Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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67. An Großmann

Franckfurth den 16ten November 1780

Lieber Herr Gevatter! Schon längst hätte ich Ihnen erzählen können warum die Rahmen noch nicht fertig sind, und worans hangt und langt; nehmlich jede soll 10 gulden kosten, weil wegen dem Ovalen sehr viel Holtz verschnieden werden müßte. Da mir das nun verwünscht theuer schien; so wolte es Ihnen erst berichten, und warum dieses nicht geschehen, sollen Sie jetzt gleich hören. Erstlich war der Herr Rath auf den Todt kranck, und das biß jetzt vor ein paar tagen, da sichs wieder sehr gebeßert hat. Zweytens war zu gleicher Zeit die Herzogin Mutter auf 12 Tage hir, noch überdiß kam auch noch drittens mein Schwiegersohn Schlosser mit Frau und Kindern angemarschirt – da ging es nun freylich etwas bunt durcheinander, und ans Schreiben war kein Gedancke. Auch muß ich bekennen, daß ich eine kleine Schadenfreude habe, den Herrn Minister als Haußaresttant unter meinem Beschlag zu haben. Es mag ein gantz guter Mann seyn, aber daß Er bey Ihrem letzten hirseyn, alles zur unzeit that läßt sich nicht leugnen; da geht Er dem Maximilian entgegen, und mein guter Herr Gevatter schickt die stafette ohne allen nutzen in die weite Welt. Jetzt hat Ihn der Geyer wieder nicht an Ort und stelle: mit einem wort ich habe einen pick auf die Exzelentz, und Er kan in Gottes nahmen Sich noch in meiner Commodeschublade amusiren wie Er mag und will. Daß die Ge[se]llschafft deuscher Schauspieler in Deobalds Saal noch tag täglich ihre Bühne eröffenen und Trauer und Lustspiele nach Hertzens gelust aufführen, wird Ihnen durch die Fama wohl zu Ohren gekommen seyn. Am vergangenen Samstag war ich zum erstenmahl auch drinnen; es wurde ein Moralisch Ding Armuth und Tugend aufgeführt, und ohngeachtet es Hundekalt im Saal war, so kriegte ich doch vor Angst so rothe Backen, als wenn fingers dick der Der Carmin drauf läge. Die armen Leute Heulten und Greinten so erschröcklich, als wenn sie die Daumen schrauben an Händen und Füßen hätten – Besonders war das auf die Knie fallen vor einem Wohlthäter u. s. w. ausnehmend ängstlich, und that allemahl einen solchen plotz, daß ich alle Kniescheiben vor verlohren gab – der Vorhang fiel endlich zu meiner großen erquickung – drauf wurde die Weinlese gegeben, und das gerithe nicht übel, der Prinzipal der Fischer heißt, ist ein guter Comischer Schauspieler und die andern waren auch alle beßer in ihrem Fach – Mann konte doch vor seine 30 xr sich satt lachen, und das war doch allemahl das Geld unter Brüdern werth – zumahl da wir auch noch mit einem Balet Regalirt wurden. Einen jungen Mann haben sie, der, wenn Er gute Muster vor sich sähe, zu Liebhaber Rollen, gut werden könte weil Er auf dem Theater sehr gut aussieht, vorjetzt merckt mans ihm aber noch zu viel an, daß es nur gespielt ist. Die Weiber machens doch im Schreiben wie im Reden ists einmahl im gang klipp klapp gehts wie eine Mühle – Gott seye dem gnädig der mit vielen Correspondite! Jetzt nur noch viele grüße an Weib und Kinder, und dann Gott befohlen. Ich bin wie Sie längst wißen,

Ihre wahre Freundin Goethe.

N. S. Wegen der bewußten Geld sache bin ich überzeugt, daß es Ihnen selbst wehe gethan hat, daß Sie nicht den versprochenen Termin einhalten konten. Eben so überzeugt bin ich, daß Sie alles anwenden werden Ihre Frau Gevatterin nicht stecken zu laßen – Indem ich mir wenigstens einbilde daß Ihnen an meinem Credit etwas gelegen ist; also kein wort mehr Punctum.


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