Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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230. An Goethe

den 1ten May 1795

Lieber Sohn!

Endlich erscheint Gott sey Danck die Zeit daß ich das Hauß um 22000 f im 24 fuß verkaufen kan – die Last die ich bißher getragen habe wurde mir sehr beschwerlich mit jedem der es sehen wolte mußte ich |:wie nathürlich:| vom Boden biß in den Keller hinauf und herab steigen, das meinen ofte von Schmertz beschwerten Beinen eben kein Labsal war – und so bald sie den Preiß von 2000 Carolin hörten kam keiner wieder – ein eintziger |:Professor Bouklair:| bote 18000 f Die Ursach läßt sich leicht erklähren – vor 40 Jahren war unser Hauß eins der schönsten in der Stadt – der Lussus ist seit der Zeit nun so gestiegen – daß es vor sogenandte Vornehme und reiche Leute die jetztige Modische Herrlichkeiten nicht hat – keinen Saal wo 40 Persohnen speißen können – in dem Vorderhauß in allen Zimmern Durchzüge – auch sind die Zimer den vornehmen Leuten nicht hoch genung u.s.w. Leute von einer andern Gattung war es wieder zu hoch im Preiß – zumahl da es nur eine Küche hat – Der jetzige Käufer ein junger Weinhändler macht seine Hauptspeculation auf den Keller – da ich nun die Sache recht sehr zu frieden bin; so kommt es jetzt hauptsächlich auf dich an denn Schlosser ist das weiß ich zum Voraus alles recht – Vernim also die Contizionen es wird also um 22000 f im 24 f verkauft 4000 f in eben dem Fuß werden gleich abgelegt – 18000 f bleiben drauf stehen und werden als Insatz im Römer eingeschrieben – in 3 Jahren werden wieder 4000 f abgelegt – bist du es nun zufrieden so schicke mir |:wenns möglich ist:| mit ehester Post deine vitimirte Einwilligung – Herr Schöf Schlosser – und Freund Stock wollen mir in allem mit Rath und That an Händen gehn – diesen Nachmittag kommt Schlosser zu mir – um einstweilen die Puncte zusamen zu überlegen – ich will zu dem Ende diesen Brief noch ofen laßen um dir die Unterredung mitzutheilen. Ein Hauptpunct ist – daß ich nicht ausziehe biß ich ein vor mich anständiges Logi ausgemacht habe – den in den paar Jahren als ich villeicht noch hir bleibe verkriege ich mich in kein Loch. Noch etwas das mir den Kauf annehmlich gemacht hat, ist, das Taxiren eines im übrigen gantz braven Zimmermeister das ich dir beylege – daß also kein Mensch sagen kan mann hätte es verschleudert. Herr Schöff Schlosser war da es ist doch ein gefälliger braver und thätiger Mann – Er hat alle Puncte so schön aufgeschrieben – daß nichts dran Auszusetzen ist – Heute werden sie von dem Käufer und mir einst weilen unterzeichnet biß die von dir und Schlosser vidimirte Vollmachten ankommen – da als denn der rechte Kaufbrief nach der Ordnung unterschrieben und besiegelt wird. Auch will Herr Schöff Schlosser den Kaufbrief selbst verfertigen – das ist recht Freundschaftlich. Es scheint sich alles zum besten vor deine alte Mutter anzuschicken – indem auch ein Logi in der schönsten Gegend der Stadt nehmlich auf dem Roßmarck wird zu haben seyn – Morgen will ich es besehen. Wie will ich so froh seyn wenn ich auf dem Roßmarck heraus kucke – und die Last die mich nun schon lange drückt loß seyn werde – den Gott weiß was es mit dem Frieden noch gibt. Gestern z.E. Canonirte es wieder den gantzen Tag fürchterlich in der Gegend von Maintz – Ich weiß du gönst mir in meinem Alter noch die bevorstehnende Ruhe – und schickt deine Einwilligung sogleich nach Empfang dieses. Lebe wohl! Ich bin ewig

deine treue Mutter
Goethe.

N. S. Der Brief war schon gesigelt aber auf wohlmeinenden Rath Herrn Schöff Schlossers mußte die Taxtation des Haußes welche ich dir beygeschloßen hatte wieder heraus nehmen und zu dem Ende hir behalten daß im Fall der Käufer von meiner minderjährigen Enckelin auch sicherheit begerte – dem hisigen Curatel Ammt die Schätzung vorgelegt werden könte daraus den zu ersehen wäre – wie das Hauß um 7000 f höher als die Taxtation verkauft worden wäre – indem der Geschworne Taxtator es um 14000 f im 22 f fuß also ohngefehr zwischen 15 und 16000 f im 24 f fuß geschetzt hat. Lebe wohl! und Antworte bald.


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