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3. Die kaiserliche Pfalz in Rom. Kaisergarde. Pfalzgraf. Kaiserlicher Fiskus. Päpstliche Pfalz und Kammer. Abgaben. Verringerung der Einkünfte des Laterans. Verschleuderung der Kirchengüter. Exemtionen der Bischöfe. Anerkennung der Lehnsverträge durch die römische Kirche um das Jahr 1000.
Wir haben so viel von römischen Pfalzrichtern gesprochen, aber doch ist das Wesen der Kaiserpfalz in Rom zu jener Zeit einigermaßen dunkel. Ursprünglich mit dem päpstlichen Palast vereinigt gedacht, war sie doch zugleich der Natur nach von ihm getrennt: sie hatte ihren eigenen Hofstaat, ihre eigenen Einkünfte. Seit Karl wohnten die Kaiser am St. Peter, bisweilen im Lateran, denn sie besaßen keine Residenz in der Stadt; Otto I. hatte sich einen Palast bei Ravenna gebaut, aber nicht daran gedacht, ein gleiches in Rom zu tun. Erst Otto III. scheint den Plan gefaßt zu haben, eine römische Kaiserburg zu erbauen, die er im alten Cäsarenpalast würde eingerichtet haben, wenn ihn nicht die Masse der Ruinen daran hinderte. Er schuf sich auf dem Aventin in der Nähe von S. Bonifazio vielleicht aus einem antiken Palast eine Residenz. Hier umgab er sich mit byzantinischem Zeremoniell. Er ernannte fremdklingende Palastwürden, an deren Spitze der Magister Palatii Imperialis stand. Eine kaiserliche Garde, nur aus Edelleuten, Römern wie Deutschen, zusammengesetzt, wachte um seine Person. Die Graphia hat die Formel der Aufnahme in diese Rittergarde bemerkt: der Tribun gibt dem Miles die Sporen, der Dictator den Panzer, der Capiductor Lanze und Schild, der Magister Militiae die eisernen Beinschienen, der Caesar den bebuschten Helm, der Imperator den Gürtel mit den Abzeichen, Schwert, Ring, Halskette und Armbänder. Offenbar ist hier byzantinisches und römisches Wesen durcheinandergemischt. Die kaiserliche Miliz bestand aus zwei Kohorten von je 555 Mann; eine jede befehligte ein Comes, ihr Haupt aber war der kaiserliche Pfalzgraf, welcher »über alle Grafen der Welt gestellt und mit der Sorge um den Palast betraut war«. Zu Ottos III. Zeit wird zum erstenmal der Comes sacrosancti Palatii Lateranensis genannt; im Jahre 1001 bekleidete der Römer Petrus diese Würde, im Jahr 998 scheint sie der Präfekt Johannes besessen zu haben, da er sich in jenem farfensischen Placitum comes palatii unterschrieb; aber es gab schon damals mehrere Grafen der Pfalz. Auch dieser Beamte gehörte dem päpstlichen Hofe an und ging zugleich in den kaiserlichen über, so daß in den folgenden Jahrhunderten Kaiser und Päpste seinen Titel erteilten, bis er endlich jede Bedeutung verlor. In jener Zeit kann sein Amt nicht ohne entsprechende Gerichtsbarkeit gedacht werden, und wahrscheinlich wurde an ihn in Sachen appelliert, welche die kaiserliche Schatzkammer betrafen.
Das Bestehen eines kaiserlichen Fiskus in Rom ist unzweifelhaft; denn hier standen dem Kaiser mancherlei Regalien zu. Daß Klöster wie Farfa und S. Andrea am Soracte Abgaben an die Kammer ihres Schutzherrn zahlten, ist natürlich, aber auch das Vorhandensein von Domänen anderer Natur wird bemerkt. Als der Kaiser Ludwig im Jahre 874 sein neu gestiftetes Kloster Casa aurea ausstattete, schenkte er ihm alle Einkünfte, die er in Rom, in Kampanien, in der Romagna, in Spoleto, Camerino und Tuszien besaß. Wenn darunter nur Fiskalrechte zu verstehen sind, so beweist dies allerdings die Unbeträchtlichkeit der kaiserlichen Güter in Rom und im Römischen. Überhaupt ist es unbekannt, welche Einkünfte der Kaiser aus der Stadt bezog. Zur Zeit der Karolinger sollen jährliche Geschenke von zehn Pfund Gold, hundert Pfund Silber und von zehn feinen Pallien nach dem Palast in Pavia geschickt worden sein, während der kaiserliche Missus von der apostolischen Kammer unterhalten wurde. Sonst verlautet von keiner Abgabe Roms; nur die Hälfte der Strafgelder, in Zivilsachen gewöhnlich zehn Pfund Goldes betragend, wurde an das kaiserliche Palatium gezahlt. Diese Einnahme konnte wegen der vielen Prozesse nicht ganz gering sein, aber sie blieb eine zufällige, und auch andere Einkünfte waren augenblicklicher Natur, wie das Foderum, die Parata, das Mansionaticum, die Verpflichtung, Pferde und Soldaten zu unterhalten, die Wege und Brücken auszubessern und dem Heere Einquartierung zu geben. Sooft die Kaiser nach Rom zogen, wurde ihr Heer und Hofstaat von der Stadt verpflegt, wie wir dies daraus erkannten, daß einst Otto I. seine Truppen entfernte, um Rom nicht zu sehr auszusaugen. Die Pflicht des Foderum erstreckte sich auf alle Städte Italiens, die der Kaiser durchzog, und sie war keine geringe Last des Landes.
Die apostolische Kammer war dagegen von ganz anderer Natur. Der päpstliche Schatz, ursprünglich das Vestiarium, wurde in jener Epoche nicht minder Palatium genannt; an ihn wurden die Renten der Kirchengüter gezahlt, die man im allgemeinen als dationes ( dazio im Italienischen), tributa, servitia, functiones und pensiones begriff. Ihre Titel im einzelnen waren zahllos, denn die Namen der Zölle und Nutzgelder von Brücken, Wegen, Toren, Wiesen, Wald, Markt, Fluß, Ufer, Hafen und anderem geben ein langes Register, welches die barbarische Staatsökonomie jener Zeit charakterisiert. Die Aktionäre trieben die Gelder aus allen Besitzungen der Kirche ein, und in Rom selbst finden wir die päpstliche Kammer auch als Eigentümerin von Zöllen, die am Flußufer, an den Stadttoren und den Brücken erhoben wurden. Wir wissen aber nichts von direkten Tributen in Rom und bezweifeln durchaus, daß die freien Römer Kopf- oder Grundsteuer an den päpstlichen Fiskus zahlten. Es lag auch in der Politik des Papsttums, die Stadt nicht mit Steuern zu bedrücken. Dagegen wird es an Erpressungen unter dem Titel von Geschenken, Kollekten, Zehnten, Gewohnheiten nicht gefehlt haben. So roh uns jene Zeit erscheinen mag, so war sie doch von dem späteren System aussaugender Monarchien weit entfernt. Der Begriff der Souveränität wurde hauptsächlich in der obersten Richtergewalt dargestellt, und alle sonstigen Leistungen der Untertanen beruhten auf einem Pactum oder Vertrag, wonach sie für dasjenige zahlten, was als dem Staat gehörend von ihnen genutzt wurde. So hafteten die wesentlichen Einkünfte der Kirche an ihren vielen Patrimonien, und nur was ausdrücklich der Kammer als Census (Zins) gehörte, konnte von ihr beansprucht werden. Dagegen fielen an den päpstlichen Fiskus Strafgelder und Kompositionen, auch das Vermögen erblos Gestorbener. Auch die Münze war noch ungeteiltes Regal des päpstlichen Palasts, denn nur die Päpste hatten das Recht, sie zu schlagen.
Aber die Einkünfte des Lateran hatten sich sehr gemindert. Die Herstellung des Kirchenstaats durch Otto I. hob die große Revolution nicht mehr auf, welche der päpstliche Besitz seit mehr als 70 Jahren erlitten hatte. Die einst unter Hadrian I. und Leo III. blühenden Patrimonien waren seit dem Verfalle des Reichs tausendfacher Plünderung ausgesetzt gewesen. Die Verwirrung der Administration war grenzenlos; der Lateran wurde mehrmals beraubt, verwüstet, sein Archiv zerstört; die Rektoren der Patrimonien blieben sich selbst überlassen. Die erdrückten Kolonen zahlten keine Abgaben mehr; die adeligen Pächter weigerten oder leugneten die Zinspflicht. Die Päpste selbst mußten Güter und Fiskalien abtreten, und das germanische Lehnswesen, gegen welches sich Rom lange gesträubt hatte, drang überall ein. Zahllose Domänen, mit List oder Gewalt entfremdet, wurden Erbgüter; die Päpste verschleuderten sie an Nepoten und Faktionsmänner, denen sie die Tiara verdankten. Aus Not gaben sie manches schöne Besitztum für eine augenblicklich zu zahlende Summe hin und erhoben dann, um der Kammer das Eigentumsrecht zu retten, nur einen jährlichen Zins von oft lächerlicher Geringfügigkeit. Noch mehr machten Kriege, Ungarn und Sarazenen dem Besitz St. Petri ein Ende. Die meisten Domänen wurden vernichtet, und die Päpste sahen sich gezwungen, ganze Ortschaften an Bischöfe oder Barone zu verleihen.
Die Exemtionen nahmen auch im Römischen überhand. Uralte Regalien wurden immer häufiger an Bischöfe und Äbte weggegeben, die sich, so gut wie der Adel, in Besitz von Städten setzten. Wir sahen das mit Subiaco und Portus geschehen, aber noch auffallender ist, daß Gregor V. die Grafschaften Comacchio und Cesena, ja Ravenna selbst und sein Gebiet mit allen öffentlichen Zöllen und dem Münzrecht dem Erzbischof für immer überließ, wozu noch Otto III. die Podestas oder Jurisdiktion hinzufügte. So verzichteten die Päpste auf jenen lange gehüteten Besitz. Auch Äbte und Bischöfe vergabten ihre Güter an mächtige Herren, die dann ihre Vasallen oder Milites wurden; sie waren nun sicher, die betreffenden Orte gegen Sarazenen oder andere Feinde geschützt zu sehen. Sie verliehen Städte, sie zu befestigen, öde Gegenden, sie zu kolonisieren, und so entstanden im X. Jahrhundert in der Campagna Roms viele Kastelle und Türme. Wenn dergleichen Verträge noch immer von der Natur der Emphyteuse waren, so änderte sich das bald durch den eindringenden Feudalismus, und schon im Jahre 977 findet sich ein Vertrag feudaler Art. Der Abt Johann von S. Andrea in Selci bei Velletri verlieh dem berühmten Crescentius de Theodora das castrum vetus mit der ausdrücklichen Pflicht, daß er »Krieg und Friede mache nach Befehl des Papsts und der Klosteräbte«. Auch die näheren Bedingungen sind bemerkenswert. Das Kloster behielt sich die Besatzung eines Tores des Kastells wie das Recht, in den verpachteten Ort seine Konsuln (Richter), seine Vizegrafen (Vögte) zu schicken, um über die Klostergerechtsame zu wachen, den Zins einzutreiben und in Zivilstreitigkeiten Recht zu sprechen, während Crescentius den Blutbann und die Führung der Truppen erhielt. Der Zins bestand in Naturalien, darunter ein Viertel des Weinertrages, und am Fest St. Andreas' mußten ein Paar Fackeln und ein halber Sextar Öl abgeliefert werden. Obwohl dieser Vertrag noch als eine Lokation dritter Generation erscheint, bringt doch die Verpflichtung zum Kriegsdienst einen feudalen Charakter hinzu. Diese Urkunde ist die erste römische solcher Natur, die wir kennen, dann aber zeigt uns eine vom Jahr 1000 das System der Beneficia von der römischen Kirche anerkannt.
Silvester II. verlieh damals Stadt und Komitat Terracina an den Langobarden Dauferius und sein Geschlecht und verpflichtete ihn zur Leistung des Kriegsdienstes, worin eben der wesentliche Charakter der Lehnsvasallenschaft bestand. Diese Wirkung hatten demnach die Faktionskriege und die Raubzüge der Sarazenen: die ursprüngliche Domänenverwaltung der Kirche durch Subdiakonen verwandelte sich in ein System der Privatpacht, welches von selbst in den Lehnsbesitz überging, und seit der Mitte des X. Jahrhunderts wurde das große Patrimonium St. Peters überall von Milites besetzt, die eifrig bemüht waren, dasjenige, was sie nur zeitweise von der Kirche empfangen hatten, in erbliches Familiengut zu verwandeln.