Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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225. An Goethe

den 19ten Jenner 1795

Lieber Sohn!

Den besten und schönsten Danck vor deinen Willhelm! Das war einmahl wieder vor mich ein Gaudium! Ich fühlte mich 30 Jahre jünger – sahe dich und die andern Knaben 3 Treppen hoch die preparatoien zum Puppenspiel machen – sahe wie die Elise Bethmann brügel vom ältesten Mors kriegte u.d.m. Könte ich dir meine Empfindungen so klahr darstellen – die ich empfand – du würdest froh und frölig seyn – deiner Mutter so einen vergnügten Tag gemacht zu haben – Auch die Romantzen die Reichart zum Glück vor mich in den Clavier sch[l]üßel gesetzt hat machten mir große Freude besonders was hör ich draußen vor dem Thor – was auf der Brücke schallen? die wird den gantzen Tag gesungen – also noch einmahl vielen Danck. Freund Stock war über deine Güte und Höfflichkeit sehr gerührt auch in seinem Nahmen dancke ich – Schlossern habe sein Exemplar so gleich überschickt – dem wird es auch wohlgethan haben, nun noch etwas vom äußern – was ist das vor herrlich Papier was vor vortrefliche Lettern!! das ließt sich mit Lust – Tausendt Danck daß du das herrliche Werck nicht mit Lateinischen Lettern hast drucken laßen – ich habe dir es schon einmahl geschrieben daß ichs nicht ausstehn kan. Jetzt von meinem Thun und laßen nur so viel, daß ich Gott Lob bey der entsetzlichen Kälte auser einem Cathar mich wohlbefinde – daß ich meinen Oberauditor nebst Ehegemahlin noch zur Einquartirung habe, daß es vor jetzt hir gantz ruhig ist |:versteht sich wegen der Frantzosen:| denn sonst ist Lerm und Romur genug bey uns – die gantze Armme wird von hiraus versorgt 500 Wagen gehen beständig hin und her – mann weiß weder obs Sonn oder Werckeltag ist – Wenn nicht Friede wird, so fürchtet mann sehr aufs Frühjahr – Ich habe mich Gott sey Danck noch nie gefürchtet – und jetzt mag ich nicht anfangen – müßens abwarten – nehmen einstweilen die guten Tage mit – und grämen uns nicht vor der Zeit – Ein einziger Augenblick kan alles umgestalten. Schlosser lebt jetzt in Anspach – Ihm gefälts wohl – aber die Schlossern der ist ihr Mährgen in Brunen gefallen – alles war drauf angelegt in Düsseldorf den Frieden abzuwarten – nun sind die Jacobis selbst nach Wansbeck emigrirt. Noch eins! die Fortsetzung vom Willhelm wird doch nicht lange ausenbleiben – denn ich habe ihn noch nicht binden laßen – laße einem nicht so lange auf die Forsetzung harren – denn ich bin gar begirig drauf. Lebe wohl! Küße den kleinen Augst – auch deinen Bettschatz von deiner

treuen Mutter
Goethe.
N. S. Ein päckgen ich glaube es war von deiner Hand, an Semmering ist sogleich besorgt worden.


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