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Während wohl kaum ein Erdenfleck, oberflächlich betrachtet, den Menschen in gleichem Maße abstößt wie das einsame, düstere, kalte Hochmoor, erschließen sich dem liebevoll schauenden und treu beobachtendem Auge auch hier, wie überall in der Natur, tausend Wunder. Hierher haben sich Dutzende sogenannter Glacialpflanzen, die während der Diluvialzeit den Hauptbestand unserer Flora bildeten und in dem feuchtkalten Klima fröhlich gediehen und blühten, zurückgezogen; nur hier finden sie noch die zu ihrem Fortkommen nötigen Bedingungen. Zwischen den Polstern des Torfmooses erheben sich unsere insektenfangenden und verdauenden Sonderlinge, der Sonnentau und das Fettkraut; hier finden wir auch sonst allerlei schöne und zierliche Gewächse, die Moosbeere und die Parnassie, die Sumpfwurz und die Torfheide u. a. Gegen 100 verschiedene Pflanzenarten sind in der Vegetation des Torfmoors vereinigt, darunter etwa 50, die den Hochmooren eigentümlich angehören. Sie alle tragen zur Bildung des Torfes bei, am meisten jedoch die fünf Sphagnum-Arten, von denen das kahnblättrige auf unserer Tafel abgebildet ist.
Das kahnblättrige Torfmoos ist das größte und kräftigste der deutschen Torfmoose. Unverzweigt steigt der lange Stengel aus der moorigen Tiefe empor, halb Leben, halb Verwesung. Er ist ziemlich regelmäßig mit kleinen dichtbeblätterten Ästchen besetzt, die zu zwei bis fünf an einer Stelle entspringen. Die winzigen Blättchen von kahn- oder löffelförmiger Gestalt bestehen aus einer einzigen Schicht langgestreckter Zellen, deren zarte Haut durch ring- oder spiralförmige Fasern an ihrer Innenseite vor dem Zusammenfallen bewahrt wird. Die Außenwände der Zellen sind von zahlreichen kleinen Öffnungen durchbrochen. Wenn die Umgebung des Blattes trocken ist, sind seine Zellen mit Luft erfüllt. In feuchter Umgebung aber fangen sie durch jene Öffnungen sofort soviel Flüssigkeit ein, daß sie davon strotzen. Zwischen diesen bleichen Luft- und Wasserzellen sitzen weit kleinere chlorophyllhaltige Zellchen, welche die Ernährung der Moospflanze besorgen und von den größeren bleichen mit Wasser versehen werden. An der Spitze des Stengels drängen sich die Äste rosettenförmig zusammen und tragen zum Teil senfkorngroße Sporenbehälter, die auf kurzen Stielen sitzen und nicht, wie die Sporangien anderer Moose, ein Mützchen tragen, sondern nur mit einem kleinen Deckel verschlossen sind. Bringt man Torfmoospolster mit schönen Sporangien aus dem Freien ins trockene Zimmer oder in die Sonne, so sieht man den Deckel mit einem leisen knipsenden Geräusch abfliegen und eine staubartige Sporenwolke aus der Kapsel hervorpuffen. Wahrscheinlich wird beim Eintrocknen der Kapsel die in ihr befindliche Luft so zusammengepreßt, daß sie das Deckelchen absprengt und die Sporen hervorschießt.
Der fast stets über das Moor hinstreichende Lufthauch trägt die Sporen fort und zerstreut sie auf der feuchten Unterlage. Hier entwickelt sich jede von ihnen zu einem äußerst feinen Geflecht verzweigter grüner Zellfäden. Man nennt dieses Zellennetz das Protonema. Einige Zellenreihen bleiben farblos, senken sich in die feuchte Unterlage und wirken als Saugzellen, andere sind lebhaft grün gefärbt und breiten sich wagerecht aus. Aus einer grünen Zelle des Protonemas wächst eine Knospe hervor, die allmählich zur wirklichen Moospflanze wird, sich in Stengel und Blätter gliedert und selbst Würzelchen in den Grund treibt. Am Gipfel des Moosstämmchens bilden sich zwischen den Blättchen versteckt männliche und weibliche Fortpflanzungszellen, die Antheridien und Archegonien, aus. Unter Mitwirkung des Wassers – häufig genügt ein auf den Gipfel des Stämmchens fallender Thautropfen – vereinigt sich der Inhalt des Antheridiums mit dem Archegonium, und nun wächst letzteres zu dem bekannten gestielten Sporenträger, der Mooskapsel oder Moosfrucht, wie sie unrichtig auch genannt wird, aus. Das Sporogonium ist vielmehr die ungeschlechtliche, das die Antheridien und Archegonien tragende Moosstämmchen die geschlechtliche Generation der Pflanze. Die Sporen sind als einzellige Ableger der ungeschlechtlichen Generation zu betrachten (s. auch Teil I S. 13, Astmoos).
Die größte Wichtigkeit besitzen die Torfmoose jetzt nicht mehr als Bildner von Brennmaterial, sondern durch ihre aufsaugende und Wasser haltende Thätigkeit. Die von ihnen gebildeten Hochmoore (so genannt, weil der Boden des Moors sich von den Rändern nach der Mitte zu wölbt) verhindern, daß sich das Regen- und Schmelzwasser unaufhaltsam in die Bäche und Flüsse ergießt und, die Ebenen überflutend, den Menschen Tod und Verderben bringt.
Stamm der Moose, Muscineae; Typus der Laubmoose, Musci; Familie der Sphagnaceen. – Ehrh. = Ehrhart, Apotheker in Stockholm, Schüler Linnés.