Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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231. An Goethe

den 16ten May 1795

Lieber Sohn!

Vielen und hertzlichen Danck vor die überschickte Vollmacht! Nichts als dein Cathar weßen – |:da ich nun einmahl nichts von Cörpperlichem Unbehagen an dir leiden mag – weil ich mir gleich dabey allerley unruhige Gedancken mache:| konte mich heute etwas niederschlagen – und mir Wasser unter den Wein gießen – denn seit 14 Tagen schwimme ich in Vergnügen! Ursach? weil sich alles zu vereinigen scheint um mir die Unruhe des Aus und Einzugs zu erleichtern. Da du von dem Fortgang meiner Angelegenheiten gerne von Zeit zu Zeit unterrichtet seyn mögest, so vernim die vor mich gantz sonderbahr glückliche Wendung der Dinge. Heute vor 14 Tagen wurde die Punctation von beyden theilen unterschrieben – Schöf Schlosser |:der sie auch aufgesetzt hat:| war mein Zeuge – Herr Handelsmann und 51iger Ammelburg war des Käufers Zeuge – Die Punctation war |:wie mann es vom Schöf Schlosser erwarten konte:| ordentlich – deutlich und nichts vergeßen – Ein Punct darinnen besagte, daß ich im Hauß müßte wohnen bleiben, biß eine schickliche Gelegenheit sich mir darböte – und biß ich eine Wohnung nach meinem Gefallen finden würde. Nun hatte ich ein Ideal im Kopfe – worann ich selber zweifelte obs zu finden seyn dürfte – denn Erstlich solte es nicht weit von meiner jetzigen Wohnung entfernt sey[n], weil alle meine besten Freunde um den Fleck herum wohnen – Fingerlings – Metzler – Stocks – Hetzler – Moritz u.s.w. Zweytens sollte es eine schöne Aussicht haben – drittens 3 Zimmer an einer Reihe – und virtens alles was zur Haußhaltung gehört – großer Vorplatz – Küche – Speißekammer auf einer Etage. Gleich den Tag nach unterschriebener Punctation komt ein Mackler – und bietet mir ein logi mit allen oben benanten und verlangten Eigenschafften an – Auf dem Roßmarckt im Goldenen Brunnen – ja sage ich das mag wohl recht hübsch seyn aber es ist zwey Treppen hoch – Das sehen haben sie umsonst sagte der Mann – und wohl mir daß ich diesen klugen Rath annahm – einen Tag später und mein Ideal war an andre vermiettet – zum Haarausreißen wäre es gewiß gekommen! Nun ging ich oder beßer gesagt ich lief hin. Im hinaufsteigen prüpfte ich die Treppe sehr genau – nun fande ich sie sehr gut – auch nicht auserordentlich hoch – indem die Stockwercke obs schon ein neu Hauß ist – nicht so enorm in die Höhe getrieben sind – nun besahe den Vorplatz – schön – groß – wie ich ihn wünschte – wie ich aber in die Zimmer kam so kan ich dich auf Ehre versichern, daß ich dastünde wie simpel vor Erstaunen – nein eine solche Aussicht – eine solche Lage ist in der gantzen Stadt nicht mehr anzutrefen – die Küche ist hell und schön – eine große Speißekammer – großer Holtzplatz Summa Sumarum mein gantzes Ideal – was nun die zwey Stiegen betrieft; so war das nun gerade nicht in meinem Plann – allein ich überlegte, daß ich in unserm Hauß die Treppe mehr zu steigen habe, indem Kleider – Geräthe – porzelain u.d.g. alle obenauf sind – und dann, daß Frau Aja nicht herum läuft – sondern wen sie aus geht nur einmahl im Tag die nun an sich gute Treppe zu steigen hat – den Preiß wußte ich ehe ich es in Augenschein nahm nehmlich 400 f. – nun habe ich in unserm Hauß 900 f weniger 20 versessen – und meine Gemächlichkeit die ich davor hatte, ist dir am besten bekandt. Wem habe ich aber alle diese Freuden zu verdancken? niemand! als Gott und dir – du hast mich auf den glücklichen Einfall gebracht – meine noch übrigen Jahre in Ruhe verleben zu können. Davor bin ich nicht allein von Hertzen danckbahr – sondern da du vom Verkauf der Baumwißen 1000 t als Geschenck erhalten hast; so mache ich dir vom Verkauf der Weine ebenfals mit 1000 l ein Geschenck – das du Anfang Äugst auf welche Art es dir am gemächlichsten ist beziehen kanst – biß dahin gehen sie ab – und den eigendlichen Preiß – der noch bey mir nicht fest bestimt ist solst du als dann auch erfahren. Um nun gantz in Ruhe und Zufriedenheit zu kommen, so lege ich mit dem Überschuß der Weine ein Capital ab – daß ich mit Pfarrer Starck gemeinschaftlich besessen – und das Er jetzt zum Fortkommen seiner beyden verheurateten Söhne braucht – und mich drum ersucht – und ich Ihm auch bewilligt habe. Von den Alten weinen solt du noch 12 Vouteillen bekommen – nicht allein aber das sondern der Käufer unseres Haußes Herr Weinhändler Blum will von seinen Kostbahren Rüdesheimer – Hochheimer u. d. g. von jedem etwas beypacken – womit ich dir denn auch ein Geschenck gemacht haben will – Sollten die Weine – bey Ihro Durchlaucht oder sonst guten Freunden Beyfall finden; so empfehle ich den wircklich braven Mann – ich habe versprochen es zu thun – und entledige mich hirmit meines Versprechens. Noch eins! Ich habe verschiedne Sachen, die mir den Auszug erschwören würden – und vor die ich auch keinen Platz im neuen Quartir finden tönte – Als da ist das berühmte Puppenspiel – unser Fammilien Portrait wovon wenigstens die Rahme – und das Bret zum übermahlen noch tauglich sind – ferrner noch andre Rahmen – 3 Büsten von Stein – Itens Ihro Durchlaucht der Herr Herzog – Ltens Durchlaucht Herzogin Amalie – 3tens du selbst. In meinem neuen Hauße muß ich nun auf alles das Verzigt thun, aus Mangel des Platzes – entweder ich laße nun dieses alles Einpacken und schicke es mit einem Fuhrmann zu dir – oder ich verschencke es. In dem alten Hauß werde noch zwey Monath bleiben müßen – den das neue muß geweißt und verschiedne Dinge noch in Ordnung gebracht werden – So weit wären wir nun – was noch geschieht soll alles zu deiner Wissenschaft gelangen. Noch ein unruhig ^ Jahr dann hoffe ich froh und zufrieden – gantz ruhig dem Lauf der Dinge zuzusehen und jeden Alexander zu bitten, mir aus der Sonne zu geh«. Meine 3 Zimmer im Neuen Hauß Möblire ich hübsch und ordendtlich aber aller kling klang wird verkauft – Herr Blum hat Lust die Möbel in der guten rothen Stube zu kaufen – ich habe sie Taxiren lassen 15 Carolin ohne Lüster und Wandleuchter – gibt Er es nicht; so wirds mit allem andern Überfluß im öffendtlichen Ausruff verkauft. Erfreue mich bald mit ein paar Zeilen – und mache das Maaß meiner Freuden voll – Indem du mir die völlige Herstellung deiner Gesundheit verkündigest – biß soll mich mehr freuen als alles übrige. Lebe wohl! Grüße alles in deinem Hauße was dir Lieb ist von deiner

treuen Mutter Goethe.

N. S. Wenn das Geld wieder durch Herrn Banßa tönte an dich gelangen – der Canal wäre recht hübsch. So einen langenbrief habe ich lange nicht geschrieben – aber müde und matt bin ich auch –


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