Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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142. An Unzelmann

den 24ten Juni 1788

Lieber Freund!

Kranck bin ich nun eben im eigendlichen Verstand des Worts nicht – aber traurig – Mißmuthig – Hoffnungsloß – niedergeschlagen das ist vor jetzt mein Looß – und die ursach meines nicht schreibens. Wenn Orsina recht hat, daß die unglücklichen sich gern aneinander ketten; so ist der Gegensatz eben so wahr, daß der Glückliche die Gefühle des unglücklichen selbst mit dem besten Hertzen und Willen, doch nicht mitempfinden kan – Ein Armer wird den Druck der Armuth nie stärcker fühlen, nie unzufriedener mit seinem Schicksahl seyn, als in Gesellschaft der Reichen – da da erniedrig da beugt ihn sein Mangel doppelt – und jedes Wort sey es noch so unschuldig – noch so unbedeutent wird ihm als Spott als Satire auf seine Armuth vorkommen – jedes lächlen wird ihm Hohn über sein Elend düncken – den nie ist der unglückliche gerecht – sieht alles durch ein gefärbtes Glaß – beurtheilt alles schief. Meine eigne Erfahrung meine jetzige Gefühle leisten mir die Gewähr daß vorstehendes Gleichnüß überaus paßend und trefendent ist: den Lieber Freund! Können Sie wohl glauben daß einige Ihrer Briefe mich so niedergedrückt so traurig gemacht haben, daß ich Mühe hatte wieder empor zu kommen – und ob ich schon fest überzeugt war, daß es Ihre Meinung gantz gewiß nicht geweßen ist mich zu kräncken; so thats mir doch in der Seele weh daß ein Umgang von vier Jahren Ihnen noch nicht gelernt hat die Nerfe unberührt zu laßen, wo ich |:mit Don Carlos zu reden:| immer Gichter spühre, und in Ewigkeit spühren werde. Hieraus können Sie sehen wie übel gestimt die Saiten meines Gemüths sind – und daß ich deßwegen nicht schriebe, um Ihren Humor nicht zu trüben – um Ihr Glück nicht zu stöhren. Mit dem Maintzer Theater |:ich kan nicht mehr sagen mit dem hisigen:| geht auf Ostern allerdings eine große Veränderung vor – der Sage nach, hat Herr von Dahlberg alles übernommen und Tabor hat gar nichts mehr zu sagen oder zu thun sein Regiment hat in Maintz ein Ende – Wie es aber nun uns ergehen wird, weiß ich nicht – kümmre mich auch nicht drum – meine Schauspiel Freude ist vorüber – und alles ist vorbey! Herr Widemann wird jetzt bey Ihnen seyn, und Herr Franckenberg wird ehestens zu Ihnen kommen – von denen können Sie die Sache gründlicher und am besten erfahren – auch was seit Ihrer Abreiße neues an Opern und Schauspielen gegeben worden ist – vor Zeiten hätte mir so eine Dramaturgi großen Spaß gemacht – aber dazu gehört gute Laune – vergnügtes Hertz – Hoffnung die Leib und Seele erfreut – wehen des Geistes der den toden Buchstaben Leben gibt – dieses ist aber einem Toden |:und Moralisch ist das jetzt mein fall:| ohnmöglich. Die Commedien Zettel habe alle richtig erhalten – dancke aufs beste vor Ihre gütige Aufmercksamkeit – zum ewigen Andencken wie vergänglich alles in dieser Werckeltags [welt] ist werden sie wohl aufgehoben – den wer mir 1785 Prophezeiht hätte von Ihnen dergleichen zu erhalten – dem hätte ich das Propheten weßen auf eine garstige art legen wollen. Leben Sie vergnügt und glücklich – diß ist mein innigster und sehnlichster Wunsch – dencken zuweilen an die jenige die zwar allen Wünschen vor sich auf immer entsagt hat, aber doch ist

Ihre Freundin
Elisabeth.


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