Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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Siebentes Kapitel

1. Kapitulation des Papsts 5. Juni 1527. Schrecklicher Zustand Roms und der Armee. Sie zieht in die Sommerquartiere von Umbrien. Narni geplündert. Clemens VII. als Gefangener in der Engelsburg. Eindruck der Katastrophe Roms auf die Mächte. Wolsey die Seele der Koalition gegen Karl. Lautrec rückt in Oberitalien ein Juli 1527. Benehmen und Politik Karls V. Frage, ob die weltliche Gewalt des Papsttums fortbestehen solle.

In Rom wütete die Pest, und die Truppen wurden zügellos; von England und Frankreich aber stiegen drohende Kriegsgewitter auf. Deshalb wünschte der Prinz Philibert den Frieden mit dem Papst. Nur das Heer wollte nichts von Verträgen wissen. Die meisten dieser Plünderer waren wieder bettelarm; manche gaben sich aus Überdruß sogar den Tod. Der Prophet von Siena, den sie bei sich behalten, hatte ihnen Wahres vorhergesagt: »Liebe Gesellen, Zeit ist hie, raubet und nehmt alles, was ihr findet, ihr müßt doch alles wieder ausspeien; Pfaffengut und Kriegsgut gehet so hin und her.« Kriegsknechte, die mehr als 30 000 Gulden erbeutet hatten, verlangten jetzt mit Geschrei ihren rückständigen Sold. Sie forderten den Papst als Geisel und die Plünderung der Engelsburg, worin sie die Schätze der Welt aufgehäuft glaubten. Oranien versprach sich selbst den Aufrührern als Pfand ihrer Forderungen, und so wunderbar hatten sich die Verhältnisse gewendet, daß die an ihrem Raub erstickten Plünderer sich in gleich schlimmer Lage befanden als ihre Feinde in der Engelsburg.

Clemens hatte noch vor dem Abzug der Bundesarmee aus Isola Lannoy von Siena nach Rom gerufen, ihn durch sein Ansehen zu unterstützen; denn immer blieb sich dieser Papst getreu; auch jetzt noch unterhandelte er mit Freund und Feind, mit den Bündischen und mit den Kaiserlichen zugleich. Als der Vizekönig am 28. Mai kam, drohten ihn die Knechte umzubringen; er floh aus Rom, traf eine Millie vor der Stadt Moncada, den Herzog von Amalfi, del Vasto, Alarcon und Don Enrico Manriquez, welche mit ein paar tausend Mann von Terracina heraufgezogen waren. Mit ihnen kehrte er am selben Tage nach Rom zurück.

Man achtete seiner nicht mehr; die Unterhandlungen leitete Philibert durch Bevollmächtigte. Als der Prinz am 31. Mai bei der Engelsburg, die noch immer in die Laufgräben feuerte, durch einen Schuß verwundet ward, drohten die Kaiserlichen, das Kastell zu stürmen und Papst und Kardinäle niederzumachen. Schon hatte man auf Monte Mario Kanonen aufgepflanzt, diese Burg zu beschießen. Auch war gegen sie vom Tor des Kastells her ein Minengang gezogen worden, der schon die Fundamente erreichte; im äußersten Falle drohte man, den Papst und alle Kardinäle und Prälaten in die Luft zu sprengen.

Am 1. Juni schickte der Papst Schomberg zu den Kaiserlichen; er ließ auch – dies war sein bitterster Entschluß – den Kardinal Colonna zu sich einladen. Mit der Lanze des Achill, welche zugleich verwunde und heile, verglich er jetzt seinen grimmigsten Feind, sein Mitleid, seine Großmut rief er um Beistand an. Sie beweinten zusammen die Leiden Roms und ihren eigenen Unverstand der jene verschuldet hatte. Pompeo bemühte sich, diese Leiden zu mildern; er unterstützte seither den Papst in der Aufbringung der Summen, die er zu zahlen hatte. Zu einem Vertrag mußte sich Clemens endlich entschließen, weil er nicht mehr acht Tage in der Engelsburg ausdauern konnte, worin Hunger und Pest wüteten. Auch sah er fast alle seine Staaten verloren gehen, bis auf Umbrien, welches die Bundesarmee deckte. Venedig benützte das Unglück seines Verbündeten, indem es Ravenna und Cervia wieder besetzte. In Rimini war Sigismondo Malatesta eingezogen; gegen Modena rückte Alfonso. Selbst Florenz, welches mehr als die Hälfte der Sorgen des Papsts beanspruchte, hatte am 16. Mai den Kardinal Passerini und Hippolyt und Alessandro zum Abzug gezwungen. Filippo Strozzi und sein Weib Clarice, welchem die Erhebung dieser mediceischen Bastarde stets ein Stachel im Herzen war, hatten an dieser Umwälzung einen wesentlichen Anteil. Die Republik wurde dort hergestellt und zu ihrem Gonfaloniere am 1. Juni Niccolò Capponi gemacht, der Sohn des berühmten Piero. Zu ihrem Unglück erneuerten die Florentiner ihr Bündnis mit dem Könige von Frankreich.

Am 5. Juni vollzog Clemens mit dem Boten der Kaiserlichen, Giambartolomeo Gattinara, den Vertrag: er ergab sich der Gnade Karls. Dem Heer sollte er 400 000 Dukaten in drei Fristen auszahlen, wofür er die Erzbischöfe von Siponto und Pisa, die Bischöfe von Pistoja und Verona und seine Verwandten Jacopo Salviati, Lorenzo Ridolfi und Simone Ricasoli als Bürgen gab. Er versprach Ostia, Civitavecchia, Modena, Parma und Piacenza als Unterpfänder auszuliefern, die Colonna in ihre Rechte wieder einzusetzen. Er selbst sollte, bis die Zahlungen erledigt seien, mit den Kardinälen in der Engelsburg bleiben, dann sich in Freiheit nach Neapel oder weiter hinbegeben, um mit dem Kaiser den Frieden abzuschließen. Renzo Orsini, Orazio Baglione und die fremden Gesandten durften frei aus dem Kastell abziehen.

Am 7. Juni verließ die päpstliche Besatzung die Engelsburg, und Alarcon rückte mit drei Fähnlein Deutscher, Italiener und Spanier ein. Dieser Kapitän konnte sich rühmen, innerhalb zweier Jahre der Kerkervogt des Königs von Frankreich und des Papsts gewesen zu sein. Man erlaubte dem Rest der Schweizergarde abzuziehen und ersetzte sie durch zweihundert Landsknechte unter Schertlin. »Allda haben wir gefunden«, so schreibt dieser Hauptmann, »den Papst Clementen sammt zwölf Cardinälen in einem engen Saal; den haben wir gefangen. War ein großer Jammer unter ihnen, weinten sehr, wurden wir alle reich.« Es rückten auch die vierhundert Italiener unter Renzo, welchen Alberto Pio begleitete, mit Kriegsehren ab, obwohl die Landsknechte argwöhnten, daß sie die päpstlichen Schätze mit sich führten. Jene beiden schifften sich in Civitavecchia nach Frankreich ein. Die Befreiung des Papsts selber hing von der Erfüllung des Vertrags, seine Herstellung in Rom vom Willen des Kaisers ab. Mit einem Federstrich in Madrid konnte Karl V. dem Kirchenstaat ein Ende machen. Mühsam wurde eine erste Zahlung durch Anleihen aufgebracht, aus Geräten von Gold und Silber neues Geld geprägt: selbst mit Kreuzen, Kelchen und andern kirchlichen Kleinodien bezahlte man die schreienden Landsknechte. Seine Tiara ließ der Papst durch Cellini einschmelzen; in den Schmelztiegel schien er seine ganze Herrlichkeit zu werfen. Aber die vertragsgemäße Auslieferung der Festungen fand Schwierigkeiten, weil Clemens selbst den Befehlshabern heimlich gebot, sie nicht zu übergeben. Nur Ostia besetzten die Kaiserlichen. Den Hafen Civitavecchia weigerte sich Doria zu verlassen, ehe er die ihm schuldigen Summen empfangen hatte; Civita Castellana behauptete Francesco da Bibiena im Namen der Liga; weder Parma noch Piacenza wollte die kaiserlichen Boten Gattinara und Lodron aufnehmen. In Modena war schon am 6. Juni Alfonso eingezogen, ohne daß ihn Lodovico Rangone, der Bruder Guidos, daran gehindert hatte.

Der Zustand in Rom war schrecklich: Larven schienen diese Stadt zu bewohnen; es befehligte in ihr Don Pedro Ramires, weil La Motte sich nach Spanien eingeschifft hatte. Noch lagen in der Stadt 24 000 Mann, zur Hälfte Deutsche. Stets in Aufruhr, forderten sie mit Wut ihren Sold; sie schalten ihre Hauptleute betrogene Verräter. Der Vizekönig und del Vasto mußten ihr Heil in der Flucht suchen. Philibert selbst war zu jung und zu unerfahren, um der schwierigen Stellung gewachsen zu sein. Die Räte Karls drangen darauf, einen neuen Generalissimus nach Rom zu schicken. Der Kaiser übertrug dies Amt dem Herzog von Ferrara, doch dieser weigerte sich, der Befehlshaber von Meuterern zu sein.

Am 17. Juni brach Ferrante Gonzaga mit der Reiterei nach Velletri auf. Denn das welsche Kriegsvolk suchte Quartiere auf der Campagna, weil die Hungersnot in Rom groß und die Pest mörderisch wurde. Es starben mehr als dreitausend Landsknechte, auch angesehene Hauptleute, wie Klaus Seidenstücker und Graf Christoph von Eberstein. Als der Zustand unerträglich wurde, überredeten die Kapitäne das Heer, Sommerlager zu beziehen. Man brachte noch ein wenig Geld auf, die Wut der Schreier zu stillen; man verordnete drei Hauptleute, die Geiseln in Rocca di Papa zu verwahren, und am 10. Juli brach man nach Umbrien auf. Bemelberg und Schertlin führten die Deutschen, während Philibert mit hundertfünfzig Reitern nach Siena zog, diese Stadt dem Kaiser zu erhalten. Die Orte in der Campagna, welche der Papst durch Breven aufgefordert hatte, dem Kriegsvolk Quartier und Nahrung zu geben, sahen mit Entsetzen diese Horden herannahen. Mit verzweifeltem Mut beschämte das kleine Narni, die Vaterstadt Gattamelatas, das feige Rom. Männer und Weiber verteidigten die Mauern, aber die Deutschen unter Schertlin und Antoni von Feldkirchen erstürmten sie am 17. Juli, und das unglückliche Kastell wurde mit Feuer und Schwert zermalmt. Die Stadt Todi entging dem gleichen Schicksal nur dadurch, daß der Herzog von Urbino sie besetzte. Terni war kaiserlich gesinnt und hatte sogar aus altem Haß bei der Zerstörung Narnis sich beteiligt. Spoleto, fest und wehrhaft, schickte Brot ins Lager bei Acquasparta, doch sollte man dasselbe bezahlen. Die Deutschen gingen wieder nach Narni, die Spanier nach Terni und Amelia. Sommerglut, Mangel und Meuterei machten ihre Lager zu einer wahren Hölle. Fieber raffte sie zu Hunderten hin. Als Kaspar Schwegler die Landsknechte am 1. September zu Narni musterte, zählte er deren nur noch siebentausend.

Boten kamen aus Mailand und aus Rom. Dort begehrte der von der Liga schwer bedrängte Leyva schleunige Hilfe, und von hier meldete man, daß der Papst den Vertrag nicht erfülle. Die verzweifelten Hauptleute schickten Gesandte an Lannoy nach Neapel, er selbst möge kommen, Rat schaffen, den Oberbefehl des unbezähmbaren Volks übernehmen. Er lehnte dies ab und schickte als Unterhändler del Vasto. Schrecklich waren überall die Zustände in Umbrien, auch im Lager der Bündischen, welche unter Urbino und Saluzzo Perugia bei Pontenuovo deckten. Sie hungerten und rebellierten, sie plünderten und brandschatzten die unselige Landschaft. Der Herzog selbst haderte mit den übrigen Befehlshabern; nicht allein mißtraute ihm Franz I., sondern auch die Venetianer, welche Guicciardini gegen ihn aufgebracht hatte. Die Signorie drohte, seine Gemahlin und seinen Sohn, die sich in Venedig befanden, als Pfänder festzuhalten, bis der Proveditore Pisani das Verhältnis wieder herstellte. In Perugia war Anarchie. Orazio Baglione, der Schützling Urbinos, ließ dort seinen Vetter Gentile und andere von dessen Hause ermorden. Gegen die Kaiserlichen, welche sich Camerinos bemächtigten, wagte man nur kleine Gefechte im Gebiet von Terni, wohin sich die Landsknechte vorgeschoben hatten, während die Spanier und Italiener bei Alviano und Castiglione della Teverina lagerten.

Clemens befand sich, einem lebendig Begrabenen gleich, in der schrecklichen Engelsburg, unter wilden Kriegsknechten, in der glühenden Stille des Sommers, hilflos und verlassen gräßliche Tage und Nächte dahinlebend. Er wohnte mit den Kardinälen in dem sogenannten Maschio der Burg; darunter lagen die Spanier. Man bewachte den Papst so argwöhnisch, daß man kaum eine Person zu ihm ließ. Nicht zehn Skudi Wert an Silber hatte man ihm gelassen. Zwei Kardinäle starben damals im Kastell; den Wucherer Armellini tötete die Qual um den Verlust seiner Reichtümer und den glänzenden Ercole Rangone Mühsal oder die Pest.

Aus seinem Kerker sandte der Papst Briefe an Karl V. und die Mächte Europas, seine Befreiung zu erlangen. Die Kaiserlichen erboten sich, ihn nach Gaëta zu führen, was er ablehnte. Sie erlaubten ihm hierauf, Alessandro Farnese nach Madrid zu senden. Dieser Kardinal, später Paul III., verließ die Engelsburg, aber er stand von seinem Auftrage ab, was den Papst veranlaßte, denselben dem Kardinallegaten Salviati am französischen Hofe zu übertragen. Doch auch dieser fand es nicht für geraten, sich in die Gewalt des Kaisers zu begeben; er übertrug die Unterhandlung dem Nuntius in Spanien, dem unglücklichen, vom Kummer über die Katastrophe Roms tief Gebeugten Castiglione. Der Kirchenstaat, ja die Regierung der Kirche selbst hatte aufgehört; die außerhalb Rom befindlichen Kardinäle waren zerstreut; unter der Leitung Cibòs wünschte sie Venedig in Bologna zu vereinigen, was indes nicht geschah.

Unterdes wirkte die Einnahme Roms in der Welt auf verschiedene Weise. Die Anhänger des Kaisers begrüßten den Sturz des Papsttums mit Freude; die Lutheraner jubelten, weil Babel gefallen sei, wie das Weissagungen längst vorhergesagt hatten; und nicht nur heimliche Freunde der Reformation, wie der Spanier Juan Valdez, sondern gläubige Katholiken erkannten in dem Unglück Roms ein himmlisches Strafgericht. England und Frankreich beklagten nicht sowohl den Papst, als sie die Größe des Kaisers fürchteten. Diese Mächte, bei denen die Nuntien Gambara und Salviati tätig waren, hatten schon am 30. April zu Westminster einen Vertrag geschlossen, und sie erneuerten ihn am 29. Mai zum Zweck der Befreiung des Papsts, worauf sich Wolsey im Sommer nach Frankreich begab. Der englische Staatsmann betrieb den Abschluß der Liga mit Leidenschaft. Er zeigte dem Könige, daß der Sturz des Papsts seine eigenen Angelegenheiten, zumal die von ihm begehrte Trennung seiner Ehe mit Katharina von Aragon gefährde; die von Rom abwesenden Kardinäle wollte er in Avignon vereinigen und die Rettung der Kirche in die Hand nehmen, wobei er die Hauptfigur zu sein hoffte. Es erschreckte ihn die Vorstellung, der Papst könne nach Spanien übergeführt, das Papsttum dort spanisch gemacht werden.

Die Liga oder vielmehr Frankreich war zum Kriege gerüstet, und schon am Ende des Juli 1527 rückte Odet de Foix, Herr von Lautrec, über die Alpen nach Italien. Der tapfre Marschall übernahm nur ungern den Oberbefehl auf dem Schauplatz seiner Niederlagen. Nie war er dort glücklich gewesen: bei Ravenna schwer verwundet, bei Bicocca geschlagen, aus der Lombardei vertrieben worden. Bei Pavia war sein Bruder gefallen. Er selbst sollte Frankreich nicht wiedersehen. Auch die Venetianer setzten sich gegen Mailand in Bewegung, und so entbrannte der Krieg in diesem Lande wieder, dessen Verteidigung für des Kaisers Statthalter Leyva bei seiner Mittellosigkeit eine schwierige Aufgabe war.

Karl selbst hatte die Kunde von der Katastrophe in Rom erst am Ende des Juni erhalten. Die gräßliche Plünderung der Stadt erschreckte und beschämte ihn; er untersagte die Feier der Geburt seines Sohnes Philipp und legte öffentliche Trauer an, doch heimlich pries er sein Glück, welches ihm auch den Papst in die Hände gab. Er beeilte sich nicht, ihn zu befreien. Den Römern schrieb er erst am 26. Juli, beklagte ihr Unglück und versprach, die Ehre wie den Glanz des römischen Namens wieder herzustellen. Quiñonez und seinen Kammerherrn Don Pedro de Veyre schickte er auffallend spät an den Papst. Dem König von England schrieb er am 2. August: der Papst sei der Urheber alles Unheils, da er Franz I. zum Friedensbruch gedrängt, eine neue Liga und den Krieg hervorgerufen habe. Auf Grund der päpstlichen Unternehmung gegen Neapel sei die kaiserliche Armee zur Rettung dieses Königreichs ausgezogen und habe den Weg über Rom genommen, gegen seinen und der Kapitäne Willen. Er beklagte die begangenen Greuel, woran er schuldlos sei, aber er erkannte darin das gerechte Urteil Gottes, der die Frevel der Schuldigen habe strafen wollen.

Kaiser und Papst standen einer Krisis gegenüber, wie sie die Geschichte nur selten gesehen hat. Das Verhältnis der weltlichen und geistlichen Gewalt zueinander konnte damals eine gründliche Änderung erfahren. War jetzt nicht die Zeit gekommen, diese päpstliche Immunität, welche sich von Karl dem Großen herschrieb und Italien, dem Reich, ja der Kirche selbst so verderbensvoll geworden war, ganz aufzuheben? Mit einem Edikt, so schien es, konnte der Kaiser Rom wieder zur Hauptstadt des Reiches machen, den Papst, wie die Reformation es verlangte, als Bischof in den Lateran zurückführen und die Kirche endlich durch ein Konzil reformieren. Eine unermeßliche Umwälzung mußte dann durch die Säkularisation des Kirchengutes in Europa erfolgen, und der Untergang der päpstlichen Herrschaft oder des Kirchenstaats zog dann wohl auch den Zerfall der Kirche in Patriarchate und Landeskirchen nach sich, die ihre Vereinigung miteinander nur in einer föderativer. Verfassung zu suchen hatten.

Fragen solcher Natur drängten sich dem Kaiser und seinen Dienern auf. Ein Ungenannter schrieb ihm am 8. Juni aus Rom: »Wir erwarten, daß Ew. Majestät uns genaue Befehle gebe, damit wir wissen, wie Sie die Stadt Rom fortan zu regieren gedenken, und ob in ihr noch eine Form des Apostolischen Stuhls verbleiben solle oder nicht. Ich will die Ansicht von Dienern Ew. Majestät nicht verschweigen, welche glauben, daß man den Heiligen Stuhl in Rom nicht ganz und gar aufheben solle; denn der König von Frankreich dürfte alsbald einen Patriarchen in seinem Reiche aufstellen und dem Apostolischen Stuhl den Gehorsam verweigern, und so würde auch England und jeder andere Monarch tun. Daher schien es Ew. Majestät Dienern passend, daß der Heilige Stuhl so niedrig gehalten werde, daß Ew. Majestät über ihn stets verfügen und gebieten könne.«

Der Erzherzog Ferdinand, jetzt auch König von Böhmen und Ungarn, meldete seinem Bruder aus Prag am 31. Mai die Einnahme Roms und ermahnte ihn, den Papst nicht eher freizulassen, bis durch einen Frieden alles geordnet sei, denn sonst würde er ihn, ganz so wie Franz I., hintergehen; endlich möge sich der Kaiser auch des Konzilium erinnern. Dies war es, was die ligistischen Mächte fürchteten, daß Karl dem gefangenen Papst ein Konzil abzwingen möchte, um mit imperatorischer Gewalt die Kirche zu reformieren und so sich selbst zu ihrem wahren Haupt zu machen. England und Frankreich verständigten sich deshalb in dem Beschluß, kein Konzil anzuerkennen, solange der Papst »wie ein Leibeigener in der Gewalt seiner gottlosen Feinde« sei. Die ghibellinischen Ideen erwachten um so stärker, als hinter ihnen die deutsche Reformation stand. Wenn der Traum Dantes von der Weltmonarchie je wirklich werden konnte, so mochte dies damals geschehen. Der besonnene Lannoy riet zwar dem Kaiser den Frieden und die Befreiung des Papsts, aber er schrieb ihm doch, daß es jetzt Zeit sei, an die Reform der Kirchenzucht durch ein Konzil zu denken. Nach dem Rat des Kanzlers Gattinara sollten selbst Florenz und Bologna mit dem Reiche vereinigt werden. Dessen volle Gewalt über Italien herzustellen, doch den Papst zu befreien, war die Ansicht der spanischen Staatsmänner. Mit Leidenschaft trat die Geistlichkeit Spaniens zugunsten des Papsts auf.

Karl V., vorsichtig und kalt, hielt sein Urteil zurück; erst wollte er die Berichte Veyres abwarten, den er im August an den Vizekönig und darauf an den Papst gehen ließ, mit Befehlen, die seine Ideen deutlich machen. Er erklärte, daß der Fall Roms eine göttliche Fügung sei, die wohl zum Frieden der Welt und zur Reformation der Kirche führen könne; er wünschte die Herüberkunft des Papsts nach Spanien; könne dies nicht ohne Gewaltsamkeit geschehen, so sei es seine Absicht, ihn durch den Vizekönig auf den Heiligen Stuhl wieder einzusetzen; doch diese Freiheit dürfe sich nur auf die geistliche Amtsführung beziehen, und selbst, ehe er diese erhalte, müsse er dem Kaiser alle Sicherheit gegen wiederholte Täuschung geben. Er wollte endlich den Papst zwingen, das Konzil abzuhalten.


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