Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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156. An Unzelmann

fortgeschickt den 9ten Mertz 1789

Lieber Freund!

Wenn Sie Ihre Briefe geschrieben, gesiegelt und fortgeschickt haben; so ists eben als hätten Sie aus dem Fluß Lethe getruncken, alles ist aus Ihrem Gedächnüß so rein verwischt, daß nicht eine spur davon übrig bleibt – den wie wäre es sonst möglich, daß Sie den Ausdruck Meisterstreich kränckend gefunden, der doch nichts anders sagt und Ausdruckt als was Sie selbst in allen Ihren Briefen gesagt und ausgedruckt haben. Soll ich Ihnen etwann Condoliren daß Sie und die Frau Gevatterin Den größten Beyfall haben – daß die letzte der Liebling einer der größten Königinnen ist, daß Sie alles verdrängt – daß der König selbst gesagt hat, Sie sänge beßer als die W. und diese mit Schande abziehen und den Kampfplatz verlaßen mußte – Daß als in Pozdamm gespielt wurde der König 900 rth in die Caße verehrt |:N. B. mir und der Gevatterin schreiben Sie:| Daß Sie ein Benefitz Concert gehalten wo |:laut den Nachrichten aus den Zeitungen:| der König 40 Friederich dor die Königin 10 – und übrigens das Hauß gepropft voll war – daß Sie Werther Freund im Fiesko und andern Rollen vom König sind ablautirt worden u.d.m. Dieses alles verdient doch warlich keine Jerimiaden! Auch die Frau Gevatterin schrieb |:nicht an mich Den was solte Sie dazu bewegen:| sondern an St. daß Sie auf den Händen getragen würde daß das der Ersatz vor die Leiden der 3 letzten hir zugebrachten Jahre wäre u.s.w. O! wie froh |:dachte ich bey allen diesen herrlichen Nachrichten:| müßen jetzt diese gute Menschen seyn – mit Schaudern müßen Sie an Ihren hiesigen Aufenthalt zurück dencken – wo Neid, Cabale, Zurücksetzung, Ihre Tage verbitterte. Da diese so eben erzählte Begebenheiten nicht etwa wischi waschi von andern, sondern Reelle Facta aus selbst geschriebenen Briefen sind; so kan ich mein Urtheil ohnmöglich zurück nehmen, sondern behaupte gegen jeden wer es auch sein mag, daß das von hir weg, und nach Berlin gehen – ein – Meisterstreich war. Daß Sie Sich über meine arme Briefe geärgert haben – das begreife ich nun vollends gar nicht – ich werde doch ohne Ärgernüß zu geben nach dingen die mein sind fragen dürfen? Zumahl da sie Ihnen nichts nutzen – Was dient Ihnen 1 theil vom deuschen Mercur? und mir machts meine gantze Sammlung defect – und was soll der Maintzer Sattler mit meinen Möbelen machen, was gehn die ihn an? Haben Sie die Güte |:aber ärgern Sie Sich nicht:| und schicken mir den Mercur – und geben mir Anweißung nach Maintz dieweil die Truppe noch dort ist – Das müßen nun wohl freylich seltsame dinge seyn – die Ihnen das Recht gäben Ihren Contrack nicht zu halten – da ich nun in dieses Geheimnüß nicht eindringen kan; so bin ich auch außer Stand davon zu urtheilen, nur aus alter Freundschaft bitte und ersuche ich Ihnen thun Sie keinen unüberlegten Schritt, den Reue nach der That nutzt zu nichts, und ist das peinlichste Gefühl von allen Gefühlen. Hierher wolten Sie kommen? warum? zu was Zweck? ist denn Ihr angagement in Maintz schon so gewiß, daß Sie nur zu kommen brauchen? und wenn das auch wäre – hat sich denn die Truppe in dem Jahr so umgeändert? meines wißens sind alle die Odiosen Menschen die Ihnen von hir wegtrieben noch da und bleiben auch da – was in aller Welt kommt Ihnen den auf einmahl an? aus dem Paradieß wieder ins Fegfeuer – da mache mir einer einer einen Vers draus! Nun nun, das war einmahl eine üble Laune die wird sich schon legen – nicht wahr, ich habe es errathen? Es werden schon wieder Musterhafte Briefe kommen die den bißherigen entsprechen und worüber sich Ihre Freunde freuen können. Göschen ist ein L........d da schickt er den 8ten Band wieder in Papier gebunden wie die 4 ersten theile – was ihn nur vor ein Narr gestochen hat den 5ten theil so prächtig einbinden zu laßen? Aber er soll sein Fett kriegen, ich habe eine Epistel an ort und stelle geschick, und mich gegen dieses unmusterhafte Betragen höchlich beschwert. Ich hoffe daß Ihnen dieser theil einige vergnügte Stündger verschafen wird. Wie ist dann die Teufels Oper mein großes Leibstück aufgenommen worden? Das wäre warhaftig ein großes Unglück geweßen wenn Sie dem Herrn C. das Auge ausgestochen hätten – Er soll ein sehr schöner Mann seyn – und eine pasionirte Liebhaberin haben – die würde es Ihnen sauber und hübsch gelohnt haben – Mit dem Ring bin ich noch sehr unschlüßig was ich mit thun soll – den innern werth hat ein hiesiger Jubelirer auf 20 Carolin geschätzt – aber davor ihn behalten – das will er doch nicht, und das Geboth von einem andern Herrn von seinen Colegen nehmlich 130 f ist doch gegen den innern gehalt zu gering – Ich will mir noch mehr Mühe drum geben, villeicht bringe ich ihn höher an – wo nicht, so schicke ich ihn zurück – doch nicht ehnder als biß ich wieder Nachricht von Ihnen habe. Am Friederichstag ist die Stockin mit einem Sohn niedergekommen der auch Fritz getauft wurde – Sie und ihr braver Mann, laßen es Ihnen und der Frau Gevatterin Notificiren. Ich wünsche daß Sie von dem neulich gethanen Fall bald völlig wieder hergestelt seyn mögten – laßen Sie Sich so etwas zur Warnung dienen, und nehmen Sich in Zukunft in acht. Das war wieder einmahl eine lange Sermon – auch sage nur noch, viele Grüße an die Frau Gevatterin u den kleinen Carl – nachdem treuen plumpspiel muß ich mich doch auch erkundigen – ist er noch so ein Freund von Kalbsknochen – sie haben ihm bey mir oft sehr wohl geschmeckt. Leben Sie wohl! dieß wünscht

Ihre
Freundin Elisabeth.


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