Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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149. An Unzelmann

den 13ten November 1788 Abens 10 Uhr.

Lieber Freund!

Es ist ein gutes Zeichen der Freundschaft wenn man auf Briefe hoft und haret – mir gings eben so – hundertmahl bekuckte ich den Datum ihres vorletzen Briefes – ist möglich! den 3ten Oktober! und seit der Zeit keine Zeile – Endlich erschiene am 13. November Ihr Lieber mir so angenehmer Brief – und tröstete mich und erfreute mich gar sehr – nur die Nachricht von dem Tod Ihrer Lieben Frau Mutter dämpfte mein Vergnügen in etwas. Gott setze Ihnen die Jahre zu, die die Selige noch hätte leben können – und mache sie so glücklich in Ihrer noch zu laufenden Bahn – als Ihre Freundin es wünscht – dann werden Sie ein beneidungs würdiger Sterblicher seyn und bleiben Amen. Morgen ein mehreres. Den 14. Abens 5 Uhr – Diese Nacht träumte ich von Fetten Hämlen, großen Kufen mit alten Wein – Die dicke Iris als eine große Traum(deu)terin provezeiht großes Glück – vor der Hand ists gerade das Gegentheil – ich habe in dieser Nacht, ein so entsetzlich geschwollenes Gesicht gekriegt – und sehe so fürchterlich aus wie Atzor – Schlucke Arzeney die wie der Teufel und seine Großmutter schmeckt. Den 16. ich bin noch nicht so gantz wiederherstelt – sitze einsam in meiner Krankenstube – will versuchen ob das Schreiben an Ihnen mir wohlmacht. Da alles was das Maintzer und hiesige Theater angeht Ihnen Intresirt so sollen Sie von groß und kleinen Begebenheiten von Zeit zu Zeit genaue Nachricht erhalten. Koch der wegen der Gevatterschaft etliche mahl bei mir war, lag mir auserordentlich an Ihm doch ja nur einen Wink zu geben – wenn es Ihnen etwann nicht mehr in Berlin gefiehle – Wie ich nun keinem traue, sagte ich davor wirds gute Ruhe haben – Sie sind beyde so beliebt daß der Fall der sie wieder herbrächte sich kaum denken läßt – Er schine verblüpft – Er glaubte da meine Freundschaft vor Ihnen ihm bekandt ist – ich würde vielleicht mit großen Exclamationen heraus platzen – und mit Freuden und Begeisterung alles sagen was ich auf dem Hertzen hätte – aber dazu bin ich zu klug – daß die jetzige Enterprise nicht Bestand hat, das glaubt jedermann – Wenn Sie und die Frau Gevatterin mir in Ihrem ersten Brief an mich feyerlich angeloben meine gutgemeinte Nachrichten bloß vor sich zu behalten – und keiner Seele auch ihren Feinden nicht das geringste davon merken zu laßen – sondern es nur dazu brauchen und nicht wie ehemals in Maintz geschehen Schlangen zu nähren, die Ihnen stechen; so sollen Sie erfahren wer der ist, den das Organ in seinem Brief meint. Aber noch einmal seye es gesagt – keinen andern als obig Benanten gebrauch davon zu machen: denn da mir das Theater keine Freude mehr gewährt – so verbitte ich mir auch alles Unangenehme – Die Willmans werden nun bey Ihnen seyn – Das Mädel ist gut – das gibt ihr das gantze Theater Zeugnüß aber der Papa der Papa, das ist ein sehr bößer Mann – vor dem hüten Sie Sich so viel es in Ihrer Macht steht. Ich warte sehnlich auf die Ankunft von G. Spaur – habe aber noch nicht erfahren, ob Er wieder in Maintz ist – Sie sollen es sogleich erfahren – die dicke Iris war in allen Buchläden – und die Buchläden wollen sehen daß Sies schaffen können – vor der Hand ist es aber noch nicht da. Don Carlos! Ey ey! Aber die Rollen? Mein schöner Mandel spielt der auch mit?? Daß die Frau Gevatterin bei der Königin so in gnaden steht freut mich – Ihro Majestät sollen auch eine große Freundin vom deutschen Theater sein – Hier gabs ehemahls auch so eine Frau die zwar freylich keine Monarchin aber doch sonst eine gute Art von Frau war – und die sich ergötzte wenn die Frau Gevatterin bey ihr am kleinen klimper kleinen Tisch saße und die trinne den Reißauflauf oder die Gelee Paßtete wohl und schmackhaft zu bereitet hatte. Hier schicke ich des Organ seinen Brief zurück. Ihnen sage ich kein sterbens Wörtgen drüber – aber der Frau Gevatterin will ich meine Gedanken eröffnen.– aber unterstehen Sie Sich nicht diese Epistel nur anzurühren – geschweige solche zu leßen – Wagen Sie so was nicht, bei meinem Zorn u.s.w. Doch den Anfang könne Sie hören: er fängt an wie die asiatische Banise – Blitz, Donner und der Hagel – Was aber hernach kommt – brauchen Sie nicht zu wissen – denn ich wills nicht haben, und damit punctum. Mein Steckenpferd wollen Sie wissen – Ey warum nicht gar! Es ist ein Braves Thier das bei einem bleibt, und nicht 60 meilen auf und davon läuft – Das man auch in Krankheit und übler Laune haben kann – Gestern hätte ich Ihnen |:voraus gesetzt Sie wären noch in Maintz geweßen:| einen Eilboten geschickt, und Sie höfflichst ersucht mich heute in meinem jammer zu besuchen – ja es hat sich was zu schicken! Alle 4. 5. Wochen einen Brief – Das ist mir eine saubre Wirthschaft! Da sitze ich und trinke Nasser wie der Senecka und morgen steht mir eine Lacksirung zu Dinsten – Da kan mann sich ja freuen. Aber dem seye nun wie ihm wolle, so sticht mich der kitzel Ihnen aber im höchsten Vertrauen |:der Frau Gevatterin können Sies sagen:| einen spaß zu erzählen der dem Schauspieler Eike geariviert ist. Dieser Mensch hat nun einmahl das Unglück daß ihn beynahe kein Mensch mag – besonders wenden die Damen alle ihre holden Anglitzer weg, so bald er auftritt – warum ich nun einen gantz besondern pick auf ihn geworfen habe kommt daher weil er meist alle Ihre Rollen spielt – welches dann nun nicht wohl anzusehn ist. In dem Mannegtißmus machte er den Vendius – der Tramaturgen schreiber fensterte ihn gewaltiglich aus wie Sie in den Blättern selbst leßen können. Darob ergrimtedas Männlein so, daß er dem Professor Schreiber ins Hauß läuft und ihn bemaulschelt – Der klagt bei der hisigen Obrigkeit – und ihm wird auferlegt – Erstlich dem Professor in dem Römer öffentliche Abbitte zu thun. Zweytens alle Kosten der Advokaten zu bezahlen und drittens 8 Tage auf die Hauptwache ins Gefängniß. Nun mußt er den Abend im Felicks spielen |:er machte den Baron Jachthols:| so bald er sich auf der Bühne blicken ließ, erthönten von oben unten in der mitte an die 20 pfeifen, die waren Euch so hell als wärens Canarien Vögel – nun mußte er eine arie singen – da gingen nun all die pfeifen mit und machten ein Concert zum erstaunen des gantzen Publikums. Gott mag mir meine Sünde vergeben! Jederandre sogar der geringste hätte mich gedauert, aber der gewiß nicht – das hat er am Wachtmeister am Brandgen – am kriebler und am Wolf im Otto verdient Ich hoffe wir sehn ihn hir nicht wieder – Die Kaufleuthe und die Gelehrten sind so gegen ihn aufgebracht – daß er wohlthut wenn er geht. Die Gräffin von der Lippe drehte sich während dem Spektakel zu mir – und sagte ach unser Amour! daß Gott erbarm! Die Bethmann die den Koch schon um alles gebethen hat ihr den Menschen wegzuthun – lachte |:das sonst ihre Sache nicht viel ist:| aus Leibeskräften. Ihnen kans nicht so viel Intereßiren weil Sie das Monstrum nicht kennen – aber allen Anhängern von Ihnen thats in der Seele wohl. Thurneißen kam zu mir und sagte – gelt da hat Sie einmahl eine Freude gehabt. Eine Feder ist rund abgeschrieben – Diesen langen Brief haben Sie meinem Affengesicht zu danken – das Schreiben thut mir heute wohl. Von St. habe noch nichts erhalten – so bald ich was bekomme sollen Sie theil dran haben. Diesen Morgen leße ich die Berliner Annalen, die mich einestheils vergnügten, weil von der Frau Gevatterin und von Ihnen so viel Gutes gesagt war – Aber eins ärgerte mich – wer in aller Welt mag das seyn, der den Wollschofski als jürge in den beyden Billiet gesehen hat, und ihn loben mag – Nein das ist zu toll – dem Verfaßer glaube ich nun kein Wort mehr – Die Leute sind herausgelaufen – wie im Jurist und Bauer – und beyde Stücke waren sonst dem hisigen Publicum so lieb. Wenn die Journalisten anfangen so partheiisch denn gute Nacht Literatur. Laßen Sie doch auch einmahl etwas von dem alten Döbelin hören – was hat er denn zu Ihnen gesagt? Hat er sich nicht gefreut Ihnen so Musterhaft wieder zu sehn? Schreiben Sie mir doch auch von Ihren neuen Bekandtschaften – wie überhaupt alles was Ihnen dort Freude macht – Das ist wahrhaftig ein Brief nach dem alten stiel – als wenn es nach Caßel sollte. Alles grüßt Ihnen – und die Frau Gevatterin – das thue ich nun auch und zwar mit der Versicherung daß ich mit Wahrheit bin

Ihre Freundin
Elisabeth.

N. S. Jetzt ists 1 uhr da will ich meine Suppe eßen dann schlafen gehn und Morgen als den 17. November dieses fortschicken. Laßen Sie einem nicht wieder 5 Wochen warten, sonst gibts ein Unglück.


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