kein Auge, teils weil das erwartete Glück ihm keine Ruhe ließ, teils weil das bescheidene Hotel, in das er übergesiedelt war, noch keine Doppeltüren kannte.
Auf dem Heimweg hatte er durch den alten Freund einiges Nähere über sie erfahren.
Astrid Helsted hieß sie, war Waise und durch Erbschaft Mitinhaberin einer großen und weitbekannten Firma, an deren Spitze jetzt ihre zwei Brüder standen.
Eben war sie großjährig geworden, aber schon vorher hatte sie alle Familienfesseln von sich geworfen und war in die Fremde gegangen, um ihr Leben nach eigenem Geschmacke auszugestalten. Zuerst hatte sie in Deutschland den akademischen Lehrgang wacker innegehalten, dann aber war sie nach Paris entwichen, um ihrem künstlerischen Freiheitsdrange die Zügel schießen zu lassen. Christensen schilderte sie, wie sie in noch kindlicher Unschuld mit den Kameraden dahingelebt hatte, von allen respektiert und eifersüchtig gehütet. Doch dann war ein vornehmer Engländer in ihren Gesichtskreis getreten, der, halb Dilettant, halb Originalgenie, Sport und Malkunst zugleich betrieb und der, wenn er nicht in Paris war, auf seiner Jacht zwischen Biarritz und Monte Carlo hin und her pendelte. Ihm schien sie rettungslos verfallen zu sein, denn noch niemals hatte seither ein Mann den mindesten Eindruck auf sie gemacht.
So gab es also auch für ihn nichts zu hoffen, aber auskosten wollte er das große Erlebnis doch, das ihm verheißen war.
Müde, verwacht und mit flattrigem Herzen trat er am nächsten Vormittag den Weg zu ihr an.
» Au quatrième au-dessus de l'entresol,« sagte die Pförtnerin.
Er stieg empor. Die Bonne öffnete. Ihr zurückweisender Blick verwandelte sich sofort in willige Sachlichkeit, als er die abgerissene Kartenhälfte vor sie hinhielt. Prüfend legte sie sie neben die andere, die auf einer Konsole seiner schon wartete.
» Monsieur peut entrer.«
Durch die geräuschlos sich öffnende Tür drang eine Flut weißlichen Glanzes in den roten Dämmer des Hausflurs.
Da saß sie in lichtumrandeter Nacktheit, mit nichts als einem Goldhelm bekleidet, – oder hing sie vielmehr an dem Rücken eines hölzernen Pferdes, wie es zum Bestande jedes besseren Bildhauerateliers zu gehören pflegt und das bruchstückweise die schmalen Treppen des Miethauses emporgetragen sein mußte.
Sie wandte ihr Antlitz dem Fenster zu und hatte sein Eintreten gar nicht bemerkt. Und während der Mann, dem die Wohltat dieses Schauens gewährt war, in zeitausnützender Gier den Pinsel über die Leinwand führte, konnte Steffen sie in Ruhe betrachten.
In Ruhe? O nein. Sein Herz klopfte so, daß ihm der Atem zu stocken begann.
Scheinbar halb ohnmächtig war sie. Das eine Bein sank bereits gleitend hernieder, das andere hielt sich mit einwärts gekehrten Zehen am Tierleibe fest, und während die linke Hand, die von ihrem Körper verdeckt war, sich krampfig zur Brust hinzutasten schien, suchte die andere im Gekräusel der Mähne einen letzten Halt zu gewinnen.
So erschüttert fühlte sich Steffen von der Tragik dieser Bewegung, daß er vorerst des Leibes, der sie vollführte, gar nicht gedachte. Dann plötzlich wurde sein Auge aufgetan, und er gewahrte in andächtigem Staunen, von welcher keuschen und erhabenen Schönheit die Linien waren, die, aufgelöst in Lichter und Schatten, da oben sich offenbarten.
Schauen und Beten – nichts anderes gab es hier noch.
Und dann, als sie – auf den stummen Wunsch des Malenden hin – eine kleine Rechtswendung machte, sah er auch endlich ihr Angesicht, das die gelösten Wellen des Haupthaars ihm so lange verborgen hatten. Der langbogige Wimpernstrich verschattete das halbgeschlossene Auge fast ganz, aber darunter hervor brach ein Strahl von so verzweifelter Willenskraft, daß man nur einen Gedanken hatte: herzuzuspringen und das edle Weib mit dem eigenen Leibe zu decken, solange Todesgefahr es bedrohte.
Höchste Anstrengung der Phantasie, heißeste Hingabe des Gemüts waren notwendig, um dieses Gebilde zu schaffen, das einem glückseligen Malersmann auf die Leinwand zu bannen erlaubt war.
›Lange kann sie's so nicht aushalten,‹ dachte Steffen, der keinen Finger zu rühren wagte.
Und richtig! Plötzlich atmete sie tief auf, setzte sich bequemer auf dem Pferderücken zurecht, und nach einem Tuche greifend, das sie sich über den Schoß warf, sagte sie: » Donne-moi quelque chose de fumable. Je ne peux plus.«
Da hielt Steffen den Augenblick für gekommen, ein Lebenszeichen von sich zu geben.
Langsam wandte sie sich der Tür zu, in deren Nähe er immer noch stand, und mit den Worten: » Tiens, tiens! L'illustre maître!« streckte sie gelassen die Hand nach ihm aus.
Er hütete sich, irgendwelche Erregung zu zeigen, und drechselte nur ein paar Dankesworte, die sie gleichmütig entgegennahm. Dann gab's die gebotene Vorstellung der beiden Kollegen, die sie ihrer Nacktheit zum Trotz mit dem lächelnden Anstande einer Zeremonienmeisterin einleitete, um hierauf den Lobesworten zu lauschen, die Steffen dem zu drei Vierteln fertigen Bilde zu spenden für gut hielt.
In Wahrheit sah er nicht viel davon und noch weniger von dem, der es geschaffen hatte, denn alles, was an Augenkraft in ihm war, gehörte der Reiterin, die, nun behaglich auf dem linken Schenkel sitzend, den rechten zum Pferderücken emporzog und, während sie Tabakswolken vor sich hinblies, den Arm, in dessen Hand die Zigarette schwelte, auf dem hochgebogenen Knie eine Stütze finden ließ.
Den Goldhelm hatte sie aus der Stirn zurückgeschoben, und war es dessen Widerschein oder leuchtete die Haut aus sich selber heraus, – goldgelb in seiner erzenen Straffheit erschien der ganze geschmeidige Körper, in dem halbkindliche Zartheit mit schmeichelnder Fülle sich paarte.
»Sie prüfen meine Leiblichkeit, Meister,« sagte sie mit dem immer gleichen unbefangenen Lächeln, »als ob ich das erste Modell wäre, das Sie vor sich sehen.«
»Ich bitte von dieser Leiblichkeit schweigen zu dürfen. Lassen Sie mich lieber von der Beseelung reden, die Sie ihr soeben gegeben haben. Und da muß ich sagen, daß ich wie vor einem Wunder stehe … Sie haben nicht bloß das Geschehnis, sondern auch den Geist, den gerade die Antike ihm gab, so sinnenfällig gemacht, daß ich Sie vergaß und mich vergaß und unsere Zeit vergaß, um gänzlich im Griechentum unterzutauchen.«
Sie seufzte tief auf, und plötzlich ins Deutsche übergehend, erwiderte sie: »Wie sagt euer großer Dichter: ›Das Land der Griechen mit der Seele suchend!‹ Und das tue ich in so großer Sehnsucht, daß mir Jugend und Scham und Weibtum nur als ein Opfer erscheinen, welches ich – wie sagt man? – nun, den Göttern bringen muß.«
Damit warf sie die Zigarette im Bogen auf eine Kupferschale nieder, die unweit am Boden stand und aus der nun ein duftendes Wölkchen gleich dem Rauch dieses Opfers zu ihr emporstieg.
Als nun der Maler, der die Pause benutzt hatte, um in Hast den Pinsel umherirren zu lassen, ihr einen bittenden Blick zuwarf, kehrte sie mit einem kleinen Wehlaut in ihre vorige Stellung zurück.
Doch nur für wenige Augenblicke. Plötzlich warf sie mit dem Schwunge der geübten Turnerin das rechte Bein über die Kruppe des Pferdes zur linken Seite hinüber, sprang zur Erde hinab, und rasch einen Kimono um Hüfte und Brüste schlagend, sagte sie: »Genug für heute. In zehn Minuten wollen wir frühstücken.«
Damit verschwand sie. – –
Mit diesem Tage begann für Steffen ein erregtes und hochgestimmtes Leben, dessen Mittelpunkt das junge Weib war, das ihn so freigebig zu den Vertraulichkeiten ihres Daseins zugelassen hatte.
Fast täglich waren sie fortan beisammen, und während sie zu zweien in den Speisehäusern einander gegenübersaßen, erzählte sie ihm ohne Rückhalt, wie ihr Ehrgeiz sie quälte und zu welchen Zielen sie sich emporzuringen hoffte. Auch ihre Arbeiten zeigte sie ihm, freute sich wie ein Kind an seinem Lobe und nahm seine Ausstellungen mit der Andacht der Führerlosen dankbar entgegen.
Über allem, was sie sagte, lag wohltuend die grenzenlose Bewunderung, die sie für ihn hegte und die durch die jahrelange Bekanntschaft mit seinem Schaffen treulich genährt worden war.
In seinem Vaterlande hatte diesen gläubigen Aufblick niemand mehr; zu den Fremden, den Fremden mußte er fliehen, um ihm noch zu begegnen.
Ja doch, eine hatte ihn, eine einzige, aber die gerade war seines Lebens Fessel.
Kaum hatte er sich für etliche Zeit von ihr und dem lähmenden Alltag freigemacht, da streckte auch schon die große Welt mit einem Jubelruf die Arme nach ihm aus, trug ihn empor zu stets ersehnten Höhen und zeigte ihm ausgebreitet zu seinen Füßen die Fülle der Wunder, die sie für ihn bereithielt und immer bereitgehalten hatte.
Mancher vielkönnende Mann, manche vielliebende Frau kreuzte in jenen Tagen seinen Weg, und wo er auch hinkam, trat man ihm, sei's mit Respekt, sei's mit Verlockung entgegen, aber aller Krone blieb die eine, die in der hüllenlosen Hoheit ihres Leibes wie eine Göttin vor ihm erschienen war.
Nie mehr hatte er das Verlangen nach Wiederholung jener Stunde an sie gestellt; er wußte, er würde als Mann den Anblick nicht mehr ertragen haben, denn er fieberte, sie zu besitzen, die Nachrichten aber, die er von Christensen erhalten hatte, wehrten ihm den Versuch eines Liebesspiels.
Von vielem sprach sie, von ihrer Heimat, ihrer Jugend, ihrer Familie, – von dieser ohne viel Achtung – selbst die Nöte erotischen Erwachens gab sie ihm freimütig preis; nur wenn er an ihre große Liebe rührte, verstockte sie sich und kniff schweigend die Lippen zusammen. Und als er einmal wagte, noch weiter zu forschen, griff sie nach seiner Hand: »Lassen wir das, lieber Meister! Diese Dinge gehen zu tief, als daß ich davon zu reden vermöchte.«
So verkehrten sie wohl drei Wochen lang. Eines Nachmittags aber, als er, wie oft schon, kam, den Tee bei ihr zu trinken, blieb ihm ihre Türe verschlossen.
» Madame est sortie!«
Tags darauf zog er wieder die Klingel und dann noch ein drittes Mal.
» Madame est sortie!«
Dabei blieb es.
Und als er ihr schrieb, keine Antwort.
Er quälte sich mit Selbstvorwürfen. War er nicht vorsichtig genug zu Werke gegangen? Hatte er ihr allzusehr den verliebten Gelegenheitsjäger gezeigt?
Aber als er Christensen seine Sorgen klagte, hatte der nichts als ein Lachen.
»Höchst einfach! Sir Roland Hunt ist wieder im Lande.«
Und damit schien auch dies zu den Toten gesunken.