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Neunundzwanzigstes Kapitel

Und weiter raste der Krieg. Man konnte auch sagen: er schlich. Denn oft gab es Monate nichts als den täglichen Sieg, auf den niemand mehr achtete, blieb doch alles nachher, wie es vordem gewesen war.

Seitdem die Menschenschlächterei vor Verdun Bankrott gemacht hatte, seitdem Hindenburgs gigantischer Umfassungsplan im Osten zusammengeknickt war wie ein Rohr, gegen das eine spielende Hand schlägt – man ahnte wohl, wem sie gehörte, die Hand! –, war es um Deutschlands Siegestrunkenheit für diesmal geschehen.

Nur ein Wunder konnte noch retten!

Und dieses Wunder geschah: Rußland verlangte den Frieden.

Genau wie im Siebenjährigen Krieg, als Elisabeth starb und ihr Nachfolger dem kleinen Preußenkönig seine Bewunderung zu Füßen legte.

Ein Seufzer des Aufatmens, der an das Glück kaum noch glaubte, ging durch das hungernde Volk.

Ja, dieses Volk hungerte, wie nur je die Bewohnerschaft einer belagerten Festung gehungert hatte.

Und nichts anderes war zu jener Zeit das weite Deutsche Reich. So sehr hatte die Welt sich inzwischen verkleinert, so sehr hatte der Zorn dieser Welt sich inzwischen vergrößert, daß alles, was sich zum Deutschtum zählte, in Schrauben gepreßt und der Ausrottung verfallen sein konnte.

Aber man hungerte willig. Man ließ sich das Brot zumessen, bis es kaum noch das Kauen verlohnte, man lachte über den Butterklecks, der nicht das Aufstreichen wert war, – doch wenn das »Wochenfleisch« kam, lappig und schwarz und nicht von nahe zu riechen, dann lachte man nicht, sondern wandte sich schaudernd zur Seite.

So Schweres litt das deutsche Volk, daß es später viel tückischer Arbeit bedurfte, um ihm dies Leid zu verleiden.

Und das Haus Tromholt litt mit. Was nützten ihm nun seine Millionen? Neuheide, dessen Eigenwuchs vorerst einmal seinem Herrn zugute gekommen wäre – man hätte nur nötig gehabt, sich als »Selbstversorger« dort niederzulassen –, Neuheide war weg, und Herrn Piefke um Hilfe anzurufen, dazu ließ man sich doch nicht herab.

In der Stadt, wo tausend verborgene Quellen immer noch sickerten, begann nun Brigittens aufopfernde Arbeit.

Frühmorgens zog sie schon los, so schlecht wie möglich gekleidet, die wachstuchene Markttasche zusammengerollt unter dem Arme, und biederte sich mit den Standfrauen an, die scheinbar nichts zu verkaufen hatten, oder sie strich an den leeren Ladenfenstern vorbei, und wo sie auch das Innere leer fand, da trat sie rasch ein und begehrte den Besitzer zu sprechen. So kam manch verbotenes Geschäftchen zustande, und die Markttasche füllte sich oft so sehr, daß man sie nur keuchend und taumelnd nach Hause zu tragen vermochte.

Aber das alles hatte nichts zu bedeuten, denn Steffen mußte ernährt werden. Wenn ihm auf dem Brote die Butter nicht fehlte, wenn die frischen Gemüse ihm entgegendufteten, wenn er manchmal sogar sein Beefsteak bekam, dann darbte man selber mit Freuden und schwindelte ihm alles mögliche vor: Man habe schon längst in der Küche gegessen, oder man müsse sich hüten, noch dicker zu werden, und hätte drum Grund genug, dies große Fasten zu segnen. Und so dergleichen noch mehr. Wozu in aller Welt hatte man seine Phantasie vom lieben Herrgott bekommen?

Und sie magerte auch richtig ab und erschien wieder hübscher und jünger. Die Leute lachten nicht mehr hinter ihr her, und Steffen konnte ruhig mit ihr den Zeitgenossen ins Angesicht sehen. Aber ihre Stirn färbte sich häufig kalkweiß, und der Augenglanz erlosch allzuleicht, nur das Tuschkastenrot auf den Backen verblich immer noch nicht, höchstens, daß es sich auf das Netz des feinen Geäders beschränkte. Und Ohnmachten fanden sich – ganz unversehens – aus denen sie meistens von selber erwachte, so daß sie davon nicht zu reden brauchte.

Vor allem zu Atta nicht, deren Blick für alles Kranke und Krankhafte im Lazarett geschärft war.

Atta – ja richtig! – Atta war wieder zu Hause.

Zweieinhalb Jahre hatte ihre Krankenpflege gedauert, da war sie zusammengebrochen. Die Nachtwachen hatten ihr nicht viel geschadet, auch vor den Magddiensten, mit denen die Töchter aus den sogenannten »guten Familien« gerne bedacht wurden, war sie niemals zurückgeschreckt. Sie hatte die Nachtstühle hinausgetragen und die Klosette gereinigt – von Schlimmerem ganz zu schweigen –, als wäre sie dazu erzogen gewesen. Was sie schließlich zu Falle brachte, war das wahnsinnige Treppengelaufe, wenn sie mit Speisen beladen wohl zwanzigmal zu jeder Mahlzeit vier Stockwerke herauf und herunter mußte. So bekam sie allmählich geschwollene Kniee, das, was man in England das » maiden-knee« nennt, fiel stolpernd mit der Tablette zur Erde und mußte einmal sogar weggetragen werden, weil sie trotz allem Beistand nicht mehr auf die Füße zwang.

So ergab sich der Erholungsurlaub von selber. Sie lag auf dem Ruhebett, machte ein wehleidiges Schnäuzchen und ließ sich von Mammi verwöhnen.

Und aus dem Urlaub wurde Entlassung.

Nun »wandelte« sie wieder in edler Unberührtheit durch des Hauses künstlerische Räume, übte das Geigenspiel und machte Gedichte.

Ihrer vaterländischen Taten rühmte sie sich kaum je. Dazu war sie wie ihre Mutter zu stolz und zu bescheiden zugleich. Aber was früher einmal träumende Kindlichkeit gewesen war, hatte sich in bewußte Selbsteinschätzung verwandelt.

Von zu viel armen jungen Burschen war sie bestaunt und angebetet worden, zu viel zitternde Seelen hatten ihr Wohltun voll Andacht empfangen, als daß sie sich jetzt, da das Erlebte noch nachklang, nicht als eine Art von höherem Wesen hätte erscheinen müssen. Und immer noch lag ihr ob, zu schenken und zu vertrösten. Briefe kamen in Haufen, mit Aufschriften, aus deren Zügen man die verarbeitete Knechtsfaust schon von weitem erkannte, und was drinstand, hätte Anlaß zu endlosem Lachen geboten, wäre es nicht gar so rührend gewesen.

Aber in dem Lazarett hatte es auch eine Offiziersabteilung gegeben. Sie war nicht gerne und nicht oft darin beschäftigt gewesen, denn gewisse Herren erlaubten sich Freiheiten – nicht ihr gegenüber – wahrhaftig nicht – aber manche der andern wußten kichernd davon zu erzählen, und außerdem kam man nur allzuleicht in den Verdacht, heiratsgierig zu sein.

Als Folge ihrer noch so flüchtigen Tätigkeit in jenen bevorzugten Reichen fanden auch feiner geartete Briefe sich ein mit vielzackigen Kronen sogar und Wappen auf ihren Siegeln.

Diese wurden am Familientische nicht herumgezeigt, aber Mammi bekam sie dennoch zu lesen – wann hätte man Mammi etwas verheimlicht! –, und die erzählte dann Steffen brühwarm, wie ernsthaft dies oder jenes sich zu gestalten begann.

Abends saß Atta bis um die Mitternacht auf und schrieb die schönsten Schutzengelbriefe – an den Füselier X und den Grenadier Y, so daß morgens ganze Stöße davon auf dem Küchentisch lagen, um zur Post getragen zu werden.

Aber gewisse andere besorgte sie selber; deren Aufschrift las niemand. Und nur aus dem Wärmerwerden des Tons, den ein gewisser Herr Hauptmann Haake ehrerbietig, doch nicht ohne Selbstbewußtsein, angeschlagen hatte, konnte Brigitte ersehen, wohin Attas Seele sich neigte.

Sie hütete sich wohl, mit Fragen dazwischenzufahren. Was geschehen wollte, mußte aus eigenem Lebensrechte erwachsen. Nur eingehegt durfte es werden, damit kein fremder Einbruch dazwischenkam.

Und siehe da! Die Briefe mit den vielzackigen Kronen hörten allmählich auf. Nur der Hauptmann Haake schrieb unentwegt weiter.

Und eines Tages war er selber da. Hatte zwei Karten hereingeschickt und sich bei der Hausfrau anmelden lassen. Alles, wie sich's gehörte.

Mit Herzklopfen blickte sie ihm entgegen. Sie wußte: die Zukunft trat in das Haus.

Sie trug die Gestalt eines mittelgroßen, sehr hagern und straffen Mannes gegen Mitte der Dreißig, mit schwarzem kurzgeschorenen Haupthaar, dessen Saum tief in die Stirne reichte, und dunkeln, feuerspritzenden Augen. Er ging hinkend am Stocke, und sein linker Arm hing steif hernieder. Aber wie er Brigitten näher kam und die dargebotene Hand ergriff, federte jeder Muskel an ihm, und um seine wolkigen Brauen herum lagerte ein ungebrochener Wille.

›Bei dir würde mein Kind wohl geborgen sein,‹ dachte Brigitte, indem sie sich ein wenig zur Seite wandte, denn sie fühlte die Tränen hochquellen.

Aber sie faßte sich rasch, so daß er von ihrer Erregung nichts merken konnte. Und als das Gespräch noch keine drei Minuten im Gange war, da lag es schon klar, daß er zu werben kam. Denn er sprach nicht von sich, sondern von der Familie, der er entstammte, von Eltern und Brüdern und den Liebessorgen, die auf ihm ruhten. Und nicht die kürzeste Zeit gönnte er sich, um gesellschaftlicher Sitte gemäß von gleichgültigen Dingen zu reden, so eilig hatte er's, die Mutter derer, die er liebte, zu den Quellen seines Lebens zu führen.

Sie hörte ihm zu und sprach selber nicht viel. Sie sprach nie mehr viel, wie lebhaft ihr Geist auch arbeiten mochte. Aber zu fragen verstand sie. So gut verstand sie zu fragen, daß sich einem jeden, der mit ihr sprach, das Herz auftat und er ihr sein Vertrauen auf flachen Händen entgegentrug.

Und so ging es auch hier. Als sie eine halbe Stunde lang mit dem Hauptmann Leo Haake allein gewesen war, wußte sie alles, was zu wissen wohl nötig war.

Dann stand sie auf und läutete.

Wenn der Herr Professor oben sei, lasse sie ihn bitten herunterzukommen, es sei Besuch da, und auch das gnädige Fräulein möchte sich nach vorne bemühen.

Das gnädige Fräulein war zuerst auf dem Platze. Wurde beim Anblick des Herrn Hauptmanns sehr rot, erstarrte aber sofort zu einer großzügigen Priesterin.

›Du kleiner Schafskopf,‹ dachte Brigitte.

Und dann mußte er zur Probe im Zimmer spazierengehen und die Glückwünsche seiner einstigen »Schwester« voll heißen Dankes entgegennehmen.

Schließlich stellte auch Steffen sich ein. Ein wenig unwirsch zuerst, weil man ihn oben gestört hatte, was nicht eben häufig geschah, dann aber, als er den Namen des Besuchers erfuhr, voll umso schärferer Achtsamkeit.

Er ging auch gleich auf das nächstliegende Ziel los. Wie der Herr Hauptmann glaube, daß es um seine Zukunft bestellt sei.

Der gab knappe und klare Auskunft. Die Annahme, daß er zum Regiment zurückkehren werde, komme kaum in Betracht, denn man habe ihm Aussicht gemacht, im Generalstab beschäftigt zu werden, und was das bedeute, das wisse wohl jeder. Müsse er aber als Invalide den Dienst verlassen, denn er sei durchlöchert wie nur ein Sieb, dann – dann –

Und nun stockte er doch.

›Im Notfalle sind ja meine Millionen da,‹ dachte Steffen, dem sein Wesen gefiel. Und dann war er ja einer von jenen, denen man um ihrer Opferung willen zu stetem Danke verpflichtet war.

Und so regelte im stillen sich alles aufs beste.

Der Hauptmann Haake erschien ein zweites und ein drittes Mal, auch wurde er zusammen mit andern Gästen zu einem Abendessen geladen, das auf der Basis zweier von Herrn Piefke gesandter Gänse zustande kam. Er durfte Atta zu Tische führen, und Brigitte sah mit freudigem Staunen, wie sorgsam sie ihn zu stützen verstand.

»Nobelste Auslese,« sagte Maxel, der zur Rechten der Hausherrin saß, und seine Frau, die kleine Canaille, die übrigens mit den Jahren immer blonder und immer koketter wurde, fügte über den Tisch weg hinzu: »Daß sie größer ist als er, das schadet nichts, umso leichter wird sie über ihn hinwegsehen können.«

Brigitte zuckte zusammen und war froh, daß von den beiden es niemand gehört hatte.

Bis dahin war von einer Aussprache nicht die Rede gewesen, und Steffen, der von Brigitte stets auf dem laufenden gehalten wurde, glaubte schon, die Sache sei im Versickern, da geschah's an einem dunkeln Abend, daß er heimkehrend in der Elektrischen auf Hauptmann Haake stieß, der sehr verlegen wurde und meinte, er habe mal hier draußen im Freien seine Gehkünste üben wollen, wozu er im Gedränge der inneren Stadt noch immer zu ungelenk sei. Und dann stieg er bald ab.

Als Steffen zu Hause ankam, fragte er auf der Stelle nach Atta.

Das gnädige Fräulein sei vor kurzem ausgegangen. Sie habe nur ein wenig frische Luft schöpfen wollen.

Drauf suchte er Brigitte auf, die wie gewöhnlich still hinter ihrem Stickzeug saß, und teilte ihr seine Beobachtungen mit.

Aber Brigitte lächelte nur. »Laß sie doch!« antwortete sie. »Ich tue, als seh' und hör' ich nichts, bis sie mir's selber sagen kommt.«

Ihre Worte beruhigten ihn. Er hatte an seine eigenen Jugenderlebnisse gedacht, als die Berliner W-Mädel noch hinter ihm hergerannt waren. Und das hatte ja freilich einen anderen Anstrich gehabt.

Als Atta sich eine Stunde später am Abendtisch einfand, waren ihre Backen heißrot, doch ihre Augen voll träumerischen Friedens.

Steffen und Brigitte sahen einander an und fragten nach nichts.

Und dann folgte ein Sonntagnachmittag, da wurde der Hauptmann wieder erwartet. Er hatte schriftlich um die Erlaubnis gebeten, zur Teestunde kommen zu dürfen, und Brigitte war einverstanden gewesen.

Als Steffen, dämmerungsmüde, die Wendeltreppe herunterstieg, sah er sie vor sich stehen, wie sie, den Zeigefinger auf den Lippen, ihm winkte, ganz leise zu sein.

»Sie sitzen beide vorne«, flüsterte sie, »und sprechen sich aus.«

Er nahm ihre Hand in die seine, und so standen sie lange und warteten, bis das Schicksal richtig geschmiedet war.

Dann mit einem Male erschien Atta hochaufgerichtet in der sich öffnenden Mitteltür und der lahme Hauptmann dicht hinter ihr. Im Abglanz des heiligen Erlebens schien sie nun wirklich einer Priesterin gleich.

Doch als sie die Mutter sah und aufschluchzend ihr um den Hals fiel, da war sie wieder das kleine Mädel von einst, und Steffen ging dem Hauptmann entgegen und schüttelte ihm die etwas zittrigen Hände.

Kein einziges Wort wurde geredet.

Später, als man rings um den Teetisch saß und Brigitte die Tassen füllte, da fiel das erste. Es lautete: »Wünschen Sie schwach oder stark?«

Und als er sich für »stark« entschieden hatte, schwieg man noch eine Weile weiter. Nur hie und da kluckerte ein Tränlein in den dampfenden Tee.

Wie man endlich ins Leben zurückkehrte – irgend einmal muß es ja doch geschehen sein –, ist keinem von den vieren in Erinnerung geblieben.

Und dieses Leben war hart und verlangte zehnfache Kräfte.

Zwar die Versetzung in den Generalstab kam bald – soweit schien alles in Ordnung –, aber ein halbes Jahr später gab es gar keinen Generalstab mehr. Waffenstillstand und Revolution hatten ihn in den Rinnstein gefegt.

Die irrsinnige Hetze gegen alles, was als Offizier seine Haut zu Markte getragen hatte, nahm ihren Anfang. Männern, die in hundert Schlachten dem Tode ins Auge geschaut, die vier Jahre lang gehungert und gefroren, gekrankt und geblutet hatten, ohne mit der Wimper zu zucken, wurden die Achselstücke vom Leibe gerissen wie überführten Verbrechern. In Uniform auf die Straße gehen, hieß jeder Lebensgefahr ausgesetzt sein, ohne sich wehren zu dürfen, denn sonst hätte der Janhagel einen zerrissen.

Noch ein einziges Mal trug Leo Haake den bunten Rock – als er an Attas Seite zur Trauung ging.

Und nun hinkte er kaum mehr.

Aber die Welt war ins Hinken gekommen. Für tüchtige Männer gab es kein Fortkommen mehr. Nur Schieber, Schwindler und Beutemacher – Gesindel, das bereit war, dem weißgebluteten Vaterlande den letzten noch übrigen Tropfen aus den Adern zu saugen – hatten ein Anrecht darauf, beachtet zu werden. Die stürmten zu Reichtum und Macht, während die andern ratlos am Wege standen, nicht mehr wissend, was Recht heißt und Kraft, und was man selber noch wert war.

›Aber meine Millionen sind ja da,‹ dachte Steffen.

Mit denen konnte er trefflich den eigenen Haushalt versehen und auch das junge Paar über Wasser halten, bis bessere Zeiten hereinbrechen würden.

Das ging wohl so ein bis zwei Jahre. Leo Haake hörte Vorlesungen und bereitete sich vor, das Konsulatsexamen zu machen.

Aber siehe da! Eines schönen Tages waren die Millionen nicht mehr da – oder vielmehr, sie waren zu Milliarden und Abermilliarden geworden. Nur schade, daß diese nicht auszudenkenden Summen das Papier nicht mehr lohnten, auf die eine fleißige Rotationsmaschine sie druckte.

»Wir sind arm,« sagte Steffen zu Brigitte eines Tags, als er, von der Bank heimkehrend, über den wirklichen Wert seines Vermögens Aufschluß erhalten hatte.

Wohl dachte sie in ihrem Innersten: ›Ach hätten wir Neuheide noch!‹ Aber sie hütete sich wohl, ihn mit einem Seufzer des Bedauerns zu kränken.

Sie lächelte nur, wie sie immer lächelte, wenn er irgend eine Dummheit gemacht hatte, oder wenn etwas Schweres, schier Untragbares über sein Leben, das ja auch ihres war, unversehens hereinbrach.

Und in diesem Lächeln lag kein Vorwurf, keine Überlegenheit, kein Verzeihen, nicht einmal Nachsicht lag darin, nur Trost, nur Hoffnung und ein grenzenloses Vertrauen.

»Mein Stephenson kann alles,« sagte sie, »er wird auch dieses Malheur überwinden.«

Und damit kam er schon über das Erste, das Schwerste hinweg.


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