Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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3. Honorius III. wird Papst. Das Haus Savelli. Krönung Peters von Courtenay zum Kaiser von Byzanz in Rom 1217. Friedrich verzögert den Kreuzzug. Tod Ottos IV. 1218; Wahl Heinrichs von Sizilien zum Nachfolger Friedrichs in Deutschland. Unruhen in Rom unter dem Senator Parentius. Romfahrt und Krönung Friedrichs II. 1220. Kaiserliche Konstitutionen.

Der greise Kardinal von St. Johann und Paul, Cencius Savelli, wurde der Nachfolger Innocenz' III. Sein väterliches Geschlecht, in welchem ein urlateinischer Stammesname wieder erscheint, war in der Geschichte der Stadt bisher nicht sichtbar gewesen, und sein Ursprung überhaupt ist unbekannt. Da schon im VIII. Jahrhundert ein Ort Sabellum nahe bei Albano bemerkt wird, wo eine alte Kirche des St. Theodorus und eine Domusculta Sulpitiana lagen, so mochten die Savelli von ihm den Namen erhalten haben, wie die Colonnesen den ihrigen von der Burg Colonna. Das Nepotenhaus der wohl germanischen Saveller (denn dies zeigen die Namen Haimerich und Pandulf) wurde erst durch den Papst Honorius gegründet und kam erst seit ihm zur Macht empor.

Cencius, ein sehr gebildeter Mann, war unter Innocenz III. Vizekanzler und Kämmerer gewesen. Als solcher hatte er das berühmte Rentenbuch der Kirche zusammengetragen. Er bestieg als Honorius III. den Heiligen Stuhl zu Perugia am 24. Juli 1216, und erst am 4. September nahm er Besitz vom Lateran.

Die Römer sahen ihren Mitbürger gern als Papst: seine Charaktergüte und ein tadelloses Leben hatten ihn längst beliebt gemacht. Von seinem Vorgänger erbte er überdies ein beruhigtes Regiment in der Stadt, deren Freiheiten er nicht antastete. Seit der Konstitution des Jahrs 1205 verwaltete die römische Republik je sechs Monate lang ein einzelner Senator, welcher ohne Widerstand dem Papst huldigte.

Der sanftmütige Honorius erhob sich nicht zu den kühnen Ideen seines Vorgängers, durch dessen Geist seine geringeren Talente in Schatten gestellt wurden. Eine einzige Leidenschaft erfüllte ihn, die Ausführung des von Innocenz III. angesagten Kreuzzuges, an dessen Spitze er Friedrich zu sehen hoffte.

Ehe er diesen zur Krönung nach Rom lud, krönte er hier am 9. April 1217 Peter von Courtenay zum byzantinischen Kaiser – eine neue Herrlichkeit der Kirche, welche fortan beide Kronen, des Morgen- und Abendlandes, zu verleihen hoffte. Der französische Graf war von den lateinischen Baronen in Konstantinopel auf den Thron berufen als Gemahl Jolanthes, der Schwester des zweiten byzantinischen Frankenkaisers Heinrich, in welchem der Mannesstamm von Flandern am 11. Juni 1216 erloschen war. Peter kam auf seiner Fahrt nach dem Osten nach Rom mit seiner Gemahlin und vier Töchtern und großem Gefolge. Er drang in den Papst, ihn feierlich zum Kaiser zu krönen; Honorius zauderte erst, denn solche Handlung konnte so ausgelegt werden, als habe der griechische Kaiser Rechte auf die Stadt Rom, und außerdem gebührte die Krönung dem Patriarchen von Konstantinopel. Dann gab er nach. Zum ersten und letzten Mal empfing in Rom ein byzantinischer Kaiser die Krone aus den Händen des Papsts. Aber der ohnmächtige Usurpator des Thrones Constantins wurde nicht in dessen römischer Basilika gekrönt, sondern zum Range des Königs von Aragon herabgesetzt, denn der Papst krönte ihn in S. Lorenzo vor dem Tor. Honorius entließ ihn in Begleitung des Kardinals von S. Prassede, Johann Colonna, am 18. April. Die Kaiserfahrt Peters von Brindisi nach der großen Stadt des Ostens endete jedoch schon in den Kerkern des Despoten Theodor Angelos in Albanien, welchen zuerst anzugreifen er den Venetianern sich verpflichtet hatte; dort ist er bald darauf gestorben.

Friedrich unterdes zauderte, sein Gelübde zu erfüllen, welches ihm die Kreuzfahrt zur Pflicht machte. In dringenden Briefen drohte ihm Honorius sogar mit dem Bann, wenn er nicht zur festgesetzten Frist aufbreche, um den vorausgezogenen Kreuzfahrern beizustehen, welche Damiette belagerten. Der Sohn Heinrichs VI. fühlte nichts von der Glaubensglut eines Gottfried von Bouillon; diese ritterliche Leidenschaft war überhaupt in Europa schon unpraktisch geworden. Die Welt, die einen Kreuzzug fränkischer Fürsten auf das christliche Byzanz sich hatte werfen sehen, belächelte bald darauf den wunderbaren Kreuzzug von vielen tausend Kindern, welcher weniger die Fortdauer des Dranges nach dem Orient als dessen krankhafte Ausartung bewies. Die religiösen Triebe waren bei den Fürsten zu politischen Zwecken geworden; denn ihre Unternehmungen galten nicht mehr dem Besitze des heiligen Grabes, sondern dem Ägyptens, des Schlüssels des Morgenlandes und seiner indischen Handelsstraßen. Darf man Friedrich im Ernst daraus einen Vorwurf machen, daß er die Erfüllung seines Gelübdes verschob, welches ihn seiner Regentenpflicht würde entzogen und nach Syrien entführt haben, wo sein Großvater einen erfolglosen Tod und wo hundertjährige Anstrengungen nach einem Scheinleben den sichern Untergang gefunden hatten? Sein nächstes Ziel war die Ordnung seines sizilischen Landes, die Erlangung der Kaiserkrone und die Sicherung der Erbfolge im Reich.

Den Weg zu dieser bahnte ihm der Tod Ottos IV. Der unglückliche Welfenkaiser starb auf der Harzburg am 19. Mai 1218 in schwermütiger Einsamkeit als reuevoller Büßer. Nun wurde Friedrich überall als König der Römer anerkannt. Das Bemühen, seinen schon zum Könige Siziliens gekrönten Sohn Heinrich von den Reichsfürsten auch zu seinem Nachfolger in Deutschland erwählen zu lassen, ferner einige Vorfälle, die als Eingriffe in die Rechte des Kirchenstaats erschienen, machten den Papst schon im Frühjahr 1219 mißgestimmt. Der König beruhigte ihn durch Erlasse, welche rebellischen Städten wie Spoleto und Narni die Unterwerfung unter den Heiligen Stuhl befahlen. Er erneuerte die Kapitulation von Eger; er versprach, was der Papst begehrte, um nur die Kaiserkrone zu gewinnen. Für die Hoffnung, Friedrich nach dem Orient sich einschiffen zu sehen, nahm der greise Papst selbst die Täuschung hin, welche ihm mit Sizilien bereitet wurde. Das Innocenz III. gegebene Versprechen, dieses Land nicht mit der deutschen Krone zu vereinigen, erneuerte Friedrich auch Honorius III., der es forderte, im Jahre 1220. Der junge Heinrich sollte Sizilien als des Papsts Lehnsmann beherrschen, sobald er volljährig wurde. Aber Friedrich gewann die geistlichen Fürsten Deutschlands durch große Freibriefe für seinen Plan, eben diesen Heinrich zum römischen Könige zu erwählen, was dem Reich die Ruhe sichern, der Kirche sie nehmen mußte. Die Wahl geschah im April 1220 zu Frankfurt ohne Berücksichtigung des Papsts, und damit wurde der genannten Verpflichtung widersprochen. Den Unwillen des Honorius suchte Friedrich, welcher ihm gegenüber unredlich gewesen war, durch ein diplomatisches Schreiben zu beschwichtigen; indem er Sizilien nie mit Deutschland zu vereinigen versprach, begehrte er die Zusicherung von dessen lebenslänglichem Besitz, und der Papst bewilligte dies notgedrungen für den Fall des erblosen Todes Heinrichs. Die Personalunion Siziliens mit dem Hause der Hohenstaufen konnte demnach nicht mehr gehindert werden. Honorius, zu schwach, um nachhaltigen Einspruch zu tun, mußte die künftige Verbindung beider Kronen und die Gefahr voraussehen, die daraus dem Kirchenstaat erwuchs. Denn Friedrich betrachtete bald Sizilien als die praktische Voraussetzung der von seinem Vater ererbten Pläne auf die italienische Monarchie und als Grundlage eines neuen Reiches, welches er von dem Lande aus zu regieren hoffen durfte, wo allein er ein wirklicher Monarch war.

Honorius hatte sich schon im Juni 1219 aus dem unruhig werdenden Rom nach Rieti und Viterbo begeben, von wo er auf kurze Zeit zurückkam, um dann nochmals in Viterbo Schutz zu suchen. Die demokratische Partei regte sich wieder. Als die Stadtgemeinde nicht mehr die kraftvolle Hand Innocenz' III. fühlte, trachtete sie nach dem Wiederbesitz verlorener Rechte. In diesem Zerwürfnis vermochte Friedrich dem Papst einen Dienst zu leisten. Er schickte den Abt von Fulda an die Römer mit Briefen, welche auf dem Kapitol verlesen wurden; er zeigte ihnen seine baldige Romfahrt an und ermahnte sie zum Gehorsam gegen den Papst. Der Senator Parentius sprach in seinem Antwortschreiben dem Könige den Dank des römischen Volkes aus, lud ihn zur Krönung ein und versicherte, daß die Stadt bereit sei, mit der Kirche Frieden zu halten. Honorius söhnte sich mit den Römern aus und konnte im Oktober zurückkehren.

Friedrich selbst kam im September 1220 in die Lombardei, wo er die miteinander hadernden Städte weder freundlich noch offen feindlich gesinnt fand. Nach langen Unterhandlungen mit den päpstlichen Legaten über das Krönungskonkordat und die künftige Stellung Siziliens zog er nach Rom. Er kam mit seiner Gemahlin, mit vielen Reichsfürsten und einem nicht großen Heer. Aus seinem Lager am Monte Mario erließ er noch eine Erklärung, daß das Kaiserreich keine Rechte auf Sizilien besitze und dieses päpstliche Lehen von jenem getrennt bleiben solle. Honorius krönte ihn und Konstanze am 22. November 1220 im St. Peter bei vollkommener, nie zuvor erhörter Ruhe der Stadt unter dem »unermeßlichen« Jubel des Volks. Die Römer, welche nach langer Zeit zum erstenmal an einer Kaiserkrönung festlichen Anteil nahmen, öffneten gastlich ihre Tore, ohne daß Deutsche und Lateiner ihren Nationalhaß in Blutströmen abkühlten. Die Anwesenheit vieler Fürsten und Städteboten gab der Feier Glanz und Bedeutung: auch die Barone Siziliens waren zur Huldigung erschienen, was der Papst nicht hinderte. Dieser Festtag sollte die lange Reihe von Kaiserkrönungen alten Systems beschließen; denn das alte Deutsche Reich, seine Größe und weltgeschichtliche Bedeutung endigte im Enkel Barbarossas, und Rom sah seither in fast hundert Jahren keinen Kaiser mehr krönen bis auf Heinrich VII., welcher unter Kampf und Sturm die Krone, doch nicht im St. Peter, nahm.

Honorius hatte dem Sohne Heinrichs VI. die Krönung um den Preis kostbarer Zugeständnisse bewilligt; diese Konstitutionen zugunsten der Kirche wurden der Kapitulation gemäß im Dom als Gesetze verkündigt, die im ganzen Reiche Geltung haben sollten. Durch sie ward der Kirche völlige Freiheit gegeben; alle wider den Klerus und das geistliche Vermögen von Fürsten oder Städten erlassenen Statuten wurden für ketzerisch erklärt; von der Kirche um Eingriffe in ihr Forum Gebannte sollten nach einem Jahr auch im Banne des Reiches sein; die Steuerfreiheit der Geistlichen ward anerkannt; die Ketzer wurden außer dem Gesetz gestellt, ihre Denunziation und Vernichtung allen Obrigkeiten anbefohlen. Den Pilgern ward Sicherheit, dem Schiffbrüchigen seine Habe, dem Landmann die friedliche Arbeit gewährt. So menschenfreundliche Gesetze wurden nur als unscheinbare Artikel jenen Konstitutionen angeheftet, über deren Finsternis sie einen leisen Schimmer besserer Zukunft ausgossen. In der karolingischen Epoche erließen die Kaiser bürgerliche Verordnungen, welche die Rechtsverhältnisse der Römer oder das päpstliche Wahlgesetz regelten und die Autorität des Kaisers sicherten; im Zeitalter Innocenz' III. verkündigten sie nur noch die Freiheit des Klerus von der Staatsgewalt und machten sie Edikte über die Ketzervertilgung durch die Inquisition. Das Kaisertum war kraft- und rechtlos in der Stadt. Der schwärmerische Knabe Otto III. war ein mächtigerer Mann in Rom als Barbarossa oder Friedrich II.

Der letzte Erbe des Hohenstaufenhauses, welchen die Kirche nur widerstrebend auf den Kaiserthron erhob, hatte ihr demnach bestätigt, was nur immer der Welfe Otto gewähren mochte. Ihr Sieg war vollständig. Der lange Investiturstreit löste sich auf in der Anerkennung ihrer Unabhängigkeit vom Staat.

Als nun Friedrich II. am Krönungstage nochmals das Kreuz aus den Händen des Kardinals Ugolino nahm und versprach, im folgenden August sich nach Syrien einzuschiffen, war Honorius III. wahrhaft befriedigt. Die wichtige Angelegenheit Siziliens ließ er auf sich beruhen; er fuhr fort, dem Kaiser den Titel »König von Sizilien« zu geben, nachdem ihn dieser wohl mit der Versicherung beschwichtigt hatte, daß die Personalunion dieses Landes mit dem Reich nicht zu einer realen werden sollte.


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