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3. Leo I. Papst 440. Afrikanische Flüchtlinge in Rom. Ketzereien. Placidia stirbt 450. Ihre Lebensschicksale. Ihre Tochter Honoria. Attila wird von ihr gerufen. Die Katalaunische Schlacht. Attila dringt in Oberitalien ein. Valentinian in Rom. Gesandtschaft der Römer an den Hunnenkönig. Der Bischof Leo vor Attila. Eine berühmte Legende. Abzug und Tod Attilas. Statuen des Kapitolischen Jupiter und des Vatikanischen Petrus.
Nachdem Sixtus III. im August des Jahrs 440 gestorben war, wurde der Diaconus Leo, ein Sohn des Römers Quintianus, einstimmig zu seinem Nachfolger gewählt. Die Stadt hatte die Wahl dieses außerordentlichen Mannes so wenig zu bereuen, daß sie ihm vielmehr ihre Erhaltung schuldig werden sollte. Leo befand sich damals in Gallien, wohin er vom Kaiser Valentinian geschickt worden war, um den großen General Aëtius mit seinem Gegner Albinus zu versöhnen. Als er, nach Rom zurückgekehrt, am 29. September die bischöfliche Weihe in St. Peter empfing, gewann er die Römer durch eine Predigt, die sein glänzendes Rednertalent zu erkennen gab. Kein anderer Papst hat sich dieser Gabe mit so großem Geschick zu bedienen gewußt. Die Zeiten waren schwer genug; das Kaisertum, von einem Knaben verwaltet, neigte sich zum Fall; die Provinzen des Reichs wurden, eine nach der andern, die Beute germanischer Völker. In so grenzenloser Not fand sich der römische Kaiser ohne Gewissensbisse mit den Barbaren ab, aber der römische Bischof, welcher dieses Reich täglich mehr zerfallen sah, verteidigte nachdrücklicher die Kirche gegen das Eindringen orientalischer Ketzerei; er vermochte das orthodoxe Dogma zur Geltung zu bringen und dem Römischen Stuhl den Primat zu erringen. Aus dem von den Vandalen eroberten Karthago und dem verwüsteten Numidien hatten Scharen afrikanischer Flüchtlinge auch in Rom Schutz gesucht. Die pantheistische Sekte der Manichäer war unter ihnen zahlreich vertreten; der Papst nahm sie nur auf, wenn sie ihre Ketzerei abschworen; ihre Schriften aber ließ er öffentlich verbrennen.
Leo hatte Mühe genug, die Reinheit der orthodoxen Lehre zu erhalten; der müßige Geist der Menschen, allen staatlichen Dingen entfremdet, arbeitete mit Leidenschaft theologische Systeme aus: Manichäer, Priszillianer, Pelagianer erhoben in den Provinzen ihr Haupt, und die neu entstandene Ketzerei der Monophysiten verwickelte den Bischof Roms in einen langwierigen Prozeß mit dem Orient, aus welchem er dann als Sieger hervorging. Leo I. gründete den Primat des Apostolischen Stuhls zu Rom, und seine Bestrebungen fanden an einem bigotten Weibe, der Augusta Placidia, und an einem schwachsinnigen Kaiser, ihrem Sohne Valentinian, die bereitwilligsten Helfer. Sie kamen beide mehrmals nach Rom, wo sie die Gräber der Apostel besuchten und deren Kirchen mit Weihgeschenken schmückten. Galla Placidia ließ auch die Mosaiken in St. Paul verfertigen. Sie selbst starb zu Rom am 27. November 450. Ihre Leiche wurde in die Kaisergruft Ravennas gebracht, wo sie, auf einem Throne von Zypressenholz sitzend, sich noch jahrhundertelang erhielt.
Das seltsame Leben dieser Fürstin begleitete den Fall des kaiserlichen Rom, wie das Leben der Kleopatra jenem der römischen Republik zur Seite gegangen war. Es ist überhaupt eine in der Geschichte bemerkbare Erscheinung, daß in Epochen des Verfalls sich Gestalten von Frauen erheben, deren Einfluß auf die Zeiten groß und deren Schicksal ihr Sittengemälde ist. Die Periode des sinkenden Rom bezeichnen im Okzident wie im Orient Placidia und Pulcheria, Eudokia, Eudoxia und Honoria, die Tochter Placidias, Frauen, welche das wüste Dunkel jener Epoche durch menschliche Leidenschaften erhellen und mildern. Es gibt unter allen Lebensgeschichten berühmter Frauen wenige, die durch historische Verhältnisse bedeutender, vielleicht nicht eine, die durch die Menge wechselnder und abenteuerlicher Ereignisse wie durch den Reiz der Szenen erstaunlicher gewesen wäre als diese der Galla Placidia. Die Tochter des großen Theodosius und die Schwester des Honorius war von Alarich als ein Mädchen von einundzwanzig Jahren gefangen nach Kalabrien entführt worden; dem Gotenkönige Athaulf vermählte sie sich in Narbonne, und nachdem sie ihren mit ihm erzeugten Sohn Theodosius in Barcelona begraben und den Gemahl selbst im Jahre 415 durch Meuchelmord verloren hatte, wurde sie von dem Mörder Singarich schimpflich aus dem Palast gestoßen, mit Ketten belastet und gezwungen, zwölf Millien vor seinem Pferde her zu Fuß zu gehen. Nach Ravenna von dem neuen Könige Wallia ihrem Bruder zurückgesandt, sah sich die Witwe Athaulfs genötigt, wider ihrem Willen dem General Constantius ihre Hand zu geben. Dieser tapfere Mann war ein Römer aus Illyrien, durch Waffentaten schon seit den Zeiten des Theodosius berühmt, Befreier Galliens von der Tyrannei des Usurpators Gerontius, der größte damalige Feldherr Roms, von achtunggebietender Erscheinung und alles gewinnendem Wesen. Ehe sich noch Placidia entschloß, mit Athaulf sich zu vermählen, hatte sich Constantius um die Liebe der schönen kaiserlichen Schwester, doch vergebens, beworben. Die Stimme des Volkes bezeichnete ihn als den des Thrones würdigsten Römer, als den unfehlbaren Nachfolger des Honorius, an dessen Hofe er bald allmächtig war. Placidia vermählte sich endlich am 1. Januar 417 dem General, und sie gebar ihm zwei Kinder, Valentinian und Honoria. Aber ihr neuer Gemahl, welchen Honorius zum Augustus und Mitregenten erklärt hatte, starb plötzlich und sicher zum Unglück des Reichs am 21. September 421. Der Kaiser, welchem das boshafte Gerücht eine verbrecherische Neigung zur Schwester nachsagte, verwandelte seine Liebe in Haß und verstieß die Unglückliche mit ihren Kindern nach Byzanz. Wir sahen, daß sie kurze Zeit darauf mit einem Heere wiederkam, nach vielen Gefahren zur See in Italien landete und ihren und des Constantius Sohn auf den Thron des Abendlandes setzte, um noch fünfundzwanzig lange Jahre das Römische Reich als Vormünderin oder Regentin zu regieren.
Gleich nach ihrem Tode griff ihre Tochter Honoria auf seltsame Weise in die Geschicke des Reiches ein. Dieses Mädchen war früher am Hofe zu Ravenna erzogen worden; von sinnlichen Trieben in der Einsamkeit eines klösterlichen Lebens gequält, hatte die siebzehnjährige Prinzessin ihrem eigenen Hofmeister Eugenius sich hingegeben. Placidia entdeckte eines Tags, daß ihre junge Tochter der Mutterschaft entgegensehe, und sie schickte die Gefallene an den Hof nach Konstantinopel, wo sie die strenge Jungfrau Pulcheria in einem Gefängnis verschloß. Hier schmachtete die Tochter Placidias seit dem Jahre 434. In ihrem Kerker war sie auf den abenteuerlichen Gedanken gekommen, den furchtbarsten Mann der Zeit, den Hunnenkönig Attila in Pannonien, zu ihrem Retter aufzurufen, zum Lohn der Befreiung ihm ihre eigene Hand und damit auch den Anspruch auf einen Teil des Reichs als Mitgift zu geben. Die Erinnerung an die ungewöhnlichen Erlebnisse der schönen Athenais oder Eudokia, der Gattin Theodosius II., und jene an die Wanderschicksale der eigenen Mutter, welche es nicht verschmäht hatte, sich mit einem Barbarenkönige, dem Plünderer Roms, zu vermählen, erleichterten ihre Zweifel, wenn sie solche hegte. Sie fand Gelegenheit, einen Eunuchen an Attila zu senden, der ihm Brief und Brautring übergab. Dies geschah noch vor dem Tode des Theodosius, und kaum war der Senator Marcianus von Pulcheria zu ihrem Gemahl und zum Kaiser des Ostens erhoben worden, als Attila die vermeintlichen Rechte geltend machte, welche ihm die Verlobung mit Honoria gab. Der Hof Konstantinopels eilte hierauf, die Prinzessin nach Ravenna zurückzuschicken, um sich des Gegenstandes der Forderungen Attilas zu entledigen. Kaum in Italien angekommen, wurde Honoria zu einer Scheinehe mit einem Hofbeamten gezwungen; denn diese sollte den Ansprüchen des Hunnenkönigs als Rechtstitel entgegentreten, und nach vollzogener Vermählung verurteilte man die Tochter Placidias, im Gefängnis zu verschmachten.
Viele Gründe trieben unterdes den König der Hunnen, statt sich auf Konstantinopel zu werfen, seine sarmatischen und germanischen Völker über den Westen und die Provinzen Galliens zu ergießen. Wir folgen nicht den Spuren dieser entsetzlichen Verheerungen; wir sehen nur mit Befriedigung dieselben Westgoten, welche einst Rom geplündert hatten, jetzt als Kämpfer für die römische Bildung mit den Scharen des Aëtius sich vereinigen und die Horden Attilas auf den Katalaunischen Feldern glorreich bekämpfen. Eine der größten Völkerschlachten, welche die Geschichte Europas kennt, war die letzte heroische Tat des Römischen Reichs; wie sie seinen Untergang mit Glanz umgibt, so ehrt sie auch das Andenken der Westgoten und reinigt es von dem Hasse der Plünderung Roms.
Der geschlagene Hunnenkönig raffte den Rest seiner Völker zusammen und kehrte nach dem niederen Pannonien zurück, aber nur, um die Winterruhe zur Ansammlung neuer Streitkräfte zu benutzen und dann im Frühjahr 452 über die julischen Alpen nach Italien hinabzusteigen, die Hand seiner Verlobten, ihr Erbe und die von ihm beanspruchten Titel an sich zu nehmen. Auf seinem Zuge von Friaul her zermalmte er die unglücklichen Städte in Venetien, Insubrien und der Aemilia und machte dann an der Stelle halt, wo der Mincius in den Po sich ergießt. Zwischen ihm und Rom stand weder eine Festung noch ein Heer; denn der römische General Aëtius hatte nur wenige Kriegsvölker zusammengebracht, welche die Pässe des Apennin schwerlich verteidigen konnten, und die ummauerten Städte, die Attilas Marsch noch hemmen konnten, versprachen nicht, wie das heldenmütige Aquileja, eine dreimonatige Belagerung auszuhalten. Der feige Valentinian hatte nicht einmal in Ravenna sich zu behaupten vermocht, sondern er war von Aëtius nach Rom gebracht worden und hier wehrloser als einst Honorius. Die schlechtgerüstete Stadt sah sich einem unmenschlichen Feinde bloßgestellt, und die verzweifelten Römer, nicht einmal mehr des Entschlusses fähig, sich zu bewaffnen und ihre Mauern zu verteidigen, sagten sich mit Entsetzen, daß sie von Attila, dessen Würgerhände vom Blute Aquilejas trieften, nicht das Erbarmen hoffen durften, welches ihnen der großmütige Alarich geschenkt hatte.
In dieser Not entschieden sich Kaiser und Senat zu einer feierlichen Gesandtschaft, um vom Hunnenkönige den Frieden und Rückzug zu erbitten. Die angesehensten Männer Roms, der Konsular Gennadius Avienus, das Haupt des Senats, Trigetius, ehemals prätorischer Präfekt Italiens, und der Bischof Leo wurden ausgewählt, diesen verzweifelten Auftrag zu vollführen. Der greise Leo war jenen Senatoren beigegeben, um ihr Ansehen durch den Nimbus seiner geistlichen Stellung, durch die Würde seiner Person und den Zauber seiner Redekunst zu verstärken. Auch hatte ihn das Volk ohne Zweifel zum Gesandten begehrt. Hier erscheint zum erstenmal der Bischof Roms als Mithandelnder bei einem Akt politischer Natur, und wohl darf man annehmen, daß er, gleich allen anderen Bischöfen in den Städten des Abendlandes, schon einen großen und offiziell anerkannten Einfluß auf die Stadtkurie besaß.
Selten war ein Priester mit einer dankbareren Sendung betraut worden. Sein Auftreten vor diesem schrecklichen Völkergebieter, welcher die Hauptstadt der Welt zu zerstören im Anzuge war, erwarb ihm vielleicht mehr durch Gunst der priesterlichen Legende als durch sein wirkliches Verdienst den Dank der Menschheit und die Unsterblichkeit. Ein Attila empfand schwerlich mehr Furcht vor einem Bischof als vor einem Senator; gleichwohl war Leo damals der wahre Repräsentant der menschlichen Kultur, deren Rettung bereits in der Geistesmacht der Kirche lag.
Die römischen Abgeordneten trafen die »Geißel Gottes« im Lager am Mincius. Als sie in das Zelt des Königs geführt wurden, fanden sie ihn schon von Zweifeln bestürmt und deshalb zugänglicher, als sie hoffen durften. Die Vorstellung von dem plötzlichen Tode, welcher Alarich bald nach der Einnahme Roms hingerafft hatte, scheint auf das Gemüt des abergläubischen Hunnen einigen Eindruck gemacht zu haben. Wenigstens wollte man wissen, daß seine Freunde ihn durch das Beispiel jenes großen Goten abmahnten, gegen Rom zu ziehen. Erst eine spätere Sage erzählt, Attila habe neben dem ihn ermahnenden Leo die übernatürliche Gestalt eines ehrwürdigen Greises in priesterlichem Gewande erblickt, welcher ihm mit entblößtem Schwert den Tod drohte und gebot, den Worten des heiligen Bischofs zu gehorchen. Diese berühmte Legende ist eine sinnreiche Dichtung, die dem christlichen Genie Ehre macht und unsere Teilnahme auf das unglückliche Rom lenkt, welches ein schwebendes himmlisches Scheinbild statt der Helden und Bürger beschirmen mußte. Weder Raffael in einer der Stanzen des Vatikan, noch Algardi in einer Kapelle des St. Peter haben ihre einfache Schönheit ganz auszudrücken vermocht. Sie stellten den zurückbebenden Attila dar, wie er die Apostel Petrus und Paulus mit gezogenen Schwertern über sich in der Luft zu erblicken glaubt.
Die Nachgiebigkeit des Hunnenkönigs ist übrigens noch weniger ein Rätsel, als es der plötzliche Abzug Alarichs von Rom gewesen war. Wir können die Entsagung Attilas nicht dem Zauber zuschreiben, welchen der ehrwürdige Name Roms noch immer auf die Phantasie der Menschen übte. Denn ihn hatte Alarich gemindert oder ausgelöscht. Aber diese hunnischen Völker wälzten sich wie ein verwüstender Strom durch die Länder; sie zerstörten mit bestialischer Wut Felder und Städte, wodurch sie sich der Quellen ihres Unterhalts selbst beraubten; sie litten zu gleicher Zeit vom Hunger, von der Pest und dem Sommerfieber Italiens; auch kam ihnen Kunde, daß der Kaiser Marcian ein Heer nach Pannonien geschickt hatte, welches ihre Rückzugslinie bedrohte. Attila hielt es deshalb für klüger, sich für diesmal mit der Demütigung Roms durch diese Bitte um Frieden und durch das Versprechen eines jährlichen Tributs zu begnügen. Er bewilligte den Gesandten seinen Rückzug am 6. Juli 452. Wenn er Rom erobert hätte, so würde die Furie der mongolischen Horden diese Stadt in einen qualmenden Schutthaufen verwandelt haben. Der Welt blieb der entsetzliche Ruin erspart, und Rom wurde ihr als die heilige Überlieferung der Jahrhunderte, als Mittelpunkt der Zivilisation und der politischen wie religiösen Ideen erhalten.
Attila zog nach Pannonien zurück, drohend, daß er Italien und Rom zerstören werde, wenn man ihm nicht Honoria mit angemessener Mitgift überlieferte. Dies auszuführen, wurde er glücklicherweise schon im folgenden Jahre 453 durch den Tod verhindert, der ihn im Brautbett eines schönen Weibes überraschte.
Die Erlösung Roms gab zu einer späteren Sage Veranlassung. Man erzählte, daß Leo, von seiner ruhmvollen Gesandtschaft zurückgekehrt, aus Freude über die erfüllte Sendung und die ihm vom Apostelfürsten geleistete Hilfe die Statue des Kapitolischen Jupiter eingeschmolzen und zu jener bronzenen Figur des Apostels umgegossen habe, die man heute im St. Peter thronen sieht. In diese Legende verlor sich der majestätische Schutzgott des Römischen Reichs; sein heiliges Tempelbild, welches in dem allgemeinen Sturz der Götter einen unbemerkten Untergang fand, tritt in ihr zum letzten Male auf, und sie selbst ist ein treffendes Symbol der Metamorphose Roms. Der Jupiter auf dem Kapitol war der weltbeherrschende Gott des Abendlandes gewesen; im hellenischen Orient hatte als Götterhaupt der alten Religion Jahrhunderte hindurch jener wundervolle Koloß des Zeus gethront, den einst der große Phidias in Olympia errichtet hatte. Auch er war nicht mehr. Er saß noch in tragischer Einsamkeit in seinem Tempel bis zum Ende des IV. Jahrhunderts, wo er nach Konstantinopel soll fortgebracht worden sein und dann, wie es heißt, unter der Regierung Zenos des Isauriers in einem Brande vernichtet ward.
Die Stadt Rom feierte ihre Rettung von Attila eine Zeitlang durch kirchliche Jahresfeste. Aber der große Bischof tadelte in seiner Predigt an einem dieser Jahrestage die Römer, daß sie, anstatt am Apostelgrabe Dankgebete darzubringen, den zirzensischen Spielen nachrannten. »Die religiöse Feier«, so sagte er, »bei welcher wegen des Tages unserer Züchtigung und Befreiung das ganze Volk der Gläubigen zum Dank gegen Gott zusammenströmte, ist fast von allen alsbald vergessen worden, wie die kleine Zahl der Anwesenden lehrt, und das hat mein Herz betrübt und erschreckt. Ich schäme mich, es zu sagen, und doch darf ich es nicht verschweigen: mehr wird den Dämonen als den Aposteln angehangen, und mehr Volk ziehen die schändlichen Schauspiele an sich als die Stätten der Märtyrer. Wer hat diese Stadt gerettet, wer sie von Gefangenschaft erlöst, wer sie vom Mord befreit, die zirzensischen Spiele oder die Sorge der Heiligen?«
Die fortdauernde rasende Lust der Römer am Circus und den Pantomimen erregt mit Recht Erstaunen. Als einen nationalen Vergnügungssinn hatten sie dieselbe geerbt, und während im Volk das Gefühl für die Schicksale des untergehenden Reichs im Stumpfsinn verlorenging, versetzte sie der Wettstreit der Grünen und Blauen noch immer in wütende Leidenschaft. Ein gallischer Bischof jener Zeit erschrak über diese dämonische Schauspielwut und rief die fürchterlichen Worte aus: »Wer kann im Angesicht der Gefangenschaft an den Circus denken? Wer zur Hinrichtung gehen und lachen? Wir spielen mitten in der Angst der Sklaverei und lachen in Todesfurcht. Man möchte glauben, das ganze römische Volk habe sich mit dem sardonischen Kraut gesättigt: es stirbt und es lacht.«