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2. Die Goten haben die Denkmäler der Stadt nicht zerstört. Ansichten der Schriftsteller über diese Frage.
Nachdem die Goten, von keinem nahenden feindlichen Heer vertrieben, abgezogen waren, hatten die Römer Muße, ihr Elend zu betrachten. Das fürchterliche Ereignis, in den Annalen der Weltstädte durch solches Zusammentreffen von Umständen nicht erhört, hatte weder eine militärische Besetzung durch den Eroberer, noch irgendeine politische Änderung zurückgelassen; sondern indem die Stadt keinen Feind mehr in ihren Mauern, aber alle grauenvollen Spuren des Feindes sah, schien es, als wäre sie von einer schrecklichen Naturverheerung ergriffen worden. Man mag sich das Aussehen Roms an dem Tage denken, da die Goten die Stadt verlassen hatten; doch kein Geschichtschreiber hat die Kraft gehabt, es zu schildern, und keiner ist den einzelnen Spuren der Zerstörung nachgegangen. Die Frage aber, welcher Art sie gewesen war, ist wichtig, weil die Geschichte der Ruinen Roms, die hier zum Teil geschrieben werden soll, mit jener Plünderung als mit einem epochemachenden Ereignis eigentlich zu beginnen scheint, wenn auch ohne Grund, da sie schon mit Constantin begonnen hatte.
Der Nationalhaß der Italiener hat die Stadt Rom, welche Honorius und die Römer so schimpflich preisgeben, an dem Andenken der Goten zu rächen gesucht, indem sie die Zertrümmerung der schönsten Denkmäler des Altertums ihrem Namen als ewigen Schandfleck anhefteten. Jedoch die Forschung selbst von Italienern hat diese Stimmen zum Schweigen gebracht, und wo sie noch einzeln vernommen werden, sind sie nur Zeugnisse grober Unwissenheit. Der Geschichtschreiber kann sich heute schon die Mühe ersparen, nachzuweisen, daß es lächerlich sei, Goten oder Vandalen oder welche Germanen immer sich vorzustellen, die, mit einer eigenartigen Wut gegen Tempel und Bildsäulen gleichsam von Natur ausgestattet, während ihrer flüchtigen Anwesenheit in Rom nichts anderes zu tun haben, als mit dem Hammer in der Hand umherzugehen, Statuen zu zerschlagen und mit Hebebäumen auf die Theater zu klettern, um, statt zu plündern, ihre Kräfte an der nutzlosen Arbeit des Auseinanderbrechens riesiger Quadersteine abzuquälen.
Die Goten ließen alles Unheil an Rom aus, welches mit einer Plünderung unzertrennlich verbunden ist; sie beschädigten die Gebäude der Stadt, soweit sie der Raub beschädigt, welcher nach dem Besitze des Beweglichen, nicht nach der Zerstörung des Unbeweglichen trachtet. In Tempel, Thermen und Paläste einbrechend, entrissen sie ihnen das Köstlichste, und unter ihren plumpen Händen, selbst unter dem Streich des Mutwillens wird manche schöne Bildsäule von Marmor auf Straßen und Plätzen zugrunde gegangen sein. Nicht minder mußte das Feuer einige Verwüstung angerichtet haben, und wir bemerkten schon, daß die Paläste des Sallustius in Flammen aufgingen. Ihre von Rauch geschwärzten Ruinen, deren kleinster Teil von Gewölben und Kammern noch heute in Rom gesehen wird, wurden als Zeugnisse der westgotischen Verheerung von dem Geschichtschreiber Procopius hundertvierzig Jahre später bemerkt. Aber dies ist das einzige berühmte Gebäude, von dem man weiß, daß es durch jene Eroberung untergegangen ist, und die Berichte solcher Schriftsteller, die in rhetorischer Übertreibung von einer Zerstörung der Stadt durch Feuer reden, werden durch andere Nachrichten beschränkt. Der Byzantiner Sokrates sagt, daß der größte Teil der bewundernswürdigen Werke Roms von den Goten durch Feuer zerstört worden sei; Philostorgius: daß Alarich, nach Kampanien abziehend, die Stadt, deren ruhmvolle Größe Feuer, Schwert und barbarische Gefangenschaft vernichtet hatte, in Trümmern zurückgelassen habe; Hieronymus ruft deklamierend aus: »Wehe, die Welt geht unter, und unsere Sünden dauern in uns; die erlauchte Stadt, das Haupt des Römischen Reichs, hat ein einziger Brand verzehrt«; und Augustinus spricht gleichfalls an mehreren Stellen seiner Werke vom Brande Roms. Es muß daher angenommen werden, daß Feuersbrünste die Stadt beschädigten, obwohl der Geschichtschreiber Jordanes sagt: »Auf Befehl Alarichs beschränkten sich die Goten auf das Plündern, und sie legten nicht, wie Barbaren zu tun pflegen, Feuer an.« Der Zeitgenosse Orosius erzählt, Gott habe in Rom mehr gewütet, als die Menschen es vermocht, denn da es über sterbliche Kräfte ging, eherne Balken anzuzünden und gewaltige Steingefüge zu zertrümmern, so habe der Blitzstrahl das Forum mit den falschen Götzenbildern niedergeworfen und ein vom Himmel gesandtes Feuer alle diese Greuel des Aberglaubens, welche die vom Feinde geschleuderte Flamme nicht hatte erreichen können, umgestürzt. Diese Erzählung ist merkwürdig nicht allein deshalb, weil sie eine wirkliche Verheerung durch Feuer zu beweisen scheint, sondern weil sie uns in jene Sagen der Christen einführt, welche nach den Prophezeiungen der Sibyllen den Untergang Roms durch Feuer erwarteten. Als sie nun von der Einnahme der Stadt hörten, glaubten sie auch, jenes Orakel habe sich erfüllt, und Rom sei von Flammen, wie Sodom, verschlungen worden. Jedoch Orosius selbst, der die Schonung der Goten aufrichtig rühmt, war zu dem Bekenntnisse gezwungen, sie seien drei Tage nach ihrem Einbruch freiwillig abgezogen, nachdem das Feuer allerdings einigen Schaden an Häusern verursacht hatte, doch nicht einmal so großen, als der Zufall im siebenhundertsten Jahre der Gründung Roms veranlaßt hatte; ja er behauptete, daß die Römer gesagt hätten, das Unglück der Plünderung wollten sie für nichts achten, wenn man ihnen nur das Vergnügen der zirzensischen Spiele zurückgebe.
Alle diese Nachrichten von Zeitgenossen haben die Ansicht begründet, daß die späteren Berichte von der westgotischen Verheerung Roms übertrieben sind, daß diese unleugbar stattgefunden hat, aber dennoch bei einer nur dreitägigen Dauer und im Verhältnis zu der Größe der Stadt und der Menge ihrer Gebäude nur unbeträchtlich gewesen ist. Die herrlichen Monumente wurden drei Tage lang von dem plündernden Feinde umlärmt, aber nicht erschüttert; die Obelisken Ägyptens und die Triumphbogen der Kaiser sahen die Barbaren mit flüchtigem Erstaunen an, ohne zu dem lächerlichen Gedanken Zeit zu haben, sie umzustürzen. Wenn sie Bildsäulen von edlem Metalle vorfanden, entrafften oder zerschlugen sie diese, doch weder die kolossalen Reiterstatuen von vergoldetem Erz, noch jene von Marmor konnten sie begehren, und sie überließen den Frevel, öffentliche bronzene Kunstwerke zu rauben, einem byzantinischen Kaiser des VII. Jahrhunderts, wo Rom bereits völlig verarmt war und der einzige Reichtum der Stadt nur in dem Schmuck ihrer Kirchen bestand. Nur ein paar Jahre nach der Eroberung durch Alarich sahen dieses geplünderte Rom ein Geschichtschreiber und ein Dichter, und so wenig glich die Stadt einem Trümmerhaufen, oder so wenig war sie, was auch der heilige Hieronymus immer sagen mag, vom Feuer verzehrt worden, daß beide ihre unvergleichliche Schönheit und Pracht mit Staunen preisen mußten. Denn Olympiodorus entwarf jenes Gemälde von ihren noch unzerstörten Thermen und Palästen, welches wir kennen; und der Präfekt Rutilius von Namaz sagte in seinem Abschiedsgedicht kein Wort von dem verwüsteten Aussehen der Stadt, sondern indem er sich auf dem Tiberstrom noch einmal nach ihr zurückwandte, weidete er seine sehnsüchtige Erinnerung an dem Anblick »der schönsten Königin der Welt, deren Tempel sich dem Himmel nähern«.