Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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138. An Unzelmann

Den 29ten Aprill 1788

Lieber Freund!

Ihren Brief aus Leipzig und den aus Berlin habe mit Vergnügen geleßen den aus beyden ist klahr zu ersehen, daß Sie unsere gute Stadt und Ihre Freunde noch nicht vergeßen haben – es würde aber auch ungerecht von Ihnen seyn, denn das Glück mag Ihnen in andern Zonen noch so freundlich lächlen; so werden Sie doch nie bereuen vier Jahre bey uns gelebt und geweßen zu seyn. Den Tag Ihrer Abreiße schickte ich die dicke Iris mit einem warmen prächtigen Kuchen, etwas Tyrannen Blut – einem sehr wohl stilisirten Abschiedsschreiben in Ihr logie – aber eine mitleidige Oreade rief aus der Bretternen Wand – |:den es gab da keine Felsen:| Er ist auf ewig dir entflohn! Was machte aber Ariadne? das sollen Sie gleich hören – So wild und ungeberdig stellte sie sich nun eben nicht – die Eumeniden – die die Furien wurden nicht incomodirt – und die gantze Hölle erfuhr von der gantzen Geschichte kein Wort – hätte die arme Naxoser Ariadne in unserm aufgeklährten Zeitalter gelebt – wo alle Leiden und Freuden alles Gefühl von Schmertz und Lust in Sisteme gezwängt sind – wo die Leidenschaften wenn sie in honetter Commpanie erscheinen wollen steife Schnürbrüste anhaben müßen – wo Lachen und Weinen nur biß auf einen gewißen grad steigen darf – sie hätte zuverläßig ihre sachen anders eingerichtet. Freylich ist es etwas beschwerlich immer eine Masge zu tragen – und immer anders zu scheinen als mann ist – Doch Gott Lob bey Ihnen brauche ich das nun nicht – Ihnen kan ich sagen daß mir Ihr Weggehen leid sehr leid gethan hat, daß mein Steckenpferd total ruinirt ist – daß mir beym Eßen die Zeit unausstehlich lang wird mit einem Wort, daß mein Mährgen im Brunen liegt, und wohl schwerlich wieder heraus gezogen werden wird. Auch sey Ihnen ohnverholen daß ich öffters bitter böße auf Ihnen bin, daß Ihr Ehrgeitz, Ihre falsche Chimären Sie von hir weggetrieben haben da mann jetzt gantz das Gegentheil von allem sieht, sieht, daß Koch ein guter Mann ist – der alle so liebreich behandelt der so wenig Neid hat, daß wenn einer gut spielt er ihm um den Hals fält ihn küßt und vor aller Welt sagt, das war brav – der dem organ nichts zu gefallen thut wens den Schauspielern nicht recht ist z.B. das organ wolte die Leute wieder in seinen langen Wagen packen und nach Maintz spediren – Stegmann und Walters setzten sich darwieder – Koch gab Ihnen recht und das organ mußte Kuschen herbey schaffen. Gestern trat ein Subject nahmens Meyer im Clavigo als Beaumarchais auf machte aber seine Rolle so erbärmlich daß die Leute fortgingen ohne das Ende abzuwarten – Morgen tritt er als Lügner auf, O weh!!! Aber Herrn Cziky muß mann sehen, wenn mann verstoppung im Unterleib hat – den Willibald in der Heurath durch ein Wochenblat, hat er Meisterhaft gespielt – es wurde so lange aplaudtirt biß er den Auftritt noch einmahl machte – Die Cosa Rara hat in der Fraskatanerin debitirt hat aber ihrer unmannirlichen grimaßen wegen wenig beyfall gehabt. Das sind vor dißmahl meine neuigkeitten alle – unser guter lieber Freund Heinrich hat glaube ich die Sache mit unserm Briefwechsel etwas zu gefährlich gemacht – durch Herrn Lantz werden Sie meinen ersten erhalten haben – melden Sie mir doch wo Sie wohnen daß die Briefe nicht nöthig haben, durch einen dritten bestelt zu werden. Wie stehn denn die Sachen in Maintz – sind denn die Personen bald wieder versöhnt? unser dortiger Freund beobachtet ein tiefes Stillschweigen. Leben Sie wohl! und gedencken ferner an Ihre zurückgelaßne Freunde – und an diejenige die biß in Carons Nachen ist

Ihre
Freundin Elisabeth.

N. S. An die Frau Gevatterin meine beste Empfehlung.


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