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Wildwachsend treffen wir das Alpenveilchen, das uns als Zierpflanze so gut bekannt ist, erst auf dem steinigen Boden der Alpenwälder. Dem knolligen, von oben nach unten zusammengedrückten Wurzelstocke entspringen langgestielte, fast lederartige, dem Boden aufliegende Flachblätter, deren Oberseite dunkelgrün aussieht, während die Unterseite mit dem schon beim Bohnenkraut erwähnten violetten Farbstoff, dem Anthokyan, versehen ist. Diese Färbung der Blattunterseite kann nicht den Zweck haben, das Chlorophyll vor allzu grellem Sonnenlichte zu schützen; denn das Alpenveilchen leidet an seinem Standorte eher an einem Zuwenig als einem Übermaß davon. Wahrscheinlich bewirkt das Anthokyan in diesem Falle ein Ansammeln der Lichtstrahlen und den Umsatz derselben in Wärme. Denn während ohne diese Folie an der Blattunterseite die Strahlen durch das Laub hindurchgehen und auf den Boden gelangen würden, werden sie von dem Farbstoff absorbiert und zum Nutzen der Pflanze verwendet. Anthokyan an der Blattunterseite trifft man daher immer nur bei solchen Pflanzen, welche grundständiges, dem Boden benachbartes Laub ausbilden und an schattigen Standorten wachsen.
Die zurückgeschlagenen Kronenzipfel der weiß, rosa oder purpurn gefärbten Blüten verbergen den fünfspaltigen Kelch und die glockenförmige Röhre, aus welcher der Griffel ein wenig hervorragt. Die Blüte lockt Bienen und Hummeln durch ihren Nektar und den eigentümlichen Cyclamenduft an, der große Ähnlichkeit mit dem Dufte des einblütigen Wintergrüns (s. Tafel IV) besitzt. Da die Blume gegen 10 Tage geöffnet bleiben kann, so ist die Aussicht auf Fremdbestäubung sehr groß. Dem eindringenden Insektenrüssel stellen sich vom freien Ende der Antheren abbiegende starre Spitzen in den Weg; ihre Berührung hat eine Erschütterung der Staubblätter und einen kleinen Pollenregen zur Folge, da der Staub nicht haftend, sondern puderförmig ist. Bei der nächsten Blüte kommt dieser auf dem Haarpelz der Biene sitzende Pollen mit der Narbe in Berührung. Man kann diese Fremdbestäubung leicht an den Zimmerpflanzen ausführen und erzielt dadurch schöne, große Samen, die im folgenden Jahre keimen und zu schönen, kräftigen Pflanzen heranwachsen.
Nach der Befruchtung fällt die Blumenkrone ab, die Fruchtstiele krümmen sich oder ziehen sich schraubenförmig zusammen, so daß die grünen Kapseln mit den noch unreifen Samen unter das Laub oder gar in die lockere Erde gelangen. Hier verbringen sie geschützt den Winter und gelangen erst im folgenden Jahre zur Reife. Infolge der Austrocknung des schraubig gewundenen Fruchtstieles werden sie nun wieder hervorgezogen und können durch die Füße vorüberstreifender Tiere verschleppt werden; oder sie öffnen sich und die Samen keimen an Ort und Stelle. Da sie mit einer fleischigen Samenschwiele versehen sind, so werden sie auch von den Ameisen aufgesucht und verbreitet. Außer dem europäischen Alpenveilchen, der Erdscheibe oder dem Schweinsbrot, werden auch ausländische Arten, z. B. das italienische, das persische, bei uns kultiviert. Der scharfe Saft des Wurzelstockes ist giftig.
Himmelschlüsselgewächse, Primulaceen. Kl. V. . August, September.