Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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94. An Friedrich von Stein

Frankfurt, den 9. Jenner 1784.

Lieber Sohn!

Vielen Dank vor Ihren lieben Brief, er hat mir große Freude gemacht, – es geht Ihnen also recht gut bei meinem Sohne, – o, das kann ich mir gar wohl vorstellen. Goethe war von jeher ein Freund von braven jungen Leuten und es vergnügt mich ungemein, daß Sie sein Umgang glücklich macht. Aber je lieber Sie ihn haben, und also gewiß ihn nicht gern entbehren, je zuverläßiger werden Sie mir glauben, wenn ich Ihnen sage, daß die Abwesenheit von ihm mir ofte trübe Stunden macht. Sie, mein kleiner Freund, könnten nun da ein großes gutes Werk thun, – zumahl da Sie mich lieb haben, so wird es Ihnen gewiß nicht sauer ankommen, hören Sie, lieber Freund, meinen Vorschlag, – da Sie beständig um meinen Sohn sind, also mehr von ihm wissen, als Jeder andere, wie wäre es, wenn Sie so ein kleines Tagebuch hielten, und schickten es mir alle Monath, – viele Arbeit soll das Ihnen gerade nicht machen, nur ohngefähr auf diese Weise; »Gestern war Goethe im Schauspiel, Abends zu Gaste, – Heut hatten wir Gesellschaft«, u.s.w. Auf diese Weise lebte ich gleichsam mitten unter Euch, – freute mich eurer Freuden, – und die Abwesenheit verlöre viel von ihrer Unbehaglichkeit, – eine kleine Zeile Morgens oder Abends geschrieben, – macht Ihnen wenig Mühe, mir aber würde es unbeschreiblich wohl thun, – überlegen Sie die Sache einmahl, ich glaube, es geht.

Wenn mein Sohn einmahl nach Frankfurt kommt, müssen Sie mitkommen, an Vergnügen soll es dann nicht fehlen, wenigstens wollte ich Alles zur Freude stimmen. Nun, das kann ja wohl einmahl geschehn, – Inzwischen behalten Sie mich lieb, ich verspreche Ihnen desgleichen, Grüßen Sie meinen Sohn, und seyn versichert, daß ich ewig bin

Ihre
wahre Freundin und treue Mutter
Elisabeth Goethe.


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