Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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50. An die Herzogin Anna Amalia

Durchlauchdigste Fürstin.

Der 18te September war der große Tag da der alte Vater und Frau Aja, denen seeligen Göttern weder Ihre Wohnung im hohen Olymp, weder Ihr Ambrosia noch Nectar, weder Ihre Vocal noch Instrumentthal Mucick beneideten, sondern glücklich, so gantz glücklich waren, daß schwerlich ein sterblicher Mensch jemahls größre und reinere Freuden geschmeckt hat als wir beyde glückliche Eltern an diesem Jubel und Freuden Tag – Niemahl hat mich mein Unvermögen eine sache gut und anschaulich vor zutragen mehr belästig als jetzt da ich der Besten Fürstin |:von Der doch eigendtlich alle diese Freude ausgeht, die doch eigendlich die erste Ursach aller dieser Wonne ist:| so recht aus dem Hertzen heraus unsere Freude mittheilen mögte – Es gerade nun wie es wolle, gesagt muß es nun einmahl seyn.

Ihro Durchlaucht unser gnädigster und Bester Fürst, stiegen |:um uns recht zu überraschen:| eine strecke von unserm Hauße ab kamen also gantz ohne geräusch an die Thüre, klingelten, traten in die blaue Stube u.s.w. Nun stellen Sich Ihro Durchlaucht vor, wie Frau Aja am runden Tisch sitzt, wie die Stubenthüre aufgeht, wie in dem Augenblick der Häschelhanß ihr um den Hals fält, wie der Herzog in einiger Entfernung der Mütterlichen Freude eine weile zusieht, wie Frau Aja endlich wie betruncken auf den besten Fürsten zuläuft halb greint halb lacht gar nicht weiß was sie thun soll wie der schöne Cammerherr von Wedel auch allen antheil an der erstaunlichen Freude nimbt – Endlich der Auftrit mit dem Vater, das läßt sich nun gar nicht beschreiben – mir war Angst er stürbe auf der stelle, noch an dem heutigen Tag, daß Ihro Durchlaucht schon eine zimmliche Weile von uns weg Sind, ist er noch nicht recht bey sich, und Frau Aja gehts nicht ein Haar beßer – Ihro Durchlaucht können Sich leicht vorstellen wie vergnügt und seelig wir diese 5 tage über geweßen sind. Merck kam auch und führte sich so zimmlich gut auf, den Mephisthoviles kan Er nun freylich niemahls gantz zu Hauß laßen, das ist mann nun schon so gewohnt. Wieder alle Gewohnheit waren dieses mahl gar keine Fürsten und Fürstinnen auf der Meße, das war nach Unsers Theuresten Herzogs Wunsch, Sie waren also gar nicht genirt – Am Sontag gingen Sie in ein großes Concert das im Rothen Hauß gehalten wurde, nachdem in die Adliche Geschellschafft ins so genandte Braunenfels, Montags und Dinstags gingen Sie in die Commedie, Mittwochs um 12 uhr Mittags ritten Sie in bestem wohlseyn der Bergstraße zu, Merck begleidtete Sie bis Eberstadt. Was sich nun alles mit dem schönen Cammerherrn von Wedel, mit dem Herrn Geheimdten Rath Goethe zu getragen hat, wie sich unsere Hochadliche Freulein gänßger brüsteten und Eroberungen machen wolten, wie es aber nicht zu stände kam u.d.m. das verdiente nun freylich hübsch dramatisirt zu werden. Theureste Fürstin! Sie verzeihen diesen kalten Brief der gegen die Sache sehr zu kurtz fält – es ist mir jetzt gantz ohnmöglich es beßer zu machen – ich bin den gantzen Tag vor Freude und Wonne wie betruncken, wen sichs etwas zu Boden gesetzt hat wird meine Vernunfft auch wieder zu Hauße kommen – biß dahin Bittet Frau Aja daß Ihro Durchlaucht Gedult mit ihr haben mögten. Uns ist jetzt nichts im Sinne, als die Freude des wieder Zurückkomens, da soll der jubel von neuem angehn. Gott bringe Sie glücklich und gesund zurück, dann soll dem alten Reihnwein in prächtigen Pocalen mächtig zugesprochen werden. Wüsten Ihro Durchlaucht wie oft wir mit Freudenthränen an Ihnen dachten, von Ihnen redeten, wie Frau Aja den Tag seegnete da die Beste Fürstin Ihrem glücklichen Land einen Carl August gebohren hat, Der wie es nun am Tage ist, nicht Seinem Land allein zum Heil gebohren worden, sondern auch dazu um auf unsere Tage Wonne Leben und seeligkeit zu verbreiten – Wie dann ferner Frau Aja sich nicht mehr halten konte, sondern in ein Eckelgen ging und ihrem Hertzen Luft machen mußte; so weiß ich gantz gewiß die Beste Fürstin hätte Sich unserer Freuden gefreut – dann das war kein Mondschein im Kasten, sondern wahres Hertzens gefühl. Dieses wäre nun so ein kleiner abriß von denen Tagen wie sie Gott |:mit dem seeligen Werther zu reden:| seinen Heiligen aufspart, mann kan hernach immer wieder was auf den Rücken nehmen und durch diese Werckeltag Welt durchtraben und sein Tagewerck mit Freuden thun, wenn einem solche erquickungs stunden zu theil worden sind. Nun Durchlauchdigste Fürstin! Behalten Sie uns in gnädigstem Angedencken – der Vater empfiehlt sich gantz besonders – und Frau Aja Lebt und stirbt als

Ihro Durchlaucht
unterthänigste treugehorsambste Dienerin
C. E. Goethe

Franckfurth d 24ten September 1779


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