Ferdinand Gregorovius
Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter
Ferdinand Gregorovius

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2. Die Römer fordern einen Römer oder Italiener zum Papst. Das Konklave. Wahl des Erzbischofs von Bari. Der Scheinpapst. Flucht der Kardinäle. Urban VI. als Papst anerkannt. Beleidigung der Kardinäle durch Urban. Beginnende Spaltung. Johanna von Neapel und Otto von Braunschweig. Die Ultramontanen gehen nach Anagni. Honoratus von Fundi. Urban VI. in Tivoli. Das Gefecht am Ponte Salaro. Manifest der französischen Kardinäle gegen Urban. Vermittlung der drei italienischen Kardinäle. Enzyklika der Ultramontanen. Sie wählen Clemens VII. Urban VI. verlassen in Rom. Die heilige Katharina. Wahl neuer Kardinäle in Rom. Bannbulle.

Als der Tod Gregors erfolgt war, sandten die Kardinäle nach den Häuptern der Republik; diese beschworen den Schutz und die Freiheit des Konklave. Im Volk gärte es. Aufregende Gerüchte gingen um. Es hieß, daß der Erzbischof von Arles, Kämmerer der Kirche, welcher die Engelsburg hatte besetzen lassen, mit dem Kardinal von S. Eustachio die bretonische Soldbande herbeigerufen habe. Der Magistrat zog deshalb Truppen aus Tivoli und Velletri in die Stadt. Man besetzte alle Brücken und Tore, die Flucht der Kardinäle zu hindern und den Einfluß der Landbarone abzuhalten. Die angesehensten Edlen wurden sogar aus Rom verbannt. Während nun die Kardinäle die neuntägigen Exequien in S. Maria Nuova begingen, stellten ihnen wiederholte Deputationen der Stadt die gefährliche Lage Roms vor und baten sie dringend, den Wünschen des Volkes Rechnung zu tragen. Diese Römer entwarfen ein energisches Gemälde von den Leiden Roms wie Italiens während der avignonesischen Zeit, von dem Verfalle der Stadt, dem Ruin der Stiftsgüter und Patrimonien der Kirche, von der Verwirrung und Erschöpfung der Städte und Landschaften durch das Mißregiment der französischen Rektoren wie der Tyrannen, von den Kriegen ohne Ende, den unermeßlichen Summen, welche sie verschlungen hatten, von den Mißbräuchen in der Kirchenverwaltung infolge des Nepotismus der ausländischen Päpste und ihrer schamlosen Habsucht. Sie forderten einen Römer oder Italiener zum Papst, weil nur ein solcher Italien, Rom und die Kirche retten könne. Ihre Auseinandersetzung, unwiderleglich wie die Beschwerden der Florentiner, hat den vollkommenen Wert eines historischen Dokuments jener Zeit.

Das Konklave sollte im Vatikan stattfinden. Da sein Schutz der städtischen Obrigkeit gebührte, wurden einige Regionenkapitäne und Bürger zu dessen Hütern ernannt und ihnen der Bischof von Marseille als Kustos mit den Bischöfen von Tivoli und Todi beigegeben. Diese Behörde beschwor ihre Pflicht. Der Borgo ward abgesperrt; Milizen umringten den Vatikan, während die Kardinäle auch die Kirchenschätze in die Engelsburg bringen ließen. Ein Block und ein Beil warnten im St. Peter vor der Störung der Ruhe – und diese schreckliche Zurüstung galt der Wahl des Oberpriesters der Christenheit.

Abends am 7. April zogen die Kardinäle unter Trompetenklang nach dem Konklavesaal, wo dem Gebrauche gemäß für jeden von ihnen eine Zelle aus Vorhängen eingerichtet war. Ein Gewitter war aufgestiegen; der Blitz hatte kurz vorher Saal und Zellen getroffen. Man weissagte Unheil. Das Volk grüßte den Zug mit Ehrerbietung, aber es rief: Romano o Italiano lo volemo! Die Kardinäle konnten sich sagen, daß sie unter dem Geklirr der Waffen und vom aufgeregten Volk umlagert zu wählen hatten. Das Konklave war stürmisch; aber Angst und Eifersucht kürzten es ab und brachten eine Vereinigung zustande, welche unter den gegebenen Verhältnissen an jedem anderen Ort außerhalb Rom unmöglich gewesen wäre. Die Franzosen, deren Führer Robert von Genf war, protestierten gegen jede Wahl eines Limousiners. Die Kirche, so sagten sie, habe mit Urban V. und Gregor XI. deren bereits genug. Man verwarf auch die Wahl eines Römers; denn der schwache Tebaldeschi war zu alt, der ehrgeizige Orsini zu jung, und außerdem würde eine römische Wahl den Verdacht erregt haben, daß sie aus Furcht geschehen sei. Von den zwei andern Italienern war der eine aus dem feindlichen Florenz, der andere aus der Stadt des Tyrannen Bernabò. Während die Kardinäle berieten, traten die Regionenkapitäne ins Konklave und forderten noch einmal drohend einen Römer oder Italiener zum Papst. Der Kardinal von Florenz antwortete ihnen mit Festigkeit. In dieser Bedrängnis schlugen einige Limousiner den Neapolitaner Bartolomeo Prignano, Erzbischof von Bari und Vizekanzler der Kirche, vor, einen Mann, welcher als unbescholten, gelehrt und umsichtig geachtet war und außerdem als Vertreter des Hauses Anjou beide Nationalitäten zu vermitteln schien. Die erste Sammlung der Stimmen fiel zu seinen Gunsten aus. Es war Mitternacht vorbei. Man hörte das Gelärm des Volks; die Kardinäle blieben schlaflos. Man stieß von unterwärts mit Lanzen in den Fußboden des Konklavesaals; man häufte Brennstoffe auf. Am Morgen des 8. April ward das Volk ungeduldig; die Glocken läuteten Sturm. Voll Furcht eilten die Kardinäle zur entscheidenden Wahl, und nochmals kam der Erzbischof von Bari mit allen Stimmen, außer der des Orsini, als Papst hervor. Dieser junge Kardinal, welcher nach der Tiara trachtete, suchte überhaupt die Wahl zu hindern und hatte bereits den gefährlichen Rat gegeben, einen Scheinpapst aufzustellen, um eine Ruhepause zu gewinnen und das Konklave anderswohin zu verlegen.

Man verschob die Kundgebung der Wahl auf den Nachmittag; man schickte nach dem Gewählten unter dem Vorwande von Kirchengeschäften. Erschöpft setzte man sich zur Mahlzeit nieder. Indes erscholl das falsche Gerücht, der Kardinal Tebaldeschi sei Papst. Das Volk plünderte sofort die Wohnung desselben, und man hörte am Vatikan das Jubelgeschrei: »Wir haben einen Römer!« Die Türen des Konklaves wurden aufgebrochen; man stürmte in den Saal, den Römer zu verehren. Die bebenden Kardinäle wichen in eine angrenzende Kapelle, aber auch diese ward aufgesprengt; worauf sie voll Todesfurcht dem tobenden Schwarm einen Römer als Scheinpapst darstellten, um sich selbst zu retten. Der greise Tebaldeschi ward in Hast mit Mitra und Mantel bekleidet und fand sich auf dem Papststuhle sitzen, während die Römer jubelnd sich vor ihm niederwerfen, seine Füße und Hände küßten und ihn in Huldigungen zu ersticken drohten. Die Kardinäle suchten unterdes das Weite. Der zitternde Scheinpapst saß auf dem Thron, der wirklich Gewählte bebte in einer Kammer des Palasts im Versteck. Der podagrische Greis befreite sich endlich aus seiner qualvollen Lage; Verzweiflung und Scham zwangen ihm das laute Bekenntnis ab, daß nicht er, sondern der Erzbischof von Bari Papst sei. Als die grobe Täuschung erkannt wurde, rief das Volk: »Wir haben keinen Römer? Tod den Verrätern!« Man läutete Sturm, und alles griff zu den Waffen. Einige Kardinäle wurden gewaltsam ins Konklave zurückgebracht, und sie erklärten mit Festigkeit, daß Prignano zum Papst gewählt sei. Der grenzenlose Tumult machte ihnen allen die Flucht möglich; sechs verschlossen sich in die Engelsburg, vier entflohen aus der Stadt, die übrigen gingen unbelästigt in ihre Wohnungen; nur Tebaldeschi blieb mit dem versteckten Erzbischof im Vatikan.

Die Täuschung hatte indes nicht die gefürchteten Folgen, denn die Magistrate erfüllten ihre Pflicht. Am folgenden Tage, dem 9. April, zeigte der Kardinal von Florenz der städtischen Behörde die kanonische Wahl des Erzbischofs von Bari an, und die Römer beruhigten sich alsbald bei dem Gedanken, daß er Italiener sei. Die Häupter der Republik eilten nach dem Vatikan, ihm zu huldigen, was er jedoch mit dem Bemerken ablehnte, daß er seiner kanonischen Wahl noch nicht vollkommen gewiß sei. Die Kardinäle in Rom stimmten dieser unterdes persönlich, die in der Engelsburg schriftlich bei; die letzteren kehrten sogar nach dem St. Peter zurück, wo sie nun zwanglos und einmütig den Wahlakt bestätigten und den Erzbischof inthronisierten. Dieser feierte sodann das Osterfest mit allen Kardinälen im Aposteldom, nachdem auch jene in die Campagna entflohenen zurückgekehrt waren. Am Ostersonntage wurde er in aller Form gekrönt, worauf er vom Lateran Besitz nahm.

Bartolomeo Prignano bestieg am 18. April 1378 als anerkannter Papst Urban VI. den Heiligen Stuhl, und sämtliche Kardinäle, seine Wähler, machten durch Rundschreiben der Welt bekannt, daß er kanonisch erwählt und eingesetzt sei. Aber die Wahl dieses Mannes war ein großes Unglück. Denn dem jähzornigen Neapolitaner hatte die Natur gerade alle Eigenschaften verliehen, die ihn zum Dämon der Zwietracht machen mußten. Seine plötzliche Erhebung erfüllte ihn mit sinnverwirrendem Hochmut, und sie scheint ihn in Wahrheit um den Verstand gebracht zu haben. Die ultramontanen Kardinäle, welche ihn nur aus Furcht erwählt hatten, gerieten alsbald in Streit mit ihm. Statt sie mit weiser Milde allmählich zu gewinnen, forderte er sie mit Schroffheit heraus. Nie hat einem Papst Lebensklugheit so ganz gefehlt. Im ersten Konsistorium richtete er eine heftige Anrede an die Bischöfe und Kardinäle; mit ihnen, so sagte er, müsse die Reform der Kirche beginnen; sie dürften fortan nie mehr ihre Sitze verlassen, keine Gehälter oder Geschenke von Fürsten und Städten annehmen, sondern zur christlichen Einfachheit zurückkehren. Die Vorwürfe waren gerecht, doch ihre Form war beleidigend. Diese Kirchenfürsten lebten in weltlichen Lastern und anstößigem Luxus. Fast ein jeder von ihnen hielt hundert Pferde; fast jeder häufte die Einkünfte von zehn bis zwölf Bistümern, Abteien und großen Stiften auf. Fast in allen war der priesterliche Charakter ausgelöscht. Mit dem Purpur, welchen sie trugen, dünkten sie sich den Königen gleich, und sie forderten selbst vom Papst als dessen Pairs Ehrerbietung. Der hinkende Kardinal von Genf trat nach dem Konsistorium an Urban heran und sagte ihm: »Ihr habt heute die Kardinäle nicht mit der Achtung behandelt, welche sie von Euern Vorgängern empfingen. Ich sage Euch in Wahrheit, wie Ihr unsere Ehre mindert, so werden auch wir die Eure mindern.« Die stolzen Kirchenfürsten hatten erwartet, daß Urban, der nie Kardinal gewesen war, ihr dienstwilliges Geschöpf bleiben werde, und jetzt sahen sie ihn als befehlenden Papst vor sich stehen. Die Partei von Limoges und die Roberts von Genf vereinigten sich sofort in gleichem Nationalhaß gegen diesen Italiener.

Es fanden sich andere Ursachen der Entzweiung. Urban erklärte, daß der Heilige Stuhl in Rom bleiben müsse; er lehnte die Parteinahme für Frankreich gegen England ab, zeigte, daß er das Papsttum vom französischen Einfluß befreien wolle und gab unvorsichtig die lobenswerte Absicht zu erkennen, viele neue Kardinäle aus allen Nationen zu machen. Mehrere Wochen lang gärte es in der Kurie. Der provençalische Kastellan weigerte sich, die Engelsburg Urban auszuliefern, ehe er die Einwilligung der in Avignon befindlichen Kardinäle erhalten habe, und er blieb im Besitz der Burg. Die auf Abfall sinnenden Ultramontanen knüpften jetzt rebellische Verbindungen an; sie konnten auf Karl V. von Frankreich zählen; denn die französischen Machtverhältnisse waren durch die Rückkehr des Heiligen Stuhls nach Rom empfindlich getroffen worden. Sie fanden bald auch geneigtes Ohr bei Johanna von Neapel. Diese Königin hatte sich zum dritten Male vermählt, mit Jakob von Aragon, dann im Jahre 1376 den Herzog Otto von Braunschweig zu ihrem vierten Gemahl gemacht, und ihm wünschte sie die Krone zu sichern. Über die Wahl eines Neapolitaners zum Papst erfreut, hatte sie Otto mit glänzendem Gefolge nach Rom gesandt, Urban zu huldigen und für ihre Wünsche zu stimmen. Doch Otto ward mißachtet; der Papst, welcher nicht wollte, daß nach Johannas Tode Neapel an die Deutschen zurückfalle, begünstigte die Ansprüche Karls von Durazzo, des letzten vom Stamme des ersten Anjou.

Am Ende Mai gingen die Ultramontanen unter dem Vorwande, daß die Luft ungesund werde, nach Anagni, wo noch Gregor XI. für die Sommerresidenz Zurüstungen gemacht hatte. Urban gestattete ihnen dies, und er versprach sogar nachzufolgen. Dort war Herr Honoratus von Fundi, der mächtigste Dynast in Latium und zugleich Vasall Neapels, noch von Gregor XI. her Rector der Campania und Maritima. Er hatte eine Schuldforderung von 12 000 Gulden an die Kirche zu machen, und diese lehnte Urban ab, welcher ihm außerdem befahl, sein Rektoramt niederzulegen. Denn dafür hatte er Thomas von Sanseverino, den persönlichen Feind des Grafen, ausersehen. Honoratus trat deshalb auf die Seite der Opposition; auch war er bereits mit dem Hause Braunschweig in Verbindung, weil er seine einzige Tochter Jacobella dem Herzog Balthasar, Ottos Bruder, zum Weibe versprochen hatte. Nach Anagni entwich der Erzbischof von Arles, Kämmerer Gregors XI., sogar mit den Juwelen und der Papstkrone. Urban befahl den Kardinälen, ihn zu verhaften, was wirklich oder scheinbar geschah. Er selbst ging argwöhnisch nach Tivoli mit den Italienern. Die Ultramontanen suchten den Papst nach Anagni zu locken; nach Tivoli gerufen, weigerten sie sich, ihm dorthin zu folgen.

So vergingen noch einige Wochen, ehe sie die Masken fallen ließen. Sie riefen jedoch zu ihrem Schutz die Bretagner und Gascogner, und diese Bande, bisher im Dienst der Kirche, zog plündernd bis in die Nähe Roms. Hier aber hielt sich das Volk aus Nationalgefühl zum Papst, welcher Thomas von Sanseverino zum Senator gemacht hatte. Den Zug der Soldknechte nach Latium zu hindern, rückten die Römer am 16. Juli sogar gegen sie mannhaft ins Feld, doch sie erlitten am Ponte Salaro eine empfindliche Niederlage. Fünfhundert Mann, darunter viele vornehme Herren, blieben in diesem Kampf. Das Volk metzelte hierauf aus Rache die Ultramontanen in der Stadt nieder, so viele deren in seine Hände fielen. Die bretonische Bande hauste seither jahrelang in der römischen Campagna. Der Papst, welcher sich in Tivoli bedroht glaubte, bat die Königin von Neapel, die sich noch nicht offen wider ihn erklärt hatte, um Hilfe, und sie schickte ihm ein paar hundert Lanzen.

Am 20. Juli erklärten sich die Ultramontanen. Sie schrieben an die vier italienischen Kardinäle, sagten, daß die Wahl Prignanos ungültig, weil durch Furcht erzwungen sei und forderten jene auf, binnen fünf Tagen sich in Anagni zu gemeinsamer Beratung einzufinden. So sah sich jetzt Urban VI. in der Lage Bonifatius' VIII. Kardinäle, welche ihn gewählt und monatelang anerkannt hatten, erklärten seine Wahl als null. Wie einst hinter den rebellischen Colonna stand hinter den abtrünnigen Ultramontanen dasselbe Frankreich. Aber diese machten fast das ganze heilige Kollegium aus, und sie waren die kirchlichen Vertreter jener Monarchie, deren dienstbare Sklavin das Papsttum schon siebzig Jahre lang gewesen war. Was jetzt heraufstieg, war nicht eine Rebellion, sondern eine durch die Vergangenheit begründete nationale Spaltung, welche die Kirche unfehlbar in zwei politische Hälften zerreißen mußte.

Urban VI. erkannte sofort die ganze Bedeutung des Ereignisses; er erklärte sich bereit, seine Wahl der Prüfung eines Konzils zu unterwerfen; er schickte die drei Italiener mit vermittelnden Anerbietungen nach Anagni, und diese besprachen sich bei Palestrina mit Abgesandten der Ultramontanen; aber statt eine entscheidende Antwort zu empfangen, wurden sie nach Anagni eingeladen. Sie schwankten und blieben in Genazzano. Wie vorauszusehen war, verwarfen die Ultramontanen das Konzil; dies war verhängnisvoll, denn eine Synode zu Rom im Jahre 1378 hätte vielleicht ein vierzig Jahre langes Schisma erspart. Sie trotzten auf den Schutz Frankreichs und waren auch der Beistimmung der Kardinäle sicher, die in Avignon residierten.

Am 9. August (1378) erließen die dreizehn (es war Jean de Lagrange, der Kardinal von Amiens, hinzugekommen) zu Anagni eine Enzyklika, worin sie erklärten, daß sie, vom römischen Volke mit dem Tode bedroht, wenn sie nicht einen Römer oder Italiener zum Papst machten, den Erzbischof von Bari nur unter der Bedingung gewählt hätten, daß er seiner Wahl nicht zustimme; er habe dies jedoch aus Ehrgeiz getan und sei als Eindringling anzusehen; sie, die große Mehrheit des heiligen Kollegium, erklärten ihn dafür, sagten sich von ihm los, forderten ihn auf, die Tiara abzulegen, und die Christenheit, ihn nicht als Papst anzuerkennen.

Alsbald erzeugte dies Manifest einen Sturm von Untersuchungen über die Rechtmäßigkeit der Wahl Urbans VI. Die wichtigste Frage aber war diese: ob die Kardinäle wirklich, wie sie behaupteten, Prignano gezwungen erwählt hatten oder nicht. Aus den Akten ergibt sich als unzweifelhaft: daß die Römer einen Gewaltdruck auf das Konklave geübt und die Kardinäle unter dem Einfluß der Todesfurcht gewählt hatten. Allein die Wahl eines Italieners war trotzdem das Resultat der Uneinigkeit der Wähler selbst gewesen; auch hatten diese den Gewählten zwanglos bestätigt, gekrönt und anerkannt, seine Wahl als kanonisch der ganzen Welt verkündigt, mit ihm die feierlichsten Handlungen widerspruchslos vollzogen und von ihm Gnaden erbeten und angenommen. Der Kardinal Tebaldeschi gab noch im August sterbend die Erklärung ab, daß die Wahl Urbans frei gewesen sei. Die ersten Rechtslehrer der Zeit, Johann de Lignano und Baldus von Perugia, schrieben alsbald Verteidigungsschriften für Urban, und einige Universitäten sprachen sich zu seinen Gunsten aus. Die Argumente der Kardinäle waren zu schwach, um ihren Abfall zu rechtfertigen, aber nicht schwach genug, um nicht starke Zweifel zu erregen. Die geschichtlichen Bedingungen endlich erzeugten das Schisma mit Notwendigkeit, für welches der römische Wahltumult und das unerträgliche Wesen Urbans nur die zufälligen Veranlassungen darboten. Das avignonesische Papsttum hatte in Frankreich zu tief gewurzelt, als daß es ein spurloses Ende finden konnte, und die verderbte Kirche selbst drängte zum Zerfall. Die Empörung der Kardinäle, welche außerhalb der Bedingungen der Zeit betrachtet nur als die frevelhafte Tat nationaler Selbstsucht erscheinen muß, wird durch die Voraussetzungen von siebzig Jahren vollkommen erklärt.

Bald nach ihrer Proklamation waren die Schismatiker nach Fundi gegangen, wohin sie der Graf Honoratus gerufen hatte; und hier luden sie die drei Italiener zu sich ein, deren jedem sie besonders Hoffnung machten, Papst zu werden. Diese drei schwankten bereits; sie haßten den hassenswerten Urban, und sie zweifelten an seiner Rechtmäßigkeit; wenigstens hatte Orsini ihn niemals erwählen wollen. Sie kamen, um getäuscht zu werden. Denn am 20. September wählten die Schismatiker in Fundi Robert von Genf zum Papst, und am 31. Oktober wurde er als Clemens VII. geweiht. Die Italiener hatten weder an der Wahl teilgenommen, noch protestierten sie dagegen; aber sie kehrten auch nicht zu Urban zurück, sondern wählten eine neutrale Stellung, indem sie ein Konzil verlangten. Sie begaben sich auf die Burg Jakob Orsinis nach Tagliacozzo, wo dieser Kardinal voll Reue und Unmut schon im August 1379 starb.

Unterdes war Urban nach Rom zurückgekehrt, wo er, weil die Engelsburg nicht in seiner Gewalt war, erst in S. Maria Nuova auf dem Forum, dann in S. Maria zu Trastevere seinen Sitz nahm. Seine Lage war schrecklich, denn die Anzahl und Einigkeit der Kardinäle gab ihrer Neuwahl eine große Bedeutung. Der Gegenpapst, welcher sich wider ihn erhob, war nicht das Geschöpf eines feindlichen Kaisers, sondern eines mächtigen Teils der Kirche selbst. Ist nicht der Abfall auch der italienischen Kardinäle der stärkste Beweis für die abstoßende Natur Urbans, welcher unfähig war, Freunde an sich zu ziehen, Feinde zu versöhnen? Er sah sich bald allein. Seine Kurialen verschwanden einer nach dem andern und eilten nach Fundi. Die Tugenden der Treue und Liebe, ja die Kirche selbst, die ihn verließ, schienen nur noch durch eine Heilige vertreten zu sein. Das Mädchen von Siena stand dem Papst zur Seite, dessen Cherub sie sein wollte, und die abschreckende Gestalt dieses Neapolitaners machte ihre Erscheinung nur um so strahlender. Sie ermahnte ihn mit hinreißender Beredsamkeit zur Ausdauer, Milde und Mäßigung, während ihr sehnlichster Gedanke die Reform der Kirche und ein Kreuzzug zur Befreiung Jerusalems war. Wenn sie die Spaltung der Kirche in den tiefsten Schmerz versetzte, brachte sie der rohe Charakter des italienischen Papsts, den sie als Patriotin und auch aus Rechtsgefühl anerkennen mußte, in peinvollen Widerspruch. Die Heilige rief ihm zu, sich mit vollkommener Liebe zu erfüllen, ohne welche er seine Aufgabe nicht leisten könne.

Dietrich von Niem, der Geschichtschreiber des Schisma, ein deutscher Mann, sah damals die Tränen der Verzweiflung Urbans und vernahm seine zu späte Reue. Denn er schmeichelte jetzt umsonst den Kurialen, sie festzuhalten. Was kaum irgendein Papst erlebt hatte, erlebte er: kein einziger Kardinal war bei ihm geblieben. Als wäre er selbst ein eben erst aufgestellter Gegenpapst, mußte er eine neue Kurie schaffen. An einem einzigen Tag ernannte er, viel zu spät, mehr als zwanzig Kardinäle, meistens Neapolitaner und einige Römer, zwei Orsini und Stefan und Agapitus vom Haus Colonna, welches seit einer Reihe von Jahren aufgehört hatte, im heiligen Kollegium Mitglieder zu haben. Er erhob Prozeß gegen die Schismatiker; er exkommunizierte sie, mehrere Bischöfe, den Gegenpapst, den Grafen von Fundi, den Präfekten von Vico, die Führer der bretonischen Kompanie, erklärte sie alle für infam und vogelfrei und bedrohte alle diejenigen, welche Robert von Genf anerkennen würden, mit gleichen Kirchenstrafen.


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